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Covid-19: Die Alltagshelden : Von Krisenmanagern, Siegesmythen und Systemopfern

Die Bundesregierung und das Robert Koch-Institut als installierte Institution zur Festlegung der Maßstäbe für das Krisenmanagement werden nicht müde, stets zu beruhigen, zu revidieren und fortlaufend nachzubessern, während der Krisenberg sich weiter auftürmt und die Wirtschaft bereits jetzt schwer beutelt. Schon in der Krise gilt es zu beweisen, als wie hieb- und stichfest das politische Handeln und die Programme sich erweisen und für wen sie in welchem Maße überhaupt funktionieren.

Silvija FranjicFokus
Lesezeit 4 Min.
Im Vordergrund schwankende Finanzdaten mit Kerzendiagrammen und numerischen Indikatoren, die einen verschwommenen Hintergrund überlagern, der auf ein Geschäfts- oder Handelsumfeld schließen lässt.

Mit Engelszungen dahergeredet?

Obwohl das ifo Institut seit seinem 30-jährigen Bestehen die Wirtschaft schlimmer einbrechen sieht als in der Finanzkrise, fürchtet vor Ostern gerade einmal jeder vierte Bundesbürger um seinen Arbeitsplatz, wenn auch mit besorgtem Blick auf die Gesamtwirtschaft. Die Börse spekuliert nach anfänglichem Schock munter weiter, das ist schließlich ihr Tagesgeschäft. Für alle bleibt aber letztlich die Frage, wer die tatsächlichen Gewinner und Verlierer sein werden.

Die Helden der Hamsterhysterie?

Der Einzelhandel wird zum Verteidiger und Hüter des „Krisengoldes“ Klopapier. Das neue Symbol des Kaufdarwinismus wirft Rätsel auf, die wahrscheinlich eines offenlegen: die insgeheime Angst, dass alles schlimmer kommen könnte. Und eines wiegt noch schwerer – die Scham. Es fällt dem Durchschnittsdeutschen in der Not wahrscheinlich leichter, nach allem anderen zu fragen als nach diesem „scheiß Klopapier“. Schaut man genauer hin, sind auch andere Hygieneartikel mehr als gut nachgefragt. Als auch noch Nudeln, Dosen und Hefe gehamstert werden, fehlte es zunächst an genug Regalauffüllern. Während die Regale sich füllen, werden die Plexiglaswände an den Kassen höher und breiter – so mancher Messebauzulieferer macht sich hier nicht nur nützlich, sondern kann auch weiterproduzieren.

Da die Alltagshelden im Verkauf mangels Verfügbarkeit nicht überall mit Handschuhen ausgestattet werden können, muss vielerorts weiterhin am Ende doch alles durch alle Hände gehen, die hoffentlich gut gewaschen sind. Bedacht werden die Kassenkräfte und das Verkaufspersonal von Kunden mit selbstgemalten Bildchen, Postings, Dankesreden – und Videos und auch mal Sachspenden in Form von Süßigkeiten. Die großen Ketten geben anfangs Warengutscheine als Prämien aus. Aber auch diese Haushalte konsumieren bedingt bzw. bedarfsorientiert. Da keiner weiß, wie es später für wen weitergeht, sind Geldleistungen auch eine Form der verdienten Zukunftsabsicherung. Also wird nachgebessert: Bis zu 1.500 Euro sollen steuerfrei bleiben dürfen, was die Bonuszahlungen für die in systemrelevanten Berufen Tätigen betrifft – wer gerade jetzt viel leistet, soll davon auch etwas behalten dürfen, so heißt es „von oben“. Längst Zeit für Anerkennung, sagen jetzt viele, doch wer letztlich wirklich wie viel kriegt und ob sich später irgendetwas ändert, wird sich noch zeigen. Die Discounter und großen Vollsortimenter sind im Lebensmitteleinzelhandel im Vorteil. Das Nachsehen haben wieder einmal die Kleinen, denn woher nehmen, wenn nichts (zusätzlich) zu verdienen ist? An kreativen Konzepten fehlt es nicht, aber ob es am Ende reicht? Blumengeschäfte müssen geschlossen bleiben, Baumärkte können gerade vom Frühling profitieren – sie haben ja immer auch Tiernahrung und repariert werden muss trotzdem. Viele Hotels- und Gastronomiebetriebe nutzen den „Dornröschenschlaf“, um zu renovieren. Auch nicht verwunderlich, dass Handwerker und Paketdienste gerade einen guten Teil des städtischen Straßenverkehrs ausmachen, während möglichst viele im Homeoffice sitzen.

