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Betriebliche Altersversorgung : Heimliche Benachteiligung im öffentlichen Dienst?!

Geringverdiener und das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG)

Lesezeit 5 Min.

Durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz sollen insbesondere Geringverdiener (der Staat definiert diese bis 2.200 Euro brutto im Monat) gefördert werden. Der öffentliche Dienst entzieht sich dieser Verantwortung und sollte doch Vorbild sein. Der Beitrag klärt auf.

Ziel des Betriebsrentenstärkungsgesetzes

Im Betriebsrentenreformgesetz, dessen neuer Entwurf bereits seit 2016 vorliegt und im Juni 2017 per 01.01.2018 beschlossen wurde, gibt es etliche Veränderungen.

Das Sozialpartnermodell:
Eine betriebliche Rente als sechster Durchführungsweg, der gänzlich von den Tarifparteien als reine Beitragszusage („Tarifrente“ ohne Garantien für den Arbeitnehmer als sogenannte „Wunsch- oder Zielrente“) ausgestaltet wird und als Referenz bzw. durch Allgemeinverbindlichkeit für eine Vielzahl vor allem Klein- und mittelständischer Unternehmen (zwangsweise) gelten wird. Außerdem darf ein Opting-out-Verfahren vereinbart werden. Sofern der Arbeitgeber Sozialbeiträge spart, muss er 15 Prozent des Umwandlungsbetrages (als Pauschale oder den individuell errechneten Sparbetrag) an den Arbeitnehmer bzw. die Versorgungseinrichtung weiterreichen.

Dotierungsrahmen der Betriebsrente
Bisher können pro Jahr maximal 4 Prozent der BBG der GRV West steuer- und sozialabgabenfrei und zusätzlich weitere 1.800 Euro pro Jahr steuer-, aber nicht sozialabgabenfrei in Pensionskassen, Pensionsfonds oder Direktversicherungen eingebracht werden (wenn es keinen Altvertrag nach 40b EStG gibt). Nach geltendem Recht könnten 2017 somit insgesamt bis zu 4 Prozent steuerfrei in Pensionskassen, Pensionsfonds oder Direktversicherungen eingebracht werden.

Der Paragraf 3 Nr. 63 EStG ist ab 01.01.2018 dahingehend geändert worden, dass in Zukunft bis zu 8 Prozent der BBG GRV West jährlich steuerfrei (ab 2019: 536 Euro monatlich) in Pensionskassen, Pensionsfonds oder Direktversicherungen eingebracht werden könnten. Sozialabgabenfrei sind aber weiter nur 3.216 Euro p.a. bzw. 268 Euro monatlich. Die daraus entstehende Betriebsrente bleibt aber für gesetzlich Kranken- und Pflegeversicherte weiterhin in der Regel beitragspflichtig. Es bleibt also eine „Gerechtigkeitslücke“ (Neusprech nach Orwell)! Nur in der Riester-bAV gab es hier eine Änderung der Doppelverbeitragung. Ab 2019 müssen bei allen neuen Entgeltumwandlungen 15 Prozent Arbeitgeberzuschuss sein, wenn Sozialabgaben gespart werden. Ab 2022 gilt dies auch für Altverträge.

Hinweis
Arbeitgeber müssen Versorgungskonzepte 2019 neu aufstellen und auch Zuschüsse neu bewerten, um den gesetzlichen Anforderungen künftig gerecht zu werden.

Geringverdiener
Ab 2018 wurde ein bAV-Förderbetrag für Arbeitnehmer mit geringem Entgelt (2.200 Euro maximales Monatsbrutto angedacht) eingeführt.

Zahlt der Arbeitgeber zusätzlich zum geschuldeten Entgelt und zusätzlich zu bisherigen Arbeitgeberbeiträgen im Kalenderjahr mindestens 240 Euro an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder für eine Direktversicherung, so erhält er hiervon 30 Prozent (höchstens 144 Euro) durch direkte Verrechnung mit der Lohnsteuer erstattet. Arbeitgeberbeiträge von bis zu 480 Euro pro Jahr werden gefördert. Der Höchstbetrag für den bAV-Förderbetrag läge 2017 somit bei 144 Euro. Beiträge aus Entgeltumwandlung (Arbeitnehmerfinanzierung) sind nicht begünstigt. Dafür werden ca. 200 Euro anrechnungsfrei bei der Grundsicherung im Alter, um auch „Renten-Aufstocker“ zur Eigenvorsorge zu motivieren.

Hinweis
Hiermit soll der Verbreitungsgrad der betrieblichen Altersversorgung (bAV) gerade bei kleinen Einkommensbeziehern gefördert und das Argument der Anrechnung auf die Grundsicherung im Alter entkräftet werden.

Was sagt der öffentliche Dienst dazu?

Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) hat auf seiner Homepage unter „Service -> Rundschreiben“ folgendes Rundschreiben vom 03.01.2019, Aktenzeichen D5-31004/32#1 veröffentlicht:

„Am 1. Januar 2018 ist das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BGBl. I S. 3214) in Kraft getreten, das u. a. Änderungen des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorsieht, die Auswirkungen auf die betriebliche Altersversorgung haben. Unter anderem können Arbeitgeber, die für Arbeitnehmer mit geringem Einkommen einen zusätzlichen Beitrag zur betrieblichen Altersversorgung zahlen, nach § 100 EStG einen staatlichen Zuschuss für ihre Arbeitgeberbeiträge beantragen (bAV-Förderbetrag).

Im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen gebe ich für den Bereich des Bundes folgende Hinweise:

A. Allgemeines und Ziel des Gesetzgebers

Der zum 1. Januar 2018 in § 100 EStG eingeführte bAV-Förderbetrag ist ein staatlicher Zuschuss zu einem vom Arbeitgeber zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleisteten Beitrag zur betrieblichen Altersversorgung von Arbeitnehmern mit geringem Einkommen (dem Lohnsteuerabzug unterliegender laufender Bruttoarbeitslohn von monatlich nicht mehr als 2.200 Euro).

Gefördert werden Arbeitgeberbeiträge von mindestens 240 Euro bis höchstens 480 Euro im Kalenderjahr, die zur kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung geleistet werden. Der bAV-Förderbetrag beträgt 30 Prozent des gesamten zusätzlichen Arbeitgeberbeitrags, also mindestens 72 Euro bis höchstens 144 Euro jährlich. Er wird dem Arbeitgeber im Wege der Verrechnung mit der von ihm abzuführenden Lohnsteuer gewährt. Hinsichtlich der steuerlichen Voraussetzungen wird auf das BMF-Schreiben zur steuerlichen Förderung der betrieblichen Altersversorgung vom 6. Dezember 2017 (BStBl I S. 147) hingewiesen.

Der bAV-Förderbetrag soll den Verbreitungsgrad der betrieblichen Altersversorgung von Arbeitnehmern mit unterdurchschnittlichen Einkommen erhöhen, denn der Arbeitgeber wird durch die staatliche Förderung motiviert, zusätzliche Mittel für die betriebliche Altersversorgung seiner Arbeitnehmer aufzubringen. Vom bAV-Förderbetrag profitieren Geringverdiener, die keine ausreichenden eigenen Mittel zur Verfügung haben bzw. für die sich eine auf Entgeltumwandlung basierende betriebliche Altersversorgung aufgrund der niedrigen oder nicht vorhandenen Lohnsteuerentlastung nicht rechnet (BT-Drucksache 18/11286).

B. Anwendbarkeit des § 100 EStG im Bereich des öffentlichen Dienstes des Bundes

In allen Bundesbehörden, deren Beschäftigte bei der VBL pflichtversichert sind, kommt der bAV-Förderbetrag grundsätzlich für die Arbeitgeberbeiträge in Betracht, die zur kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung geleistet werden. Dies betrifft Arbeitgeberbeiträge im Abrechnungsverband Ost/Beitrag der VBL sowie Beiträge im Abrechnungsverband Freiwillige Versicherung für Wissenschaftler, die nach § 2 Abs. 2 ATV von der Pflichtversicherung befreit sind. Arbeitgeberbeiträge nach § 39 Abs. 1 ATV, die für sogenannte Höherverdiener in die freiwillige Versicherung gezahlt werden, dürften wegen Überschreitung der Einkommensgrenze nicht relevant sein.

Daneben kommt der bAV-Förderbetrag grundsätzlich auch für die Arbeitgeberbeiträge zur kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung bei der Renten-Zusatzversicherung der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See in Betracht.

Die Arbeitgeber im öffentlichen Dienst des Bundes sollten allerdings aus folgenden Gründen auf die Beantragung des bAV-Förderbeitrags verzichten:

Zum einen dürfte die Zahl der Fälle, in denen der bAV-Förderbetrag tatsächlich beantragt werden kann, eher gering sein.

Zudem wird das Ziel des Gesetzgebers, die betriebliche Altersversorgung für Arbeitnehmer mit geringem Einkommen auszuweiten oder zu erhöhen, mit dieser zusätzlichen Maßnahme im öffentlichen Dienst nicht erreicht. Im Bereich des öffentlichen Dienstes des Bundes werden bereits alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund tarifvertraglicher Vereinbarung und unabhängig von ihrem Einkommen pflichtversichert. Eine Ausweitung der betrieblichen Altersversorgung durch Nutzung des bAV-Förderbetrags ist nicht zu erwarten. Die Inanspruchnahme des bAV-Förderbetrags ist zudem mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden.

Im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen bitte ich daher, davon abzusehen, den Förderbetrag nach § 100 EStG geltend zu machen.

Die oben genannten Beiträge des Arbeitgebers sind bis zu einem Betrag von 8 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (West) in der allgemeinen Rentenversicherung nach § 3 Nr. 63 steuerfrei. Die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 63 EStG wird von einem Verzicht auf den bAV-Förderbetrag gem. § 100 EStG nicht berührt.“

Quelle: Internetmitteilung des BMI
Bernhard Faber, Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.

Ausblick

Bei den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gibt es durchaus Geringverdiener – ob niedrige Entgeltgruppe, Teilzeitverträge oder Elternzeit. All diese Mitarbeiter bekommen nun wahrscheinlich einen entsprechenden Antrag negativ beschieden. Sind die VBL-Leistungen wirklich so krisenfest? Seit 2014 fordern die Arbeitgeber in jeder Tarifrunde des öffentlichen Dienstes auch Leistungskürzungen in der Altersversorgung. Was sagen eigentlich die Landes- und Bundesrechnungshöfe dazu?

Bleiben Sie wachsam in Zeiten heimlicher Veränderungen! Und denken Sie an den alten Spruch vom Weintrinker, der das Wassertrinken für andere propagiert.

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