Banner Online Kompaktkurse für fundiertes Wissen zu neuesten Gesesetzesänderungen und Abrechnungskriterien
Free

Baulohn : Ein besonderer Bereich

Ein Gespräch über den Baulohn

Markus MattFokus
Lesezeit 5 Min.

LOHN+GEHALT sprach mit Stefan Förder, Geschäftsführer von Quick-Lohn in Berlin, über die speziellen entgelttechnischen Herausforderungen im Bereich Bau – und über die wichtigsten Fehlerquellen.

Herr Förder, das Thema Baulohn erzeugt in der einschlägigen Anbieterszene gerne Kopfschmerzen, nur wenige Player beherrschen diese Abrechnung wirklich. Was ist so kompliziert am Baulohn?

Neben der Abrechnung gegenüber der Sozialversicherung und dem Finanzamt gibt es hier noch zwei weitere Institutionen: nämlich die Sozialkasse und die Arbeitsagentur. Firmen im Bauhaupt-/nebengewerbe zahlen dorthin Geld oder bekommen von dort Geld. Das muss aber korrekt abgerechnet werden, und dafür gibt es natürlich Berechnungsvorschriften, Umlagesätze (teilweise noch unterschiedlich zwischen alten und neuen Bundesländern und Berlin), elektronische Meldungen bzw. Anträge. Und bei jeder Branche ist es ähnlich, aber immer auch etwas anders.

Wo liegen beim Baulohn die häufigsten Fehlerquellen?

a) In den meisten Baulohn-Branchen hat ein Arbeitnehmer ein Urlaubskonto bei der Sozial-/Urlaubskasse. Wenn dieser Arbeitnehmer nun die Firma wechselt, ist es für den Abrechner wichtig, den exakten Stand seines Urlaubskontos zu kennen und in die Software einzutragen. Sonst werden zu viele oder zu wenige Urlaubstage zu einem zu hohen oder zu niedrigen Tagessatz gewährt.

b) Kein Fehler, aber ein häufiges Missverständnis: Wenn der Urlaub über die Sozialkasse abgewickelt wird, dann entspricht der Stundensatz/Tagessatz für einen Urlaubstag nicht dem normalen Stunden-/Tagessatz des Arbeitnehmers, er ist manchmal größer und manchmal kleiner. Das ist oft gut zu erklären, wenn man das weiß. Meist versteht das aber der Arbeitnehmer nicht und wundert sich. Und manchmal weiß das auch der Lohnabrechner/der Arbeitgeber nicht. Im schlimmsten Fall ändert er diesen Stundensatz auf den üblichen Stundenlohn. Das ist aber falsch und führt längerfristig dazu, dass der Arbeitnehmer bei der Sozialkasse entweder sehr viel Urlaubsgeld anhäuft oder aber ins Minus läuft.

c) Viele Sozialkassen bieten eine zusätzliche Pflicht-Altersvorsorge an (ZVK), in die für alle Arbeitnehmer eingezahlt wird. Richtet der Arbeitgeber nun zusätzlich noch eine betriebliche Altersvorsorge ein, wird oft vergessen, dass auch der ZVK-Beitrag in die 4-Prozent-Regelung hineinzählt. Im Ergebnis wird ein Teil der Beiträge für die Altersvorsorge sozialversicherungspflichtig, wenn nämlich die 4-Prozent-Grenze überschritten wird. Das ist den Arbeitgebern und den Beratern vorher oft nicht bewusst.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich ausgerechnet mit dieser komplizierten Materie auseinanderzusetzen?

Unser Firmengründer hatte diese Idee, vor mehr als 30 Jahren. Er war Bauingenieur. Und die Firma seines Vaters war sein erster Kunde :-).

Welche Rolle spielt das Thema SV-Sofortmeldung im Bauhaupt- und -nebengewerbe?

Alle Unternehmen in dem Bereich sind sofortmeldepflichtig (ausnahmsweise einfach zu merken). Wichtig ist zu wissen, dass schon die verspätete Abgabe einer Sofortmeldung mit einer Strafe geahndet werden kann. Selbst wenn zum Prüfungszeitpunkt für Arbeitnehmer Sofortmeldungen vorliegen.

Gibt es im Bereich Bau besondere Dokumentationspflichten?

Ich denke, auf Baustellen muss man immer darauf gefasst sein, dass im nächsten Moment der Zoll anrückt. Deshalb müssen Arbeitnehmer immer ein Ausweisdokument bei sich tragen. Außerdem kommt auch die Arbeitsagentur gerne in die Firma und prüft die Stundenzettel u. Ä., wenn eine Firma Saison-Kurzarbeitergeld, Zuschuss-Wintergeld oder Mehraufwands-Wintergeld in Anspruch genommen hat.

