Banner Online Kompaktkurse für fundiertes Wissen zu neuesten Gesesetzesänderungen und Abrechnungskriterien
Abo

Management /// Fachkräftemangel : Gekommen, um zu bleiben? : Warum Onboarding immer wichtiger wird …

Was manches Unternehmen vor sich selbst nicht zugeben mag: Der groß beklagte Fachkräftemangel ist durchaus auch mal „hausgemacht“. In Zeiten, in denen der Arbeitnehmer zunehmend die Wahl hat, wird er seinen Wunschkandidaten genauer unter die Lupe nehmen und wahrscheinlich auch die Mitarbeiterbeurteilungen im Netz kritischer hinterfragen.

Lesezeit 5 Min.

Was manches Unternehmen vor sich selbst nicht zugeben mag: Der groß beklagte Fachkräftemangel ist durchaus auch mal „hausgemacht“. In Zeiten, in denen der Arbeitnehmer zunehmend die Wahl hat, wird er seinen Wunschkandidaten genauer unter die Lupe nehmen und wahrscheinlich auch die Mitarbeiterbeurteilungen im Netz kritischer hinterfragen. Wer genau hinschaut, erkennt, was echte und berechtigte Beschwerden sind und wo im Unternehmen beauftragte Bewertungen platziert wurden. Der „Wohlfühlfaktor“ ist von der ersten Sekunde an entscheidend und stellte die Weichen für die spätere Zusammenarbeit und den Erfolg. Daher gewinnt auch „Cultural Fit“ immer mehr an Bedeutung. Gerade in der IT-Branche ist man hier immer mehr bemüht, entsprechende Prozesse zu implementieren und Tools zu evaluieren, um frühzeitig Bewerber-Matches während des Recruitings zu generieren. Laut der „360° Cultural Fit-Studie für die IT-Branche“ der SAP-Personalberatung Hype sind ganze 95 Prozent der befragten IT-Experten zu einem Jobwechsel bereit, sollte die Unternehmenskultur nicht zu ihnen passen. Dies zeigt, wie sehr Führungskräfte dazu angehalten sind, das Aufkommen einer Fluktuation zu verhindern, wo sie eigentlich händeringend nach Fachkräften suchen.

Prof. Thorsten Krings beschäftigt sich schon länger und intensiv als Consultant, in seinen Vorlesungen an der Dualen Hochschule Heilbronn und in seinen Publikationen – auch seiner neuesten- mit diesem Thema. Hier gibt er einen Überblick, worauf Personalverantwortliche und Führungskräfte insbesondere beim Onboarding achten sollten.

Ein Mann mit Brille und Anzug mit blauer Krawatte steht nachdenklich vor einem hellen Hintergrund. Mit kurzen, grauen Haaren verkörpert er den erfahrenen Berufstätigen, der sich mit den Herausforderungen des Fachkräftemangels auseinandersetzt und dabei leicht zur Seite blickt.
Prof. Thorsten Krings

Wenn man sich von einem Mitarbeiter trennen muss, dann sollte eine Führungskraft sich immer die Frage stellen, welchen Anteil sie selbst an der Situation hat. Zum einen kann es sich tatsächlich um eine falsche Personalentscheidung handeln, die korrigiert werden muss. Aber die entscheidende Frage ist, ob die Führungskraft bzw. das Unternehmen dem Mitarbeiter die Möglichkeit gegeben hat, sein volles Potenzial zu entfalten. Dies ist nur bei einem effektiven Onboarding-Prozess möglich.

Die Integration eines neuen Mitarbeiters in die Unternehmen beginnt damit, dass ein vollständig eingerichteter Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Für nicht wenige Mitarbeiter scheint es jedoch erlebte Realität zu sein, dass ihnen die notwendigen Arbeitsmittel nicht zur Verfügung stehen. Ebenso müssen die notwendigen Schnittstellen über den neuen Mitarbeiter informiert sein und dessen Aufgaben und Kompetenzen kennen. Hier muss sichergestellt werden, dass alle notwendigen Ansprechpartner Zeit für die Einarbeitung einplanen und auch klar ist, welche Inhalte vermittelt werden müssen. Dazu empfehlen sich Einarbeitungshandbücher mit Checklisten. Hier sollte der Verantwortliche allerdings auch regelmäßig während der Einarbeitungsphase kontrollieren, ob die Inhalte auch zum richtigen Zeitpunkt abgearbeitet wurden, um zu verhindern, dass am Ende der Probezeit dann der Form halber Dinge einfach abgezeichnet werden.

Motivation hat die Dimensionen Können – Wollen – Dürfen. Auf die Dimension „Wollen“ können Führungskräfte und Unternehmen nur bedingt Einfluss nehmen, denn Interesse an einer Tätigkeit ist in individuellen Motiven eines Menschen begründet. Es ist aber sehr einfach, intrinsisch motivierte Mitarbeiter zu demotivieren, wenn das „Können“ und das „Dürfen“ nicht gewährleistet werden. Das „Dürfen“ ist eine Führungsfrage und vom Reifegrad des Mitarbeiters und vom Menschenbild der Führungskraft abhängig. Man muss abwägen, wo eine Aufgabe den Mitarbeiter über- oder unterfordert. Gleichzeitig muss man als Führungskraft bereit sein, dem Mitarbeiter einen Vertrauensvorschuss zu geben, und Aufgaben so weitergeben, dass der Mitarbeiter stetig Neues lernen und Leistungsgrenzen abrufen kann. Das „Können“ ist das, was der Mitarbeiter mitbringen muss, um überhaupt auf die Stelle zu passen, aber auch das, was das Unternehmen durch Einweisung und Einarbeitung vermittelt. Dies hat eine unmittelbare Auswirkung darauf, welche Wertschöpfung der Mitarbeiter dem Unternehmen bringen kann.

