Schadensersatz wegen Mobbing? Gar nicht so einfach!
„Mobbing“ ist kein Rechtsbegriff und bietet keine selbstständige Anspruchsgrundlage für Ansprüche, die ein Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber oder Arbeitskollegen gegenüber geltend machen will. Bei Mobbingvorwürfen muss der Arbeitnehmer detailliert die Mobbinghandlungen schildern und darlegen. Dass dies gar nicht so einfach ist, zeigt ein Urteil des LAG Schleswig-Holstein.
LAG Schleswig-Holstein, Entscheidung vom 11.10.2023 – 6 Sa 48/23
Verortung des Urteils
Mobbing – ein Begriff mit dem sich Personalabteilungen immer wieder konfrontiert sehen. Im Allgemeinen Sprachgebrauch versteht man darunter Handlungen, durch die zum Beispiel Kollegen schikaniert und gequält werden.
Um ein rechtliches Gewicht zu erlangen, ist es notwendig, dass diese Handlungen über einen längeren Zeitraum vorkommen. Das BAG definiert „Mobbing“ als ein systematisches Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte – sog. Bossing. Hierbei kann es um offene Anfeindungen, grobe Scherze, Einschüchterungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen, Beleidigungen oder Psychoterror gehen. Aber auch bestimmt Verhaltensweisen, wie versteckte Beanstandungen, Anspielungen oder der Ausschluss von der innerbetrieblichen Kommunikation kann dazu zählen.
Macht ein Arbeitnehmer konkrete Ansprüche wegen Mobbing geltend, muss geprüft werden, ob der Arbeitgeber vertragliche Pflichten, ein absolutes Recht iSd § 823 Abs. 1 BGB bzw. ein Schutzgesetz iSd § 823 Abs. 2 BGB verletzt oder eine sittenwidrige Schädigung iSd § 826 BGB begangen hat. Hierbei kann es auch auf eine Zurechnung des Verhaltens von Erfüllungsgehilfen, eine Haftung für Verrichtungsgehilfen nach § 831 BGB oder ein allgemeines Organisationsverschulden ankommen. Dennoch liegt die Darlegungs- und Beweislast zunächst einmal beim Kläger.
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Zahlung von Schmerzensgeld.
Die Klägerin war seit 1998 in einer als Kleinbetrieb geführten Zahnarztpraxis beschäftigt, die der Beklagte 2015 übernommen hatte.
Die Klägerin hat behauptet, sie sei an ihrem Arbeitsplatz in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht erheblich und systematisch verletzt worden. Die Persönlichkeitsrechtsverletzungen seien vor allem von ihrer Kollegin S. als treibender Kraft sowie von ihrer Kollegin C. ausgegangen. Die Klägerin hat gemeint, Neid und Angst vor Arbeitsplatzverlust hätten deren Verhalten motiviert. Die Kolleginnen hätten die aufgrund der langen Betriebszugehörigkeit „natürlicherweise“ bestehende „Weisungsbefugnis“ der Klägerin nach dem Inhaberwechsel nicht mehr respektiert. Sie hätten Konflikte geschürt, um sie, die Klägerin, bezüglich ihres Verantwortungsbereichs schlecht dastehen zu lassen. Die Kolleginnen hätten sich auch an ihrem größeren Kompetenz und Tätigkeitsspektrum gestört. Zuletzt habe die „Panik“ der Kolleginnen vor Corona weitere Anfeindungen veranlasst, da sie, die Klägerin, deutlich „normaler“ mit der Thematik umgegangen sei. Endgültig sei sie zum Feindbild erklärt worden, als sie sich nach überstandener Corona-Erkrankung im Januar 2021 zum Auslaufen ihres „Genesenen-Status“ im Sommer 2021 aus gesundheitlichen Gründen gegen eine Impfung entschieden habe.
