Kinder in den Betrieb!
Wie Unternehmen mit Betriebskindergarten und anderen Maßnahmen Mitarbeiter binden und die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit unterstützen können.
Viele Unternehmen haben sich auf die Fahne geschrieben, familienfreundlich zu sein, die Vereinbarkeit von Familien und Job zu unterstützen. Sie tun auch viel dafür. Trotzdem macht vielfach die öffentliche Infrastruktur Probleme. Kindergärten, die arbeitnehmerunfreundliche Öffnungszeiten haben oder in den Ferien für mehrere Wochen schließen, erschweren den Beschäftigten mit Kindern das Leben erheblich. In verstärktem Maße gilt das für Schichtarbeiter oder Mitarbeiter, die aus unterschiedlichen Gründen plötzlich und nicht planbar länger arbeiten müssen. Auch Erkrankungen des Kindes machen Probleme und hindern an der Arbeit, wenn nicht Großeltern oder andere Verwandte einspringen können – was aber immer öfter aus den verschiedensten Gründen nicht möglich ist. Sei es, dass die Verwandten weit entfernt in anderen Städten leben, selbst noch berufstätig sind oder einfach nicht bereit sind, ihr Leben in den „Dienst“ der Kinder und Enkel zu stellen. Manche Dinge lassen sich nicht vermeiden, etwa wenn ein Kind erkrankt und deshalb nicht in Kindergarten oder Schule gehen kann. Dafür gibt es ja auch das Kinderkrankengeld oder zusätzliche freie Tage vom Unternehmen. Die alltäglichen Probleme allerdings kann das Unternehmen durch geeignete Maßnahmen vermeiden.
Betriebskindergarten
Eine Möglichkeit ist die Einrichtung eines Betriebskindergartens. Bevor jetzt die kleinen und mittleren Unternehmen gleich abwinken und meinen, das wäre für sie nicht machbar, weil zu wenig Kinder da seien, oder zu teuer, oder, oder, bitte trotzdem weiterlesen. Man muss nämlich nicht alles selbst und nicht allein machen. Ein solcher Kindergarten muss ja nicht unbedingt direkt auf dem Betriebsgelände stehen. Und niemand sagt, dass ein Kindergarten nicht auch für die Beschäftigten anderer Unternehmen offen sein kann. Viele kleinere Unternehmen zusammen kommen vielleicht ja dann doch auf eine akzeptable Zahl von Kindern.
Die Vorteile
Die Schaffung eines Betriebskindergartens hat für die Unternehmen eine ganze Reihe von Vorteilen – natürlich auch für die Mitarbeiter:
- Vermeidung von Ausfallzeiten
- Erhöhung der Produktivität der Mitarbeiter
- Bindung der Mitarbeiter, Senkung der Fluktuation
- Wettbewerbsvorteil beim Recruiting neuer Fachkräfte
- Imagegewinn
Im Verbund
Einer muss den Anfang machen – dann klappt es auch mit den Nachbarn. Der Vorteil ist, dass viele Unternehmen dieselben Probleme haben. Erfahrungsgemäß ist die Bereitschaft, auf einen fahrenden Zug aufzuspringen, höher, als selbst die Initiative zu ergreifen. Übernimmt aber ein Unternehmen die Führung, lassen sich andere schnell überzeugen, mitzumachen. Gleichgesinnte zu finden, sollte daher nicht sonderlich schwierig sein. Sei es über persönliche Gespräche bei entsprechenden Gelegenheiten, direkte Ansprache oder sogar eine Information in der regionalen Zeitung. Möglichkeiten gibt es da viele. Der Vorteil bei einem Betriebskindergarten: Wer bezahlt, bestimmt. Zum Beispiel über die Öffnungszeiten! So können Individuelle Lösungen für die Belange der beteiligten Unternehmen geschaffen werden.
Notfallversorgung
Ist im Ort eine ausreichende Versorgung mit Kita-Plätzen vorhanden, die auch den Anforderungen des Unternehmens grundsätzlich genügt, ist der Aufbau einer eigenen Kinderbetreuung nicht erforderlich. Allerdings gibt es bei „normalen“ Kindergärten eben immer wieder Ausfälle und vorübergehende Schließungen. Das Unternehmen kann durch verschiedene Maßnahmen für eine „Notfallversorgung“ sorgen. Das kann eine Tagesmutter sein, die für Einzelfälle kurzfristig einspringen kann, oder fest gebuchte Plätze in einer – nahe zum Unternehmen gelegenen – Kita. Hier können die Beschäftigten ohne vorherige Anmeldung bei plötzlichen Ausfällen der regulären Kinderbetreuung ihre Kinder abgeben. Ebenso zur Notfallversorgung gehört die Einrichtung eines Spielzimmers. In Büroberufen ist das einfacher, weil neben einer Spielecke ein normaler Arbeitsplatz für den Elternteil zur Verfügung steht. Im gewerblichen Bereich wird in der Regel eine Betreuung durch einen Dritten erforderlich sein. Hier könnte man beispielsweise auf eine entsprechende Fachkraft zurückgreifen, die auf Abruf zur Verfügung steht. Ein wenig problematisch ist die Frage, wie viele solcher „Spiel-/Arbeitszimmer“ vorgehalten werden müssen.
Kosten
Die Kosten der einzelnen Maßnahmen sind naturgemäß unterschiedlich hoch. Auch ein Betriebskindergarten muss das Unternehmen nicht in die Insolvenz treiben. Schließlich spricht nichts dagegen, die Mitarbeiter, die ihre Kinder dort anmelden, angemessen zu beteiligen – etwa in Höhe der Kosten vergleichbarer freier Angebote in der Region. Das ist aber eher eine politische Entscheidung. Im Durchschnitt muss das Unternehmen mit Kosten von 1.000 bis 1.500 Euro je Kind und Monat rechnen – abhängig von der Region und dem Umfeld sowie von der Anzahl der betreuten Kinder. Besser kalkulierbar sind die Kosten, wenn der Kindergarten nicht vom Unternehmen selbst betrieben, sondern in die Trägerschaft eines entsprechenden Anbieters gegeben wird. Dann sollte allerdings bei der Vertragsgestaltung darauf geachtet werden, dass die Belange der Unternehmen ausreichend berücksichtigt werden – sonst ist nichts gewonnen. Eher niederschwellig sind die Kosten bei einer Tagesmutter, einer Notfallversorgung oder der Einrichtung eines Spielzimmers. Selbst bei höheren Kosten sollten aber immer die Vorteile für das Unternehmen gegengerechnet werden – und die sind in aller Regel höher als der Einsatz. Einige Städte und Gemeinden unterstützen die Einrichtung von Betriebskindergärten auch finanziell – vor allem, wenn die Möglichkeit besteht, auch betriebsfremde Kinder aufzunehmen. Da viele Gemeinden nicht in der Lage sind, die gesetzlich vorgeschriebene Anzahl von Kita-Plätzen sicherzustellen, ist die Bereitschaft, zusätzliche Plätze zu unterstützen, durchaus vorhanden.
Die Analyse
Ob die Einrichtung eines Betriebskindergartens sinnvoll ist, muss in einem ersten Schritt durch eine entsprechend Analyse ermittelt werden. Dabei sind folgende Faktoren zu beachten:
- Anzahl der zu betreuenden Kinder
- Alter der zu betreuenden Kinder
- gewünschte Art der Betreuung
- gewünschter Ort der Betreuung
- erforderliche Betreuungszeiten
Bei der Ermittlung der erforderlichen Kosten sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:
- Investitionskosten
- Betriebskosten
- Sachkosten
- Personalkosten
- Einnahmen
Gegenüberstellen sollte das Unternehmen neben den finanziellen und direkt ermittelbaren Einsparungen (Senkung der Fehlzeiten, Erhöhung der Produktivität) auch die immateriellen Vorteile wie Image, Mitarbeiterbindung und leichteres Recruiting neuer Mitarbeiter.
Unterstützung
Bei der Schaffung eines Betriebskindergartens sind zahlreiche rechtliche und organisatorische Belange zu berücksichtigen. Eine erste Hilfe dabei kann eine Broschüre des Bundesfamilienministeriums geben (https://www.bmfsfj.de/blob/95428/8aa7758aa9fb560f5d41fe6d288d364a/unternehmen-kinderbetreuung-praxisleitfaden-betriebliche-kinderbetreuung-data.pdf). Darüber hinaus bieten zahlreiche Beratungsunternehmen und Kita-Anbieter ihre Unterstützung und weitere Informationen an.
Fazit
Ja, Kinderbetreuung durch das Unternehmen kostet Geld. Das tun andere Angebote für die Mitarbeiter aber auch. Die Vorteile einer Unterstützung der Beschäftigten mit Kindern überwiegen deutlich. Die Darstellung als familienfreundliches Unternehmen wird im Kampf um die besten Köpfe immer wichtiger und rechtfertigt damit auch zusätzliche Kosten. Keine oder nicht die richtigen Mitarbeiter zu bekommen und zu binden, kostet im Zweifel ein Vielfaches! Interessanterweise sind in kleineren und mittleren Unternehmen, die von Frauen geführt werden, Kinderbetreuungsangebote schon eher die Regel als die Ausnahme. Was ja nicht wirklich verwunderlich ist.