Keine klassische Entgeltabrechnung : Ist der Baulohn eine Überlegung wert?
Der Baulohn ist ein wenig wie der Vokuhila unter den Haarschnitten: Der eine liebt ihn, der andere nimmt gern Abstand davon. Während der Vokuhila reine Geschmackssache ist, haften dem Baulohn – und der Branche – Vorurteile an. Zu Recht? Fakt ist: Wer sich des Gewerbes annimmt, erschließt sich ein interessantes Geschäftsfeld – mit weniger Konkurrenz als in der klassischen Entgeltabrechnung.

Spätestens seit der Corona-Pandemie ist auch den meisten Laien bewusst: Die Entgeltabrechnung ist eine komplexe Angelegenheit. Paragraphen über Paragraphen, laufend gesetzliche Änderungen, Spezialfälle und, und, und: Wer hier Fehler macht, landet schnell in der Haftung. Gerade beim Baulohn gibt es so manch eine Besonderheit: Vom Saison-Kurzarbeitergeld über Zuschuss-Wintergeld bis hin zum Mehraufwands-Wintergeld. Wenn in der kalten Jahreszeit nicht gearbeitet werden kann, sorgen Sie als Entgeltabrechner dafür, dass die Konten der Mitarbeiter dennoch nicht einfrieren. Aber lassen Sie uns bei Adam und Eva des Baulohns beginnen.
Baulohn – wer muss ihn überhaupt abrechnen?
Grundsätzlich gilt: Alle Betriebe, die SOKA-pflichtig sind, rechnen Baulohn ab. Geregelt ist das im Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV). Als Faustregel gilt: Alle Betriebe, die den Hauptteil ihrer Leistungen draußen auf der Baustelle erbringen, sind verpflichtet, den Baulohn abzurechnen. Das gilt für Betriebe, die in Deutschland bauen. Aber auch für ausländische Unternehmen, die ihre Mitarbeiter*innen in die Bundesrepublik Deutschland entsenden.
Zum Baunebengewerbe – und damit nicht SOKA-pflichtig – zählen Maler, Gerüstbauer, Dachdecker und Garten- sowie Landschaftsbauer. Diese Branchen verfügen über eigene Sozial- und Urlaubskassen.
Tipp: Im Zweifel können Sie von der Sozialkasse (SOKA) prüfen lassen, ob ein Unternehmen baulohnpflichtig ist oder nicht. So sind Sie auf der rechtssicheren Seite.
SOKA-Bau – wofür sind die Sozialkassen der Bauwirtschaft gut?
Die Sozialkasse der Bauwirtschaft – kurz SOKA-Bau – ist eine Dachmarke, die zu den beiden Non-Profit-Gesellschaften Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft – kurz ULAK – sowie der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes AG (ZVK) gehört. Das bedeutet: Die Sozialkasse ist nicht gewinnorientiert. Sie schüttet alle erbrachten Beiträge wieder aus. Arbeitgeber zahlen eine prozentuale Umlage vom Bruttolohn ihrer Arbeitnehmer ein, die Sozialkasse verwaltet dieses Geld und erstattet den Arbeitgebern daraus bestimmte Aufwendungen. Zusätzlich sorgt die Sozialkasse für eine Altersvorsorge. In jeder Branche gelten hier abweichende Regelungen.
Lohn- und Gehaltsabrechnung – was ist beim Bau anders?