Die effektivste Methode, einen neuen Mitarbeiter zu bewerten und über die Eignung zu entscheiden, ist die systematische Probezeitevaluation, auch wenn dieses Instrument erschreckend wenig genutzt wird. Eine Bewertung macht jedoch nur dann Sinn, wenn das Unternehmen sicherstellen kann, dass nur Aspekte bewertet werden, die in der Person und/oder dem Verhalten des Mitarbeiters liegen. Das bedeutet also, dass ein systematischer Einarbeitungsprozess Grundvoraussetzung ist, da sonst eventuell die Defizite in der Vermittlung der Inhalte durch das Unternehmen gemessen werden. Essentiell für das Ankommen des Mitarbeiters in der neuen Funktion ist das Erleben von Struktur, die Sicherheit vermittelt. Der Grad der Strukturierung ist stark vom Reifegrad des Mitarbeiters abhängig. Was der Anfänger als hilfreich erachtet, kann für den erfahrenen Mitarbeiter schon Bevormundung sein. Grundsätzlich unterscheidet man bei der Einarbeitung als Maßnahme „into the job“ zwischen Elementen „on-the-job“ und „offthe-job“. „On-the-job“-Elemente können kurze Einweisungen, Feedback zur Arbeit etc. sein. „Off-the-job“-Maßnahmen verlangen, dass der Mitarbeiter z. B. an einer Schulung teilnimmt.

Da ein Einarbeitungsprogramm in das Tagesgeschäft integriert werden muss, droht immer die Gefahr, dass diese Programme nicht oder nur teilweise umgesetzt werden. Folglich ist es also wichtig, Verbindlichkeit in diesen Prozess zu bringen. Dies bedeutet, dass der Prozess, die Lernziele und vor allem die Verantwortlichkeiten klar definiert und dokumentiert werden müssen. Man kann versucht sein, darin nun einen bürokratischen Aufwand zu sehen. Doch ein Planungs- und Evaluierungsprozess erfordert ein gewisses Maß an Verbindlichkeit.

Folgende Aspekte sind bei einer effektiven Einarbeitung zu berücksichtigen:

  • Unternehmen: Der Mitarbeiter kennt das Unternehmen, seine Grundsätze (z. B. Compliance-Regeln) und die für ihn relevanten Schnittstellen.
  • Markt: Der Mitarbeiter kennt Kunden, Produkte und/oder Dienstleistungen des Unternehmens.
  • Prozess: Jedes Unternehmen hat klar definierte Prozesse, die sich meistens auch von denen anderer Unternehmen unterscheiden.
  • Führung: Führung ist ein Ausdruck der Unternehmenskultur und Führungsleitlinien definieren das von Führungskräften erwartete Verhalten im Unternehmen und den Maßstab, an dem deren Erfolg gemessen wird. Dabei gibt es fixierte Regeln und Vorschriften und ungeschriebene Gesetze.

Ein effektiver Onboarding-Prozess ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor, der erheblich dazu beitragen kann, die ungewollte Mitarbeiterfluktuation zu senken.

Gibt es unvermeidbare Dinge?

Wie sich bereits in der ganzen Führungskräftedebatte zeigt, müssen die „Recruiting-Hausaufgaben“ heutzutage einfach sorgfältiger und vorausschauender gemacht werden. Das beginnt bereits mit einer vorzeitigen Strategie-Planung, wie man zum Beispiel im Bereich der Fluglotsen sieht. Hier sucht man die Spezialisten für Deutschland bereits weltweit und steht mit den vorhandenen Ressourcen am Anschlag. Die Herausforderung besteht darin, nicht nur einen Job, sondern die Abkehr von der Heimat und einem ganzen gewohnten Leben zu machen. Da mag das Onboarding gefühlt noch meilenweit entfernt sein. Eine gute Einarbeitung dauert hier zwei bis drei Jahre. Die heutigen Rücklagen werfen dafür nicht mehr die gewünschten Renditen ab wie in der Vergangenheit. Hier handelt es sich eindeutig um Planungsversäumnisse.

Man kann sich auf dem Arbeitsmarkt den „schönsten Apfel“ pflücken und legt ihn dann voller Hoffnung auch zu den „faulen“ – „gedeihen“ kann eine gute Mitarbeit allerdings nur in einem gesunden (nicht vergifteten) Klima. Überlegen Sie sich bereits vorher gut, wie intensiv eine Storming-Phase im Rahmen der Teambildung ausfallen sollte. Sicher gehören auch mal Reibereien dazu und auch Auseinandersetzungen untereinander – insgesamt besteht aber genauso die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Also auf zum gelungenen Onboarding!

Dr. Silvija Franjic
Online-Redakteurin

Diesen Beitrag teilen: