Interview Agnieszka Bekus : Fachleute stellen sich vor

Persönliche Angaben
Name: Agnieszka Bekus
Beruf: Entgeltsachbearbeiterin
Ausbildung: studierte Deutschlehrerin, Fortbildung zur zertifizierten
Entgeltsachbearbeiterin (alga-Kolleg) aktuelle Position und
Aufgabe im Bereich der Entgeltabrechnung: Payroll Specialist
bei der IDEXX GmbH, monatliche Entgeltabrechnung
für Deutschland, Österreich und Tschechien
Entgeltabrechnung ist für mich eine kontinuirliche Entwicklung
Frau Bekus, Sie haben einen beeindruckenden Werdegang im Bereich der Entgeltabrechnung. Wie ist Ihr beruflicher Weg verlaufen?
Meine Geschichte mit der Entgeltabrechnung hat ursprünglich mit der deutschen Sprache angefangen. Aber was hat die Sprache mit der Abrechnung zu tun? Die Antwort ist ziemlich einfach: Ich habe in Polen Deutsch als Fremdsprache studiert und wollte zunächst Lehrerin werden. Als ich vor zehn Jahren von meinem Auslandssemester in Deutschland nach Polen zurückgekehrt war, suchte ich dort eine berufliche Herausforderung als Lehrerin. Es stellte sich aber schnell heraus, dass durch Änderungen im polnischen Schulsystem weniger Stellen angeboten wurden. Deshalb habe ich nach einer Jobalternative gesucht, die mir die Möglichkeit bieten sollte, die deutsche Sprache zu nutzen.
Ein paar Wochen später saß ich bereits im Büro der Firma NGA (heute Alight Solutions) und lernte die Prozesse der deutschen Entgeltabrechnung kennen. Das war mein Einstieg in die Abrechnungswelt. Ich fing an mit Dateneingabe, Auswertungsvorbereitung und telefonischer Mitarbeiterbetreuung. Im Laufe der Zeit habe ich immer mehr von den Kollegen gelernt. Nach zwei Jahren übernahm ich die Stelle der Abrechnungsspezialistin und konnte die Abrechnung selbstständig durchführen.
Die ganze Zeit über habe ich im Outsourcing-Bereich gearbeitet, hatte aber ständig im Hinterkopf, wie wäre es, auf der Kundenseite zu sein. Der Wunsch musste ein paar Jahre warten, wurde aber wahr: Seit 2019 bin ich für die Entgeltabrechnung von ca. 800 Mitarbeitern bei der Firma IDEXX GmbH in Ludwigsburg zuständig und lebe auch dort. Wir arbeiten ebenfalls mit einem Payroll-Dienstleister zusammen. Nun kenne ich beide Seiten und fühle mich bestens vorbereitet.
Für viele ist der Bereich der Entgeltabrechnung mit komplizierten gesetzlichen Regelungen verbunden. Woran liegt es, dass viele dieses Thema dennoch als langweilig bezeichnen?
Das ist eine sehr interessante Frage. Ich glaube, es ist eine Typfrage. In der Payroll werden die Fähigkeiten eines Juristen und eines Detektivs verlangt. In der Flut der Gesetze muss man in der Lage sein, sich die nötigen Regularien und Informationen herauszusuchen. Wenn ich selbst nach Informationen suche, muss ich immer im Blick behalten, was ich eigentlich brauche. Es gibt einfach so viele Informationen, Ausnahmen und Querverweise, die superwichtig und interessant zu sein scheinen, dass man einfach liest und liest …
Um Fehler zu finden und Probleme zu lösen, muss man auch auf Unregelmäßigkeiten und Details achten. Dem Auge darf nichts entgehen. Das ist nicht jedermanns Sache. Zum anderen muss man die Geduld mitbringen, den Mitarbeitern Sachverhalte zu erklären. Und diese Gespräche sind manchmal alles andere als langweilig …
Was ist Ihr täglicher Antrieb, in der Entgeltabrechnung zu arbeiten, denn schließlich ist dieser Bereich im Unternehmen häufig unterschätzt?
