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Betriebsratswahl : Zulässigkeit der Wahl eines „kleineren“ Betriebsrats bei fehlenden Kandidaten möglich

Sind bei einer Betriebsratswahl also weniger Kandidatinnen und Kandidaten als vom Gesetz vorgesehene Betriebsratsmitglieder vorhanden, ist die Wahl nicht abzubrechen, sondern einfach ein kleinerer Betriebsrat zu errichten. Nichtigkeits- oder Anfechtungsgründe resultieren daraus nicht.

Lesezeit 2 Min.

Wenn bei einer Betriebsratswahl weniger Bewerber vorhanden sind als Betriebsratsmitglieder zu wählen, kann ein „kleinerer“ Betriebsrat errichtet werden. Dies steht der Wirksamkeit der Betriebsratswahl nicht entgegen (BAG vom 24.04.2024 − 7 ABR 26/2).

Verortung des Urteils

Nach § 9 BetrVG ist die Zahl der Mitglieder des Betriebsrates von der Anzahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer im Betrieb abhängig. Je größer die Anzahl der Wahlberechtigten, desto größer ist auch der Betriebsrat.

Doch was passiert, wenn bereits die Anzahl der Bewerber kleiner ist, als die der – an sich nach der Staffel des § 9 BetrVG – zu wählenden Betriebsratsmitgliedern?

Das BAG (Beschluss vom 07.05.2008 – 7 ABR 17/07) hatte bereits 2008 festgestellt, dass § 9 BetrVG zwar die Anzahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder zwingend regelt, hiervon jedoch u. a. abgewichen werden kann, wenn nicht genügend wählbare Arbeitnehmer vorhanden oder zur Übernahme des Amts bereit sind. 

Sachverhalt

Die Arbeitgeberin betreibt eine Klinik mit regelmäßig ca. 170 Arbeitnehmer. Im Mai 2022 wurde bei der Arbeitgeberin eine Betriebsratswahl durchgeführt. Für diese kandidierten lediglich drei Arbeitnehmer*innen, die jeweils 52, 50 sowie 60 Stimmen erhielten. Obwohl das Gesetz für die Betriebsgröße der Arbeitgeberin einen aus sieben Mitgliedern bestehenden Betriebsrat vorsehen würde, wurde nur ein Betriebsrat mit drei Mitgliedern gewählt.

Die Arbeitgeberin hatte den Wahlvorstand bereits während der Durchführung der Wahl erfolglos unter Hinweis auf den Kandidatenmangel zum Abbruch der Wahl aufgefordert. Nach der Wahl leitete sie dann beim Arbeitsgericht ein Beschlussverfahren mit dem Antrag ein, die Nichtigkeit der Betriebsratswahl, hilfsweise deren Unwirksamkeit, festzustellen.

Die Entscheidung

Die Arbeitgeberin war mit ihrem Antrag vor dem Arbeitsgericht Hamburg und der Beschwerde vor dem Landesarbeitsgericht Hamburg erfolglos. Das Landesarbeitsgericht hatte seine Entscheidung noch mit der entsprechenden Anwendung von § 11 BetrVG begründet. Diese Vorschrift sieht für den anders liegenden Fall, dass keine ausreichende Zahl von wählbaren Arbeitnehmern vorhanden ist, vor, dass dann für die Zahl der Betriebsratsmitglieder die nächstniedrigere Betriebsgröße gemäß der Staffel des § 9 BetrVG gilt. Mit der dagegen gerichteten Rechtsbeschwerde vor dem BAG hatte die Arbeitgeberin keinen Erfolg.

Laut der Pressemeldung (der Volltext mit den ausführlichen Gründen liegt noch nicht vor) entschied das BAG, dass es der Wahl eines Betriebsrats nicht entgegenstehe, wenn sich nicht genügend Kandidaten für das Betriebsratsamt finden.

Das Gericht begründet seine Entscheidung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Mit dieser Regelung werde der Wille des Gesetzgebers ausgedrückt, dass in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständig wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, Betriebsräte gewählt werden sollen. In den Konstellationen, in denen weniger Kandidaten als zu besetzende Betriebsratssitze vorhanden sind, solle § 9 BetrVG so angewandt werden, dass auf die jeweils nächstniedrigere Stufe zurückzugehen ist. Diese Methode solle so lange angewandt werden, bis die Anzahl der Bewerber*innen für die Errichtung eines Betriebsratsgremiums − mit einer ungeraden Anzahl an Mitgliedern − ausreiche.

#KurzErklärt

  • Die Entscheidung steht nicht nur im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte, sondern entspricht auch der herrschenden Meinung in der juristischen Literatur.
Praxistipp

Praxistipp

Sind bei einer Betriebsratswahl also weniger Kandidatinnen und Kandidaten als vom Gesetz vorgesehene Betriebsratsmitglieder vorhanden, ist die Wahl nicht abzubrechen, sondern einfach ein kleinerer Betriebsrat zu errichten. Nichtigkeits- oder Anfechtungsgründe resultieren daraus nicht.

von Frau Dr. Felisiak von Eversheds Sutherland (Germany) Rechtsanwälte