Die Klägerin hat unter anderem behauptet, die Kolleginnen hätten sie wegen ihrer polnischen Herkunft sowie ihres katholischen Glaubens gehänselt und lächerlich gemacht. Zudem hätten sie bewusst und lautstark falsche Behauptungen über ihr angeblich unterlaufene Fehler verbreitet. Ihr seien Fehler der Kolleginnen öffentlichkeitswirksam in die Schuhe geschoben worden. Die Kolleginnen S. und C. hätten des Öfteren lauthals über sie gelästert oder miteinander getuschelt, wenn sie in der Nähe gewesen sei. Dabei sei immer wieder ihr Vorname geflüstert worden. Wenn sie den Raum betreten habe, hätten sie geschwiegen und sie mit abschätzigen Blicken bedacht. Nachdem die Klägerin sich aus gesundheitlichen Gründen gegen eine Corona-Impfung entschieden hätte, hätten ihre Kolleginnen regelmäßig lauthals nachgefragt, ob sie sich nicht doch endlich impfen lassen wolle. Wenn sie mit Maske den Raum betreten habe, seien demonstrativ die Fenster aufgerissen und meterweiter Abstand zu ihr gehalten worden. Zudem hätten die Kolleginnen die Türen der Behandlungszimmer aufgerissen, während sie sich dort zur Vor- oder Nachbereitung der Räume und Behandlungseinheiten aufgehalten habe. Mit dieser Schikane habe man sie vom Abnehmen der Maske abhalten wollen, obwohl das Abnehmen der Maske mit dem Beklagten für den Fall, dass sie alleine im Raum war und die Fenster geöffnet waren, abgestimmt gewesen sei.
Der Arbeitgeber hatte nach einem Personalgespräch mit der Klägerin, in dem er Verspätungen monierte, von den Mobbingvorwürfen Kenntnis erhalten. Umgehend hat er daraufhin ein klärendes Gespräch mit der Klägerin initiiert sowie für den Folgetag zu einer Teambesprechung eingeladen.
Nachdem die Klägerin sich im November 2021 arbeitsunfähig krankmeldete, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.6.2022. Die hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage der Klägerin war in allen drei Instanzen erfolglos. Nun begehrt sie Schmerzensgeld i.H.v. 40.000 €. Sie trägt vor, sie habe den Beklagten mehrfach auf die Situation hingewiesen, sei aber nicht gehört worden.
Die Entscheidung
Die Klage wurde in beiden Instanzen abgewiesen. Eine arbeitgeberseitige Verletzung der ihm obliegenden Schutzpflicht, die Klägerin vor einer Persönlichkeitsrechts- oder Gesundheitsverletzung zu schützen, lag nicht vor. Eine solche käme nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber von den Verletzungen der Rechte oder Rechtsgüter der Arbeitnehmerin durch andere Arbeitnehmer Kenntnis habe. Hier habe der Beklagte nach erstmaliger Kenntniserlangung umgehend mit den Beteiligten das Gespräch gesucht. Die Klägerin habe auch in der Berufung unklar gelassen, worin die tatsächlichen „wesentlichen Mobbinghandlungen“ bestanden und wann sie sich zugetragen haben sollen.
Weiter stellte das Gericht fest, dass für den Nachweis einer Pflichtverletzung des Beklagten es nicht ausreicht, wenn ein ärztliches Attest mit der Feststellung eines mobbingtypischen Befundes vorgelegt wird. Damit wird weder die Kausalität zwischen den behaupteten Mobbing-Handlungen und dem Befund noch überhaupt festgestellt, dass sich die behaupteten Mobbing-Handlungen tatsächlich zugetragen hätten.
#KurzErklärt
- „Mobbing“ ist kein Rechtsbegriff und stellt deshalb auch keine einer Rechtsnorm vergleichbare, selbstständige Anspruchsgrundlage für Ansprüche eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber oder gegen Vorgesetzte bzw. Arbeitskollegen dar.
- Mobbing muss von alltäglichen Konfliktsituationen am Arbeitsplatz abgegrenzt werden. Im Arbeitsleben gibt es viele übliche „Reibungspunkte“, in die ein Arbeitnehmer gelegentlich verwickelt wird, die aber als sozialadäquat anerkannt sind. Daher bedarf es letztlich einer Abschichtung solcher gebilligten Konflikte von tatsächlichem Mobbingverhalten. Dabei ist immer auch die Art des Betriebs und der übliche Umgang der Arbeitnehmer untereinander sowie im Verhältnis zu den Vorgesetzten zu beachten. Wichtig ist, hierbei ist eine objektive Betrachtungsweisevorzunehmen und nicht auf das subjektive Empfinden des Opfers abzustellen.
Praxistipp: |
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von Frau Dr. Felisiak von Eversheds Sutherland (Germany) Rechtsanwälte