Tatsächlich wird die Entgeltabrechnung unterschätzt: Alle denken sich wohl, dass die Payroller mit dem Rest des HR-Teams im Büro sitzen und nur Kaffee trinken. Wehe aber, wenn auf dem Gehaltszettel 0,01 Euro fehlen… (lacht) Aber im Ernst: Ich glaube, das ist wie mit vielen Jobs: Erst wenn etwas nicht funktioniert, fällt auf, dass es mit Arbeit verbunden ist. Wenn das E-Mail-Postfach streikt, wird die IT angerufen. Wenn etwas nicht korrekt abgerechnet wird, wir. Mir bereitet es einfach Freude, unseren Mitarbeitern Fragen zu beantworten und wenn am Ende des Monats alle Zahlen übereinstimmen. Dazu gehört selbstverständlich ständiges Dazulernen und ständige Prozessanpassung.
Sie sind alga-zertifizierte Entgeltabrechnerin. Welchen Anteil hat diese Weiterbildung an Ihrem beruflichen Erfolg?
Das war ein wichtiger Punkt in meiner Karriere, denn die Weiterbildung hat mein bisheriges Wissen strukturiert und erweitert. Ich gewann mehr Vertrauen in das, was ich mache. Bis heute fühle ich mich kompetenter, wenn ich mit Mitarbeitern in Kontakt stehe und Dinge erklären muss. Ich besitze eine solide Basis, die ich die ganze Zeit ausbaue, zuletzt sogar bei dem Jahreswechselseminar von DATAKONTEXT im November. Ich verdanke meine heutige Stelle in Ludwigsburg all den vorherigen Bausteinen, besonders dem zur Entgeltabrechnerin.

Wie sehen Sie persönlich Ihre berufliche Zukunft?
Sicherlich wird der Bereich Entgeltabrechnung noch mehr digitalisiert. Es gibt bereits Programme zur eigenständigen Durchführung der Entgeltabrechnung. Und diese funktionieren auch prima, solange es keine Abweichung oder keinen Sonderfall gibt. Und wie wir alle wissen: Es gibt immer Sonderfälle. An diesem Punkt wird dann wieder ein Experte benötigt. Ich persönlich finde die Themen Prozessgestaltung und Systementwicklung reizvoll und kann mir vorstellen, mich in Zukunft mehr mit diesen Bereichen auseinanderzusetzen.
Unser Beruf ist geprägt von Veränderungen. Die Vielzahl der gesetzlichen Regelungen nimmt zu. Was würden Sie im Bereich der Entgeltabrechnung reformieren?
Sicherlich die Steuergesetze! (lacht). Wie schön wäre es, nur einen Freibetrag zu haben – unabhängig vom Anlass … Darüber hinaus sehe ich Vereinfachungspotenzial beim Bescheinigungswesen: Häufig wird das Gleiche mehrfach bescheinigt. Nur heißt die Bescheinigung einfach anders und ist für eine andere Institution bestimmt. Ich würde auch die Kommunikation mit den unterschiedlichen Ämtern digitalisieren, weil wir jede Woche einen schönen Stapel an Briefen bekommen. Perfektes Beispiel zum Jahreswechsel: Wir kriegen fast von jeder Krankenkasse postalisch ein paar Seiten mit den Updates zum neuen Jahr zugeschickt. Nett gemeint, könnte man sich aber sparen. Vor allem, weil die Informationen auch im Internet zu finden sind und ohnehin alle Krankenkassen betreffen.
Die Zukunft der Entgeltabrechnung wird digitaler. Welche Chancen sehen Sie in der Digitalisierung und worin liegen die Gefahren? Bedeutet Digitalisierung nicht auch weniger Mensch und mehr Maschine?
Die Digitalisierung ist eine tolle Sache. Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig es ist, Informationen in digitaler Form parat zu haben und dass noch mehr Wert auf Digitalisierung im Bereich der Zusammenarbeit gelegt werden sollte. Ich finde es schön, dass man mithilfe moderner IT die Mitarbeiter in Prozesse einbeziehen oder das vorhandene Wissen in Form einer internen Wissensdatenbank zur Verfügung stellen kann. Die dadurch gewonnene Zeit kann man anderen wichtigen Themen widmen. Aber ich muss leider zustimmen: Mehr Digitalisierung bedeutet langfristig weniger Mensch. Allerdings in Bereichen, die den wenigsten von uns heute schon Freude bereiten. Und ganz ohne den Menschen wird es in Zukunft auch nicht gehen, davon bin ich überzeugt. Es wird immer Ausnahmen und Besonderheiten geben, die die Maschine nicht kennt und bei denen ein Spezialist eingreifen muss. Von daher, glaube ich, werden wir alle noch jahrelang Spaß an der Abrechnung haben.
Frau Bekus, vielen Dank für dieses Gespräch.
Das Interview führte Markus Stier.