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Der BFH bestätigt: Teilzeitstudierende können Fahrtkosten zur Uni nach Reisekostengrundsätzen absetzen – entscheidend ist der tatsächliche Zeitaufwand fürs Studium.

Lesezeit 4 Min.

Fahrtkosten eines Teilzeitstudierenden zwischen seiner Wohnung und seinem Studienort

Wann liegt ein Vollzeitstudium im Sinne des Reisekostenrechts vor? Diese Frage ist maßgeblich dafür, ob für die Fahrten zur Universität Reisekosten geltend gemacht werden können oder nur die Entfernungspauschale.

Die Richter des Bundesfinanzhofs (BFH) haben mit Urteil vom 24.10.2024 zum Aktenzeichen VI R 7/22 hierzu geurteilt, welches am 30.01.2025 veröffentlicht wurde. Sie haben darüber entschieden, unter welchen Voraussetzungen die Bildungseinrichtung (hier: Fernuniversität) „zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme“ aufgesucht wird.

Sachverhalt

Der Kläger war an der Fernuniversität in Hagen als Teilzeitstudent eingeschrieben und ist verheiratet. Während des Streitjahres übte der „Student“ keine Erwerbstätigkeit aus. Nachdem er bereits im Jahr 2008 ein Studium an der Fernuniversität in Hagen erfolgreich abgeschlossen hatte, belegte er dort ab dem Wintersemester 2016/2017 einen weiteren Studiengang. Ausweislich der Studienbescheinigungen war er während des Streitjahres als „Teilzeitstudent“ eingeschrieben. Ein Beschäftigungsverhältnis gab es daneben nicht.

Die Fernuniversität differenziert auf ihrer Website wie folgt zwischen Vollzeit- und Teilzeitstudierenden:

„Vollzeitstudierende haben eine entsprechende Hochschulzugangsberechtigung und studieren den geplanten Studiengang in einem zeitlichen Umfang von etwa 40 Stunden wöchentlich. Dieser Status entspricht dem Status eines Studierenden an einer Präsenzhochschule und ist Voraussetzung für die Förderung durch BAföG … Teilzeitstudierende sind ebenfalls Studierende eines Studiengangs …, studieren aber überwiegend berufsbegleitend in einem zeitlichen Umfang von etwa 20 Stunden wöchentlich …“

In ihrer Steuererklärung für das Streitjahr machte das Ehepaar für den „Studenten“ aus nicht selbstständiger Arbeit Aufwendungen für 29 Hin- und Rückfahrten zwischen ihrer Wohnung und der Fernuniversität in Hagen i. H. v. 4.819,80 Euro als Werbungskosten geltend. Die Berechnung der Fahrtkosten hatten sie nach Reisekostengrundsätzen, mit 0,30 Euro je gefahrenen Kilometer, durchgeführt. Das Finanzamt berücksichtigte die Fahrtkosten im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr nur unter Anwendung der Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG mit 2.410 Euro, da das Studium, weil es außerhalb eines Arbeitsverhältnisses erfolge, ein Vollzeitstudium sei und die Universität deshalb als erste Tätigkeitsstätte i. S. d. § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG gelte.

Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht statt und bestätigte den Abzug der Kosten nach Reisekostengrundsätze.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass die Revision des Finanzamts unbegründet ist. Das Finanzgericht urteilte zu Recht, dass der Student die Fahrtkosten zur Fernuniversität Hagen nicht nur in Höhe der Entfernungspauschale, sondern nach Reisekostengrundsätzen als Werbungskosten geltend machen kann.

Ein Vollzeitstudium im Sinne des § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG liegt nur vor, wenn sich Studierende diesem – vergleichbar einem vollbeschäftigten Arbeitnehmer – zeitlich vollumfänglich widmen müssen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG können Aufwendungen für beruflich veranlasste Fahrten entweder in tatsächlicher Höhe oder pauschal angesetzt werden. Fahrten zu einer Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums aufgesucht wird, unterliegen der Entfernungspauschale, da die Bildungseinrichtung als erste Tätigkeitsstätte gilt. Dies wurde durch die Regelung des § 9 Abs. 4 Satz 8 Halbsatz 2 EStG im Jahr 2014 festgelegt.

Werbungskosten sind nach ständiger Rechtsprechung abzugsfähig, wenn sie beruflich veranlasst sind. Das gilt auch für Aufwendungen, die im Rahmen einer Zweitausbildung (Berufsausbildung oder Studium) entstehen. Ein solcher Zusammenhang besteht, wenn das Studium der späteren Erzielung von Einnahmen dient. Aufwendungen für eine Zweitausbildung werden regelmäßig als Werbungskosten anerkannt, sofern nicht private Gründe überwiegen oder „ins Blaue hinein“ studiert wird. § 9 Abs. 6 EStG bestätigt, dass die Kosten für eine eigene Zweitausbildung grundsätzlich nicht auf unbeachtlichen privaten Motiven beruhen.

Nach den Grundsätzen der ständigen Rechtsprechung sind sämtliche beruflich veranlassten Aufwendungen eines Zweitstudiums, einschließlich der Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte, als Werbungskosten abziehbar. Allerdings begrenzt § 9 Abs. 4 Satz 8 Halbsatz 2 EStG die Berücksichtigung der Fahrtkosten auf die Entfernungspauschale, wenn es sich um ein Vollzeitstudium handelt. Der BFH stellt klar, dass ein Vollzeitstudium vorliegt, wenn es nach der Studienordnung einen zeitlichen Aufwand von etwa 40 Wochenstunden (einschließlich Vor- und Nachbereitung) oder einen Umfang von durchschnittlich 30 ECTS-Creditpoints pro Semester erfordert.

Die Finanzverwaltung vertritt in Rz. 34 des BMF-Schreibens vom 25.11.2020 die Auffassung, dass ein Vollzeitstudium insbesondere dann vorliegt, wenn der Studierende für einen Beruf ausgebildet wird und daneben keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Der BFH widerspricht dieser Sichtweise: Weder der Gesetzeswortlaut noch Sinn und Zweck der Regelung rechtfertigen eine Unterscheidung anhand der Erwerbstätigkeit. Entscheidend sei allein der durch die Studienordnung vorgesehene Zeitaufwand.

Im konkreten Fall stellte das Finanzgericht fest, dass die Fernuniversität Hagen im Streitjahr nicht als erste Tätigkeitsstätte des Studenten galt. Der Student war lediglich als Teilzeitstudierender eingeschrieben und widmete sich dem Studium in einem Umfang von etwa 20 Stunden pro Woche. Dass er keiner Erwerbstätigkeit nachging, war für die steuerliche Einordnung des Studiums unerheblich. Da es sich somit nicht um ein Vollzeitstudium handelte, waren die Fahrtkosten nicht auf die Entfernungspauschale begrenzt, sondern konnten nach Reisekostengrundsätzen als Werbungskosten berücksichtigt werden.

Daniela Karbe-Geßler

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