Banner Online Kompaktkurse für fundiertes Wissen zu neuesten Gesesetzesänderungen und Abrechnungskriterien
Abo

BFH kippt pauschale Schätzmethode : Warum das alte Urteil jetzt zum Gamechanger wird

Der BFH verlangt individuelle statt pauschaler Schätzungen bei Betriebsprüfungen. Finanzämter müssen künftig realitätsnah und nachvollziehbar rechnen.

KurzmeldungenMagazin
Lesezeit 1 Min.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit dem Urteil X R 19/21 bereits Ende 2022 ein deutliches Signal gesetzt: Finanzämter dürfen bei Betriebsprüfungen nicht mehr automatisch auf pauschale Branchendurchschnittswerte aus der sogenannten Richtsatzsammlung zurückgreifen, wenn es Unklarheiten in der Buchführung gibt. Stattdessen müsse künftig der konkrete Betrieb im Mittelpunkt stehen. Die Richter betonen, dass der sogenannte innere Betriebsvergleich – also eine individuelle Berechnung, die sich an den tatsächlichen Zahlen, Abläufen und Gegebenheiten des geprüften Unternehmens orientiert – grundsätzlich die verlässlichere Schätzmethode darstellt.

Obwohl das Urteil schon einige Jahre alt ist, wird es jetzt wieder aktuell. Der Grund: Erst seit Mitte 2025 beginnen die Finanzverwaltungen der Länder, die BFH-Vorgaben konsequent umzusetzen. In der Praxis bedeutet das: Betriebsprüfer werden angehalten, Schätzungen künftig individuell zu begründen und nicht mehr reflexartig die Tabellenwerte der Richtsatzsammlung heranzuziehen. Das Bundesfinanzministerium (BMF) arbeitet parallel an einer Überarbeitung dieser Sammlung, nachdem der BFH sie als methodisch und statistisch nicht ausreichend repräsentativ eingestuft hat.

Für Unternehmen bedeutet diese Entwicklung mehr Rechtssicherheit, aber auch mehr Eigenverantwortung. Schätzungen durch das Finanzamt müssen künftig nachvollziehbar, transparent und betriebsbezogen sein. Betriebe können pauschale Nachkalkulationen leichter anfechten und sollten bei laufenden Einsprüchen oder Klageverfahren ausdrücklich auf das BFH-Urteil verweisen. Entscheidend ist jedoch, dass die eigene Buchführung vollständig, plausibel und dokumentiert ist. Lückenhafte oder fehlerhafte Aufzeichnungen bleiben auch künftig ein Einfallstor für Schätzungen – nur eben auf einer präziseren Grundlage.

Das Urteil markiert damit einen Wendepunkt in der steuerlichen Prüfungspraxis. Jahrzehntelang galt die Richtsatzsammlung als einfaches Standardinstrument für die Finanzverwaltung, auch wenn ihre Datengrundlagen oft nicht repräsentativ waren. Nun zwingt der BFH die Finanzämter, genauer hinzusehen und realitätsnäher zu rechnen. Für Unternehmen ist das ein Schritt hin zu mehr Fairness und Transparenz – und zugleich ein Anstoß, ihre internen Aufzeichnungen so solide zu führen, dass sie jeder individuellen Prüfung standhalten.

Diesen Beitrag teilen: