Betriebliche Altersversorgung : Was tut sich in der Branche?
Bericht von der MCC-Konferenz „Zukunftsmarkt Altersvorsorge“
Zum 20. Mal fand der gutbesuchte MCC-Kongress „Zukunftsmarkt Altersvorsorge“ am 19./20.02.2019 in Berlin statt. Viel Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft war vertreten und gab ihre Prognosen und Konzepte zum Besten. Einige Schlaglichter oder –löcher haben wir für Sie in diesem Beitrag aufbereitet.
„Alte und neue Baustellen“
Der allseits bekannte Rentenexperte Bert Rürup, dereinst Vater der Selbstständigenrente und Partner von Herrn „Höhlenlöwe“ Maschmeyer, ließ es sich nicht nehmen, seine innere Kassandra rufen zu lassen und seine Meinung zum gesetzlichen Rentensystem abzugeben:
- Bis 2030 wird es 150 Milliarden Euro an Kosten für die jüngste Rentenreform geben, da bis dato hundertausende Anträge auf Rente mit 63 gestellt wurden, die den Fachkräftemangel in Deutschland verschlimmern.
- Die Integration von Flüchtlingen wird die Kosten der Sozialkassen erhöhen und die Arbeitslosenquote steigen lassen.
- Die Altersarmut wird dramatisch steigen. Bei 9 Euro Mindestlohn braucht man 46 Beitragsjahre, um eine gesetzliche Rente von 750 Euro zu erreichen.
- Deutschland hat außerdem die niedrigste Ersatzrate im Alter bei allen OECD-Ländern.
Nach etwa 60 Rentenreformen seit 1957, davon sechs sogenannte „Jahrhundertreformen“ – die nie länger als zwei Legislaturperioden Bestand hatten –, stehen aktuell folgende Themen auf der politischen Agenda:
- Mütterrente 2 – weitere Klientelpolitik vor allem der CSU
- Aus dem Rentenversicherungs-Leistungs- und Stabilisierungsgesetz:
- 48 Prozent angestrebte Mindestsicherung der gesetzlichen Rente bis 2025,
- 20 Prozent Beitragssatz zur GRV bis 2025
- Erhöhung der Zurechnungszeit bei Erwerbsminderungsrenten schrittweise bis 67,
- Entlastung von Geringverdienern ohne Rentenansprüche zu mildern
- Damit in den Jahren 2019-2025 etwa 32 Mrd. Zusatzkosten für die GRV.
- Bildung einer neuen Rentenkommission für Vorschläge zur Lösung der Jahre 2025 bis 45, in denen der Altersquotient dramatisch steigt, da die „Babyboomer“ in Rente gehen.
- „Grundrente“ mit Freibetrag bei Eigenvorsorge (35 Jahre Rentenbeiträge und unterhalb der Mindestrente Kosten der Auffüllung von 5 Milliarden Euro im Jahr) und die Einbeziehung Selbstständiger in die Altersvorsorgesysteme, um hier massive Altersarmut zu vermeiden.
Seine Lösungsansätze:
- „Solidarrente“, um die Grundsicherung für Geringverdiener zu verhindern.
- Mischfinanzierung des Rentensystems der Zukunft: Umlage und Kapitaldeckung.
- Einführung der „Deutschlandrente“ als Vorsorgekontenmodell.
- Betriebliche Altersversorgung stärker arbeitgeberfinanziert.
- Einführung einer „Maschinensteuer bzw. eines Wertschöpfungsbeitrages“, um gesetzliche Rentenkassen trotz sinkender Beschäftigung und Ersatz von Menschen durch Technik zu finanzieren. Die Globalisierung/Digitalisierung fordert ihre Opfer und bedarf einer neuen Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung (z. B. durch Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen, Einbeziehung von mehr Bevölkerungsteilen).
In den letzten Jahrzehnten hatten wir kontinuierliche Rentenreformen, die u. a. in:
- Abschlägen beim vorzeitigen Renteneintritt (z. B. 0,3 Prozent pro Monat),
- Heraufsetzen des Renteneintrittsalters in der Altersrente auf das 67. Lebensjahr (geplant sind perspektivisch das 70. Lebensjahr nach der nächsten Bundestagswahl),
- Einführung des demografischen Faktors, um die Rentnerzahl an die Beitragszahlermenge anzupassen,
- Einführung der Erwerbs- statt der Berufsunfähigkeitsrenten und
- der Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen bestanden.
Die Problemfelder Altersarmut und Fachkräftemangel sind von der Bundesregierung nunmehr erneut ausgemacht. Die Grundsicherungs- oder Lebensleistungsrente soll das Problem Altersarmut abmildern und alle bisherigen Zuschüsse (Wohngeld/Grundsicherung) ablösen und mit folgenden Eckdaten eingeführt werden:
- ca. 850 Euro im Monat (damit über der Grundsicherungsleistung), d. h. Anhebung des eigenen Rentenkontos auf bis zu 30 Entgeltpunkten,
- Voraussetzung sind 40 Jahre Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung (dabei zählen auch beitragsfreie Zeiten wie Kindererziehung oder Studium mit), bis zu fünf Jahre Arbeitslosigkeit werden anerkannt (bis 2022 reichen 35 Beitragsjahre).
- 35 Jahre Pflichtbeiträge an die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt,
- staatlich geförderte Altersversorgung wurde abgeschlossen – Riester oder Betriebsrente – ab Rentenjahrgang 2023,
- Alt- bzw. Bestandsrenten werden nicht angepasst, was zu Ungleichbehandlung oder, wie es neudeutsch gern formuliert wird, „Gerechtigkeitslücken“ führt.
Übersetzt heißt das, wer trotz Eigenvorsorge und braver Einzahlung in den gesetzlichen Rententopf nicht 850 Euro im Monat Rente erreicht, bekommt den Restbetrag aufgestockt. Nun aber die Gretchenfrage: Wer schafft 40 Jahre Mitgliedschaft in der Rentenversicherung und 35 Pflichtbeitragsjahre? Gehen wir mal vom 67. Lebensjahr aus. Dann heißt es mit dem 27. Lebensjahr: ab in die gesetzliche Rente und bitte spätestens ab 32 ein geregeltes und ununterbrochenes Arbeitseinkommen oberhalb der Geringfügigkeit.
Das Bundessozialministerium rechnet mit über 20.000 Berechtigten in 2019 und bis 2035 mit einer Steigerung auf 1 Million Berechtigte. Auf jeden Fall wird so durch die Hintertür eine Pflicht zur betrieblichen Altersversorgung und/oder Riester-Rente eingeführt. Die Einführung dieser Pflicht ist inzwischen auf das Jahr 2023 fixiert. Hier darf man weiter gespannt sein …
Tarif-/Sozialpartnerrente
Eine betriebliche Rente als sechster Durchführungsweg, der gänzlich von den Tarifparteien als reine Beitragszusage („Tarifrente“ ohne Garantien für den Arbeitnehmer als sogenannte „Wunsch- oder Zielrente“) ausgestaltet wird und als Referenz bzw. durch Allgemeinverbindlichkeit für eine Vielzahl vor allem Klein- und mittelständischer Unternehmen (zwangsweise) gelten wird. Außerdem darf ein Opting-out-Verfahren vereinbart werden. Sofern der Arbeitgeber Sozialbeiträge spart, muss er 15 Prozent des Umwandlungsbetrages (als Pauschale oder den individuell errechneten Sparbetrag) an den Arbeitnehmer bzw. die Versorgungseinrichtung weiterreichen.
Der Bundesminister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil forderte die Sozialpartner in seiner Keynote auf der Konferenz am 19.02.2019 auf, endlich die Vorgaben des Gesetzgebers mit Leben zu füllen. Dazu lud er am nächsten Tag alle Beteiligten ins Ministerium, um Hindernisse und Probleme in der Ausgestaltung auszuräumen: „Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat deshalb an die Sozialpartner appelliert, das neue Instrumente im Sinne der Beschäftigten zu nutzen. Die Beteiligten begrüßten den Vorschlag des Ministers, für interessierte Sozialpartner ein Forum im BMAS einzurichten, in dem bereichsübergreifende Fachfragen zum Sozialpartnermodell erörtert und bisherige Erfahrungen ausgetauscht werden sollen. Wegen der engen fachlichen Zusammenhänge werden auch Vertreter des BMF und der BAFin demnächst zu einem ersten Gespräch ins BMAS eingeladen.“ (Pressemeldung des BMAS)
Niedrigzinsphase
Im Lebensversicherungsgeschäft, das gerade oft aus steuerlichen Aspekten interessant ist, sinkt die Nachfrage nach klassischen Produkten deutlich, da die Garantiezinsen durch mangelnde Ertragschancen drastisch gesunken sind. Der Garantiezins (richtiger: gesetzlicher Höchstrechnungszins) in Deutschland auf den Sparanteil einer Lebensversicherung (Beitrag nach Abzug von Risiko- und Kostenanteil) beträgt inzwischen sage und schreibe 0,9 Prozent pro Jahr. In den Jahren 1995 bis 2000 betrug dieser Zinssatz immerhin 4 Prozent per annum. Nachfolgende Übersicht gibt einen kleinen Eindruck zur historischen Entwicklung:
Garantiezins/Höchstrechnungszins pro Jahr | Jahr der Gültigkeit |
---|---|
3,00 Prozent | 1942 bis Juni 1986 |
3,50 Prozent | Juli 1986 bis Juni 1994 |
4,00 Prozent | Juli 1994 bis Juni 2000 |
3,25 Prozent | Juli 2000 bis Dezember 2003 |
2,75 Prozent | Januar 2004 bis Dezember 2006 |
2,25 Prozent | Januar 2007 bis Dezember 2011 |
1,75 Prozent | Seit Januar 2012 |
1,25 Prozent | Seit 01.01.2015 bis 31.12.2016 |
0,90 Prozent | Ab 01.01.2017 |
Damit wird eine Alters- und Hinterbliebenenvorsorge zur Sicherung eines angemessenen Lebensstandards spürbar teurer. Professor Michael Heise, Chef-Volkswirt der Allianz Versicherung, legte auf der Konferenz dar, dass
- langfristig keine Zinswende im Euroraum in Sicht ist,
- geldpolitische Maßnahmen und Inflation gegen den Betriebsrenten-/Lebensversicherungskunden arbeiten und
- an Aktienanlage zur Sicherung einer auskömmlichen Altersversorgung niemand vorbeikommt.
Fazit
„Wohin mit Oma“ wird tatsächlich irgendwann zur Frage jeder Familie, wenn Altersarmut droht, die gesetzliche Rente nicht reicht oder für Vorsorge nie Zeit oder Geld da war. Auch werden nicht alle Versicherer mit Oma alt werden, da nur etwa die Hälfte aller Anbieter die gesetzlichen Sicherungsanforderungen an Kapital („Solvency II“) erfüllt. Gute Betriebsrentenmodelle können hier Oma, Kindern und Enkeln langfristig helfen. Aber: Trau, schau, wem! Bleiben Sie wachsam und greifen Sie den neuen Trend zur „Altersvorfreude“ statt der „Altersvor-Sorge“ auf.