Was stelle ich mir unter dem Sozialkassentarifvertrag und dem Prinzip der Sozialkassen im Baugewerbe vor?

Die Tarifverträge im Baubereich sind allgemeinverbindlich erklärt. Damit sind alle Betriebe beitragspflichtig gegenüber der Sozialkasse. Das Prinzip ist so: Im Bau werden bspw. 20,8 Prozent vom monatlichen Bruttoverdienst eines Arbeitnehmers an die Sozialkasse gezahlt (unterschiedliche Sätze in Ost und West). Dabei entstehen 2,5 Tage Urlaub pro Monat. Für jeden entstandenen Urlaubstag werden 14,25 Prozent des Bruttos „in die Kasse gelegt“. Wenn der Arbeiter nun Urlaubstage nimmt, zahlt der Arbeitgeber ihm diesen Betrag aus und bekommt ihn von der Urlaubskasse erstattet. Ein Arbeitnehmer, der Urlaub macht, kostet den Arbeitgeber also nichts, denn er hat für ihn schon vorher auf das Urlaubskonto eingezahlt. Die Sozialkassen übernehmen noch weitere Aufgaben: Teilweise wird die Vergütung von Azubis erstattet (und somit von allen Betrieben einer Branche finanziert), die Zusatzversorgung verwaltet oder ein 13. Monatseinkommen gezahlt.

Möchten Sie abschließend noch ein paar Worte zur berühmten „Saison-Kurzarbeitergeld-Regelung“ sagen?

Saison-Kurzarbeitergeld gibt es, um Winterarbeitslosigkeit zu vermeiden. Sie sorgt also dafür, dass Arbeitnehmer nicht gekündigt werden, wenn auf Baustellen nicht gearbeitet werden kann. Und sie funktioniert so: Die Arbeitgeber zahlen eine Winterbauumlage von insgesamt 2 Prozent des Bruttolohns an die Sozialkassen (Gerüstbau 1 Prozent), diese leiten das Geld weiter an die Arbeitsagentur. Die Arbeitnehmer müssen sich an der Finanzierung mit 0,8 Prozent beteiligen (Dachdecker können alternativ auf zwei Tage Urlaub verzichten, Gerüstbauer beteiligen sich nicht). Aus diesen Beträgen finanzieren die Arbeitsagenturen die zusätzlichen Leistungen in den Wintermonaten. Diese sind:
I. Wenn im Winter gearbeitet wird (weil das Wetter doch nicht so schlecht ist): Mehraufwands-Wintergeld. In der Zeit vom 15. Dezember bis 28./29. Februar erhalten die Beschäftigten je gearbeitete Stunde einen Euro netto zusätzlich. Dieses Geld zahlt der Arbeitgeber aus, die Arbeitsagentur erstattet es ihm auf Antrag.
II. Wenn im Winter nicht gearbeitet wird, dafür aber Stunden vom Stundenkonto zur Verhinderung von Saison-Kurzarbeitergeld abgebummelt werden: Zuschuss-Wintergeld. Werden in der Sommerzeit Arbeitsstunden auf einem Arbeitszeitkonto angespart, können diese in der Winterzeit ausgezahlt werden. Die Arbeitsagentur zahlt für jede solche Stunde 2,50 Euro netto (im Gerüstbau 1,03 Euro).
III. Wenn im Winter nicht gearbeitet werden kann, kann Saison-Kurzarbeitergeld beantragt werden: In der Zeit vom 1. Dezember bis 31. März erhalten die Beschäftigten ein Ausfallgeld („Saison-Kug“), das in etwa 60 bzw. 67 Prozent des üblichen Nettogehalts (und damit dem Niveau des Arbeitslosengeldes) entspricht. Auch dieses Geld zahlt der Arbeitgeber aus, die Aufwendungen werden ihm von der Arbeitsagentur erstattet. (Für Gerüstbau fängt diese Zeit am 1. November an, und für die ersten 150 Stunden gibt es ein Überbrückungsgeld.)

Aus meiner Sicht sieht man hier, wie oft im Lohnbereich: Es gibt tolle Regelungen für viele Situationen. Diese verkomplizieren die Lohnabrechnung jedoch, und manchmal fragen wir uns, welche Arbeitnehmer das noch verstehen.

Herr Förder, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

Diesen Beitrag teilen: