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Sozialversicherung : Beitragspflicht von Versorgungsbezügen

Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2018 und die Folgen

Lesezeit 5 Min.

Noch im Jahre 2014 hatte das Bundessozialgericht entschieden, dass Leistungen von Pensionskassen unteilbare Versorgungsbezüge seien und deshalb in vollem Umfang der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung unterliegen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Beiträge vom Arbeitnehmer selbst oder vom Arbeitgeber gezahlt wurden. Das Bundesverfassungsgericht hat im Juni 2018 nun anders entschieden (Beschluss vom 27.06.2018 – 1 BvR 100/15 und 1 BvR 249/15). Nach dem Beschluss verstößt es gegen das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes, wenn für die Berechnung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung solche Zahlungen berücksichtigt werden, die auf einem nach Ende des Arbeitsverhältnisses geänderten oder ab diesem Zeitpunkt neu abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag zwischen einer Pensionskasse und dem früheren Arbeitnehmer beruhen, während Erträge aus privaten Lebensversicherungen nicht zur Beitragsberechnung herangezogen werden.

Voraussetzung für die Beitragsfreiheit dieser Versorgungsbezüge ist, dass der Arbeitgeber an dem Versicherungsvertrag nach Ende des Arbeitsverhältnisses nicht mehr beteiligt ist. Das bedeutet, dass nur der versicherte Arbeitnehmer der Versicherungsnehmer war und nur er die Beiträge eingezahlt hat.

Das Urteil hat zwar einen Fall entschieden, bei dem es um eine Pensionskasse in der Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit ging, es spricht aber nichts dafür, dass Verträge mit anderen Rechtsformen anders zu behandeln seien. Die Krankenkassen werden das Urteil deshalb auch bei anderen Zahlstellenarten anwenden.

Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit der Versorgungsbezug nicht mehr als beitragspflichtig (im Sinne des § 229 SGB V) anzusehen ist:

  • Die vorherige mit Beteiligung des Arbeitgebers zustande gekommene Versicherung bei der Pensionskasse wurde vom Beschäftigten nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses freiwillig fortgesetzt.
  • Der Versicherungsvertrag wurde geändert und vom ehemaligen Arbeitnehmer als alleinigem Versicherungsnehmer fortgeführt oder es wurde ein neuer Versicherungsvertrag abgeschlossen.
  • Der Arbeitgeber ist nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses nicht mehr an dem Versicherungsvertrag beteiligt.
  • Die Beiträge für Zeiten nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses wurden ausschließlich vom Arbeitnehmer geleistet.

Die Trennung in eine private und betriebliche Altersversorgung ist nicht vorzunehmen, wenn der Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses zusätzlich zu den Beiträgen des Arbeitgebers weitere freiwillige Beiträge zur Erhöhung des Versorgungsanspruchs gezahlt hat.

Tritt zu einem späteren Zeitpunkt ein anderer Arbeitgeber in diesen Versicherungsvertrag ein, handelt es sich von diesem Zeitpunkt an wieder um einen – beitragspflichtigen – betrieblichen Versorgungsbezug.

In den dargestellten Fällen muss also die Versorgungsleistung einer Pensionskasse in einen betrieblichen Teil und einen privaten Teil aufgeteilt werden. Nur der betriebliche Teil unterliegt der Beitragspflicht als Versorgungsbezug.

Achtung: Diese Trennung gilt nur dann, wenn es sich um Pflichtbeiträge (Versorgungsbezüge nach § 229 SGB V) handelt. Ist der ehemalige Arbeitnehmer freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung, so gilt auch der aus privaten Beiträgen finanzierte Anteil als beitragspflichtige Einnahme.

Mit der Neuregelung aufgrund des Urteils ergibt sich eine geänderte Meldepflicht der Zahlstelle der Versorgungsbezüge. Die Zahlstelle muss die entsprechende Aufteilung in den betrieblichen und den privaten Anteil vornehmen. Der private Anteil der Versorgungsleistung ist von der Meldepflicht der Zahlstelle nicht erfasst. Deshalb müssen künftig nur die betrieblichen Anteile an die Krankenkasse gemeldet werden.

Zudem hat sie nur noch aus dem betrieblichen Anteil der Versorgungsleistung die Beiträge einzubehalten und an die Krankenkasse zu zahlen. In Bestandsfällen ist eine Änderungsmeldung erforderlich. Ist der Versorgungsbezieher Selbstzahler bei der Krankenkasse, so werden die Beiträge anhand der Meldung der Zahlstelle von der Krankenkasse neu festgesetzt.

Für die Vergangenheit muss die Zahlstelle eine Korrektur der bereits abgegebenen Meldungen vornehmen. Die bisher abgegebenen Meldungen sind daher zu stornieren und mit der zutreffenden Höhe der Versorgungsbezüge (also nur dem betrieblichen Anteil) neu abzugeben. Die Meldungen sind grundsätzlich rückwirkend ab 2011 (Einführung des maschinellen Meldeverfahrens) zu korrigieren. Das gilt unabhängig davon, ob ein Anspruch auf Beitragserstattung bereits verjährt ist.

Der Anspruch auf die Erstattung von Beiträgen für die Zeit vor dem 1. Januar 2015 ist eigentlich verjährt. Die Krankenkassen sind aber übereingekommen, den Pensionskassen das Recht einzuräumen, bei einer Korrektur der Meldungen die Beiträge bis zum 1. Januar 2014 zurückzurechnen, wenn die Korrektur erst 2019 vorgenommen wird. Zum Zeitpunkt des Urteils waren die Beiträge aus 2014 noch nicht verjährt. Kann von der Pensionskasse bei einer rückwirkenden Korrektur nicht sichergestellt werden, dass die Beiträge nur im Rahmen der Verjährung erstattet werden, sind die Korrekturen erst ab 2014 vorzunehmen.

Wurde die Versorgungsleistung für Dezember 2013 erst im Januar 2014 ausgezahlt, so ist auch dieser Monat noch nicht verjährt.

Die von der Zahlstelle zurückgerechneten bzw. erstatteten Beiträge sind im Beitragsnachweis für den Folgemonat in Abzug zu bringen. Dies kann in Einzelfällen zu einem „Null-Beitragsnachweis“ führen. Die darüber hinaus erstatteten Beiträge sind dann mit dem Beitragsnachweis für den übernächsten Monat zu verrechnen.

Können die Beiträge von der Zahlstelle nicht erstattet werden, ist die Krankenkasse für die Prüfung und Erstattung zuständig. Dies geschieht dann aber nur auf Antrag des betroffenen Mitglieds. Gegebenenfalls wird die Kasse eine formlose Bestätigung der Pensionskasse als Nachweis über die Höhe des betrieblichen und des privaten Anteils verlangen. Hat der Betroffene in dem Erstattungszeitraum die Krankenkasse gewechselt, so ist bei jeder der Krankenkassen ein gesonderter Erstattungsantrag zu stellen. Um eine doppelte Beitragserstattung zu verhindern, muss der Versicherte bei einem Antrag gegenüber der Krankenkasse eine schriftliche Bestätigung der Pensionskasse vorlegen, für welchen Versorgungsbezug und für welchen Zeitraum die Beiträge bereits von der Zahlstelle zurückgerechnet worden sind oder noch zurückgerechnet werden.

Ist der Versorgungsbezieher in der Zwischenzeit verstorben, muss die Zahlstelle eine Meldekorrektur nicht von sich aus vornehmen. Lediglich wenn ein Erbe die Rückzahlung der Beiträge bei der Zahlstelle oder gegenüber der Krankenkasse verlangt, müssen die entsprechenden Korrekturen getätigt werden.

Achtung Rückschlag!

Zugegeben, es wird nicht allzu viele Fälle treffen, aber es kommt vor: Nach einer Beitragserstattung kann durchaus eine Beitragsnachforderung kommen. Warum? Nun, wenn das gesamte beitragspflichtige Einkommen die Beitragsbemessungsgrenze übersteigt und bei einer Einkommensart (dem Versorgungsbezug) ein Teil aus der Beitragspflicht herausgenommen wird, ist plötzlich mehr Platz für die anderen Einkommensbestandteile.

Beispiel:
Das gesamte – eigentlich beitragspflichtige – Einkommen liegt bei 6.000 Euro. Die Beitragsbemessungsgrenze 2018 lag bei 4.425 Euro. Wird bei einer Betriebsrente nach dem neuen Recht eine Erstattung aus 500 Euro vorgenommen (privater Anteil), ist plötzlich Platz für 500 Euro bei einer anderen Einkommensart, die bisher durch die Beitragsbemessungsgrenze gedeckelt war. Der Erstattung steht also in diesem Fall eine Nachforderung in derselben Höhe gegenüber.

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