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„Digital Native“ – jung, dynamisch und diskriminierend?

Das LAG Baden-Württemberg entschied: Der Begriff „Digital Native“ in Stellenanzeigen kann ältere Bewerber benachteiligen und eine Altersdiskriminierung darstellen.

Arbeitsrecht
Lesezeit 4 Min.
Laptop mit der Aufschrift Benachteiligung und Paragraphenzeichen, Symbol für Diskriminierung und Arbeitsrecht
Foto: © stock.adobe.com/ MQ-Illustrations

„Digital Native“ in Stellenanzeigen: Diskriminierend?

Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 07.11.2024

Wer in einer Stellenanzeige gezielt nach einem „Digital Native“ sucht, läuft Gefahr, ältere Bewerber*innen zu benachteiligen und gegen das Diskriminierungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu verstoßen.

 

Verortung des Urteils

Verwendung des Begriffs „Digital Native”

Mit dieser Entscheidung wendet das LAG Baden‑Württemberg das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz konsequent auf moderne Stellenausschreibungen an. Es bezieht sich auf den Begriff „Digital Native“, der 2001 vom amerikanischen Autor Marc Prensky geprägt wurde, um eine Generation zu beschreiben, die mit digitalen Technologien aufgewachsen ist. Das LAG hebt hervor, dass der Begriff eine unmittelbare Anknüpfung an das Lebensalter darstellt und daher eine Vermutung für eine Altersdiskriminierung auslöst.

 

Der Sachverhalt

Streit um Altersdiskriminierung nach AGG

Die Parteien streiten darüber, ob der Arbeitgeber – ein Sportartikelhändler – verpflichtet ist, dem Kläger eine Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des AGG zu zahlen.

Kernpunkt des Streits war eine Stellenanzeige für eine Position als „Manager Corporate Communication“ mit der inhaltlichen Formulierung: „Als Digital Native fühlst du dich in der Welt der Social Media, der Daten-getriebenen PR, des Bewegtbilds und allen gängigen Programmen für DTP, CMS, Gestaltung und redaktionelles Arbeiten zu Hause“. Auch die Tonalität war locker gehalten: Gesucht sei ein „Teambuddy“ – man biete ein „dynamisches Team“.

Der Kläger, Jahrgang 1972, bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle und erhielt eine Absage. Daraufhin klagte er vor dem Arbeitsgericht Heilbronn auf Entschädigung wegen Altersdiskriminierung in Höhe von fünf Bruttomonatsgehältern. Seiner Auffassung nach deute der Begriff „Digital Native“ darauf hin, dass die Beklagte einen Bewerber suche, der einer Generation entstamme, die die digitale Sprache von Computer, Videospielen und Internet verwendet. In Jahreszahlen würden damit nur Bewerber*innen angesprochen, die nach 1980 geboren seien.

 

Die Entscheidung

Begründung des Arbeitsgerichts Heilbronn

Das Arbeitsgericht Heilbronn sprach dem Kläger erstinstanzlich einen Entschädigungsanspruch in Höhe von 1,5 Bruttomonatsgehältern gem. § 15 Abs. 2 AGG zu. Dabei handelte es sich nicht um einen Teil des vom Kläger geforderten, sondern des vom Arbeitgeber geplanten Gehalts.

Unter „Digital Native“ sei nach Ansicht des Arbeitsgerichts gemäß allgemeinem Sprachgebrauch eine Person zu verstehen, die mit digitalen Technologien aufgewachsen und in ihrer Benutzung geübt ist. Durch die Stellenanzeige habe eine Einengung des Bewerberkreises stattgefunden, womit eine Altersdiskriminierung des Klägers zu vermuten sei. Hier hätte der Arbeitgeber den Gegenbeweis liefern müssen.