Ein Geschäftsmann analysiert komplexe Finanzdaten und Markttrends auf einem Tablet-PC. Das Bild wird von dynamischen Diagrammen und holografischen Statistiken überlagert, was die fortschrittliche Technologie in der Geschäftsanalyse symbolisiert.

Beklatscht aus weiter Ferne?

Mit Lobeshymnen überschüttet, ganze Straßenzüge applaudieren aus geöffneten Fenstern für ihren täglichen Einsatz: Gebe es den berühmten „Penny für jeden Gedanken“ und für jede Erwähnung, wäre jeder Beschäftigte des Medizinsektors nun längst reich. Die Realität: Mundschutz und Schutzkleidung fehlen, Gesichter und Körper sind gezeichnet von Müdigkeit und auch geschädigt vom Dauertragen des Infektionsschutzes, Nerven liegen bei aller Motivation auch mal blank. Desinfektionsmittel fehlt nicht nur, es wird allerorts geklaut – von Patienten, dem eigenen Personal. Gefahr lauert auch, wo gelogen wird aus egoistischen Motiven. Deswegen mussten bereits ganze Rettungsbesatzungen in Quarantäne oder Einrichtungen geschlossen werden, weil Aufenthalte in Risikogebieten verschwiegen worden sind oder gar die Erkrankung am Coronavirus selbst. Haftungsfragen sollten da tatsächlich Thema werden, denn es handelt sich hierbei nicht um Leichtsinn, sondern um Vorsatz.

Gut gemeinte Gesten an das medizinische Personal wie Einmalzahlungen sind der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein, langfristig sicher nicht die Lösung und gelten sollen sie dann doch wieder nicht für alle. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey betont die Notwendigkeit eines landesweit gültigen Tarifs zur strukturellen Verbesserung und zur Aufwertung der Berufe. Derzeit arbeiten nur 20 Prozent der Beschäftigten in der Pflege zu tariflichen Bedingungen. Derweil reden andere bereits von Formen der „Zwangsarbeit“: In NRW wird diskutiert, ob Ärzte und Pfleger zur Arbeit verpflichtet werden könnten – so soll dann „Anerkennung“ aussehen? Das wären angesichts der Pandemie drastische Maßnahmen, aber fordert nicht jede Krise ihre „Opfer“ und ihre eigenen Maßnahmen? Nach versäumten und verschwundenen Bestellungen dringend benötigter Schutzausrüstungen etabliert Bundesgesundheitsminister Jens Spahn den Verteilungszentralismus: Der Logistikanbieter Fiege verteilt seit Wochen im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) für medizinisches Personal in Deutschland – hoffentlich möglichst weitsichtig und gerecht.

Rette sich unter den Schirm, wer kann?

Trotz aller vollmundigen Hilfsversprechen und Solidaritätsbekundungen wird sich der Teufel letztlich im Detail zeigen.

Eine Person, die mit einer futuristischen holografischen Schnittstelle interagiert und fortschrittliche Technologie und Datenvisualisierung präsentiert.

Dabei sind das „Kleingedruckte“ und die tatsächlichen Realisierungschancen von allergrößter Bedeutung, wie noch zu sehen sein wird.

Silvija Franjic

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