Vereinfacht gesagt: Das Wetter macht die Branche so speziell. Weil Baubetriebe im Winter oft aufgrund der Kälte nicht arbeiten können, gibt es einige Regelungen, die dafür sorgen, dass ihre Arbeitnehmer in den Wintermonaten finanziell abgesichert sind. Da wäre zum Beispiel das Mehraufwands-Wintergeld. Wenn im Winter gearbeitet werden kann und das Wetter der Branche keinen Strich durch die Rechnung macht, erhalten Beschäftigte in der Zeit vom 15.12. bis 28. bzw. 29.02. je gearbeitete Stunde 1 Euro netto zusätzlich. Der Arbeitgeber zahlt diesen Betrag, die Agentur für Arbeit erstattet den Beitrag. Wenn Unternehmen im Winter nicht auf der Baustelle sein können, dafür aber Guthaben ihres im Sommer angesparten Arbeitszeitkontos aufbrauchen, erhalten sie Zuschuss-Wintergeld. Die Agentur für Arbeit bezuschusst jede Stunde hier mit 2,50 Euro, damit das Saison-Kurzarbeitergeld vermieden wird.
Wenn im Winter nichts geht und aus dem Sommer keine Arbeitszeitkonten zur Verfügung stehen, können Unternehmen Saison-Kurzarbeitergeld beantragen. In der Zeit vom 01.12. bis zum 31.03. erhalten die Beschäftigten dann ein Ausfallgeld in Höhe von 60 bzw. 67 Prozent des üblichen Nettogehalts. Auch dieses Geld zahlt der Arbeitgeber aus. Die Agentur für Arbeit erstattet die Aufwendungen.
Arbeitszeitkonten – wofür sie gut sind
Wenn Unternehmen das sogenannte Zuschuss-Wintergeld in Anspruch nehmen, sind Arbeitszeitkonten hilfreich. Sie dokumentieren die Arbeitszeiten einzelner Mitarbeiter. Mehr noch: Arbeitnehmer können hier üblicherweise im Sommer Überstunden ansammeln, die sie dann im Winter als zeitlich angespartes Guthaben wieder abbauen. Der Staat bezuschusst dieses Verfahren – wie gerade erläutert – mit dem Zuschuss-Wintergeld. Die Konten dienen also vor allem der Transparenz, um unterschiedliche Auslastungen im Betrieb sichtbar zu machen.
Urlaubskonten – eine Spezialität der Baubranche
Ähnlich funktioniert das auch bei Urlaubskonten. Arbeitnehmer leisten in der Baubranche eine sogenannte Umlage an die Urlaubskasse. Daraus erwirken sie einen Anspruch auf Urlaubstage sowie auf Urlaubsvergütung. Diesen Anspruch baut der Angestellte auf seinem Urlaubskonto auf.
Ohne gute Software geht’s nicht
Wie der Baustellenmitarbeiter einen Betonmischer benötigt, um ein solides Fundament zu gießen, sind Sie als Entgeltabrechner auf ein zuverlässiges Programm angewiesen.
Das sollte eine Baulohn-Software mindestens können:
- Die Software sollte Arbeitszeitkonten im Repertoire haben. So gleichen Sie geleistete Stunden und vertraglich vereinbarte Arbeitszeit digital spielend leicht miteinander ab. Über- und Minusstunden sollte das Programm auf monatlicher Basis problemlos ermitteln können.
- Auch Urlaubskonten sind ein Must-have. Das Programm sollte Ansprüche automatisch berechnen können.
- Stichwort Sofortmeldungen: Diese sollten Sie in der Software einfach und schnell erstellen können. Denn gerade im Bau gehen Einstellungen häufig rasch. Da straucheln Sie, wenn es bei der Sofortmeldung hakt.
- Ein integriertes Melde- und Bescheinigungswesen ist das A und O, wenn Sie beispielsweise Anträge für das Saison-Kurzarbeitergeld direkt im System erstellen möchten. Gleiches gilt für Anträge gemäß dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) oder für elektronische Entgeltbescheinigungen (EEL).
Wenn Sie mit dem Gedanken spielen, den Baulohn in Ihr Repertoire aufzunehmen, dann informieren Sie sich bei Ihrem aktuellen Software-Anbieter. Gibt es hierfür bereits ein Modul? Alternativ sollten Sie sich erkundigen, ob etwaige Schnittstellen zu anderen Anbietern bestehen und so eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Systemen gewährleistet ist.
Philipp R. Kinzel