Bestätigung durch das LAG Baden-Württemberg

Das LAG bestätigte dies auch in zweiter Instanz. Die Bezeichnung „Digital Native“ knüpfe unmittelbar an das Lebensalter der Bewerber*innen an. Der Begriff „Digital Native“, zu Deutsch „digitaler Eingeborener“, sei vom amerikanischen Autor Marc Prensky im Jahr 2001 geprägt, um eine Generation zu beschreiben, die mit digitalen Technologien wie Computern, dem Internet und anderen mobilen Geräten aufgewachsen ist. Folglich sei der im Jahre 1972 geborene Kläger nach Definition kein „Digital Native“.

Verstärkt sei die direkte Bezugnahme auf das Alter bzw. eine jüngere Generation durch die weiteren Formulierungen „Teambuddy“ und „dynamisches Team“. Diese würden den Schluss zulassen, dass sich die Stellenausschreibung aus Sicht eines objektiven Lesers* eher an jüngere Bewerber*innen richtet.

Folgen für die Praxis

#KurzErklärt: Kernaussagen des Urteils

  • Das Urteil verdeutlicht, dass Arbeitgeber*innen bei der Formulierung von Stellenausschreibungen die Vorgaben des AGG genau beachten müssen. Bezeichnungen wie „Digital Native“ können eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters im Sinne von § 1 AGG darstellen, da sie häufig mit jüngeren Generationen assoziiert werden.
  • Eine solche Benachteiligung kann zu erheblichen Entschädigungsansprüchen führen. Um rechtlichen Risiken vorzubeugen, sollten Stellenanzeigen neutral und diskriminierungsfrei gestaltet werden. Altersbezogene oder anderweitig ausschließende Begriffe sollten vermieden werden, um die Chancengleichheit aller Bewerber*innen zu gewährleisten.

 

Praxistipp für Arbeitgeber*innen

Vor diesem Hintergrund sollten Arbeitgeber*innen zweierlei beachten: Zum einen sollte auf eine AGG-konforme Formulierung der Stellenausschreibung geachtet werden. Gerade generationsbezogene Begriffe wie „Digital Native“, „Millennials“ oder „Generation Z“ sollten vermieden und im Zweifel besser auf erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zurückgegriffen werden. Darüber hinaus sollten bei der Durchführung des Bewerberprozesses grundsätzlich das Vorgehen sowie die Auswahlmerkmale protokolliert werden. Eine lückenlose Dokumentation kann dem Unternehmen später vor Gericht ermöglichen, den Beweis zu führen, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Kriterien zu der Ablehnung der Bewerbung geführt haben.

 

Ab Juni 2026 sind zudem die besonderen Pflichten der Europäischen Entgelttransparenzrichtlinie zu beachten. Danach müssen Stellenbewerber vor dem Bewerbungsgespräch die notwendigen Informationen zu Verdienstmöglichkeiten übermittelt werden – die Angabe der entsprechenden Informationen in Stellenausschreibung wäre eine Möglichkeit hierzu.

Praxistipp für Arbeitgeber*innen

Vor diesem Hintergrund sollten Arbeitgeber*innen zweierlei beachten: Zum einen sollte auf eine AGG-konforme Formulierung der Stellenausschreibung geachtet werden. Gerade generationsbezogene Begriffe wie „Digital Native“, „Millennials“ oder „Generation Z“ sollten vermieden und im Zweifel besser auf erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zurückgegriffen werden. Darüber hinaus sollten bei der Durchführung des Bewerberprozesses grundsätzlich das Vorgehen sowie die Auswahlmerkmale protokolliert werden. Eine lückenlose Dokumentation kann dem Unternehmen später vor Gericht ermöglichen, den Beweis zu führen, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Kriterien zu der Ablehnung der Bewerbung geführt haben.

Ab Juni 2026 sind zudem die besonderen Pflichten der Europäischen Entgelttransparenzrichtlinie zu beachten. Danach müssen Stellenbewerber vor dem Bewerbungsgespräch die notwendigen Informationen zu Verdienstmöglichkeiten übermittelt werden – die Angabe der entsprechenden Informationen in Stellenausschreibung wäre eine Möglichkeit hierzu.

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