Betriebliche Altersversorgung : Die Betriebsrente wird fällig: Was gilt es zu wissen?
Der gesetzliche Rentenbescheid erschüttert immer wieder aufs Neue. Das Vorhandensein einer betrieblichen Altersversorgung (bAV) mildert den Schmerz. Der große Tag naht. Die Betriebsrente steht zur Auszahlung an. Die Belohnung für Betriebstreue und/oder für regelmäßiges Sparen aus dem Brutto und die Notwendigkeit dieser Säule der Absicherung treten jetzt ganz deutlich zu Tage. Allerdings sind auch Entscheidungen zu treffen.
Rente oder Kapital oder beides?
Steuer
Grundsätzlich sind alle Betriebsrenten steuerpflichtige Einnahmen. Einzige Ausnahme sind Kapitalauszahlungen aus Direktversicherungen, die vor 2005 abgeschlossen wurden und die mit mindestens fünf Beiträgen bei einer Mindestlaufzeit von zwölf Jahren ausgestattet sind.
Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal sind die Durchführungswege. Auszahlungen aus einer Unterstützungskasse oder einer Direktzusage sind Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit.
Somit sind Werbungskosten und die Regelungen zum Versorgungsfreibetrag ansetzbar und unabhängig vom Rentnerdasein. Einmalzahlungen bzw. Kapitalabfindungen können als Vergütung für mehrjährige Tätigkeit mit der sogenannten Fünftelregelung vorteilhaft versteuert werden. Das kann geeignet sein, um Steuerspitzen zu kappen. Die Leistungen aus den versicherungsförmigen Durchführungswegen (Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds) sind als „sonstige Einkünfte“ zu betrachten.
Sozialversicherung
Die Diskussion über die Versicherungspflicht von Betriebsrenten wird seit vielen Jahren geführt und handelt konkret davon, dass die Kranken- und Pflegeversicherungen (KV/PV) Betriebsrenten als beitragspflichtige Einnahmen werten. Diese Regelung gilt für alle gesetzlich versicherten Mitglieder, nur privat versicherte Personen fallen nicht unter diese Regelung. Ärgerlich ist die Tatsache, dass der durchs Arbeitsleben bekannte hälftige Zuschuss des Arbeitgebers nicht ansetzbar ist und somit der volle Beitragssatz bezahlt werden muss.
Ebenfalls ärgerlich ist, dass bis 2004 davon ausgegangen wurde, dass keine Sozialversicherungspflicht auf Betriebsrenten existiert.
Um dem Effekt der Belastung der Renten entgegenzuwirken, hat der Gesetzgeber ab dem Jahr 2020 für die KV einen dynamischen Freibetrag eingeführt. Im Jahr 2022 beträgt dieser monatlich 164,50 Euro. Für die PV gilt leider kein Freibetrag, sondern eine Freigrenze in gleicher Höhe. Der Unterschied ist spürbar, sobald die Grenze um mindestens einen Cent überschritten wird. Dann wird für die PV die gesamte Rente als Grundlage herangezogen, für die KV nur der Teil, der über den 164,50 Euro liegt.
Berechnungsmodus für Einmalzahlungen
Aber wie erfolgt die Berechnung bei Kapitalzahlungen? Die gute Nachricht vorweg: Die KV und die PV erheben nur für die ersten zehn Jahre nach Auszahlung und nur zu Lebzeiten einen Beitrag. Dieser ermittelt sich aus der Kapitalzahlung.
Ein Hundertzwanzigstel des Auszahlungsbetrags wird als Grundlage genommen und darauf der Beitrag erhoben.
Auszahlungsmodelle vorgegeben oder wählbar?
Grundsätzlich regelt die arbeitsrechtliche Zusage die Auszahlungsmodalitäten der Betriebsrente. Kapitalzusagen ohne Wahlrecht sind in der Praxis wenig verbreitet. Üblich sind Rentenauszahlungen, die häufig mit einer sogenannten Kapitaloption ausgestattet sind. Zulässig sind ebenfalls Auszahlpläne, die mit einer 30-prozentigen Einmalzahlung (aus dem Kapitalwert der Zusage) starten und den Rest verrenten. Diese Regelung findet auch in der „Riester-Rente“ Anwendung.
Inflationsausgleich
Die Väter des Betriebsrentengesetzes hatten den Schutz der laufenden Leistungen vor der Geldentwertung bereits „auf dem Schirm“. So gibt es grundsätzlich den Anspruch auf Inflationsausgleich, der jedoch unterschiedlich umgesetzt werden kann. Bei Direktversicherungen und Pensionskassen werden üblicherweise „alle Überschüsse zur Leistungserhöhung“ verwendet und stellen damit eine Anpassung sicher. Anders ist das bei Renten aus Direktzusagen oder aus Unterstützungskassen. Hier wählt der Arbeitgeber entweder eine garantierte Steigerung von 1 Prozent pro Jahr oder muss sich eine Anpassungsprüfung alle drei Jahre gefallen lassen. Diese ist nicht selten strittig, denn Variablen wie Verbraucherpreisindex oder Gehaltsentwicklungen sind ebenso ein Maßstab wie die Belange der Arbeitnehmer und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers.
Lebenslange Leistungen mit Vorteilen?
Der Bezug von lebenslangen Leistungen ist wohl der Kerngedanke einer jeden Betriebsrente.
Kapitalzahlungen bieten die Gefahr, dass geflossene Gelder „verprasst“ werden und Vater Staat im Notfall wieder Unterstützungsleistungen aus der Solidargemeinschaft erbringen muss.
Manch einer vermutet sogar einen gesetzlichen Regelungsfehler, denn im Gegensatz zu den beiden anderen staatlich geförderten Rentenmodellen, die unter den Namen „Riester“ und „Rürup“ bekannt sind, erlauben die versicherungsförmigen Durchführungswege eine Option auf vollständige Kapitalauszahlung.
Die lebenslange, mit einem Inflationsschutz ausgestattete Rentenzahlung bietet verlässliche Einnahmen für den gesamten Ausgabezeitraum bis zum Tod. Eine Versteuerung findet meist zu Progressionssätzen statt, die nur geringe Steuerzahlungen auslösen.
Eine Kapitalleistung aus einer bAV treibt die Steuerbelastung schnell in Regionen, in denen der jeweils amtierende Finanzminister seine helle Freude hat. Die Auszahlungssummen werden dadurch empfindlich reduziert. Besonders fatal ist das Zusammentreffen mit weiteren steuerpflichtigen Einkünften, denn am Ende zählt die Summe der Einnahmen aus allen Einkunftsarten zur Berechnung der Abgabenlast.
Tipp
Einmalzahlungen immer erst dann abrufen, wenn im gesamten Veranlagungszeitraum zwischen dem 01.01. und dem 31.12. des jeweiligen Jahres keine Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit mehr hinzukommen.
Betriebsrenten und Grundsicherung
Etwas unter dem Radar geblieben ist die erfreuliche Besserstellung bei der Behandlung von Betriebsrenten bei gleichzeitigem Bedarf von staatlicher Grundsicherung.
So wird seit 2018 bei der Ermittlung des Bedarfs ein monatlicher Grundfreibetrag von bAV-Bezügen in Höhe von 100 Euro gewährt. Ein erweiterter Freibetrag erhöht die Grenze zusätzlich. Er ist mit der Regelbedarfsstufe gekoppelt, so dass er dynamisch mitwächst. Für 2022 können monatlich bis zu 124,50 Euro zusätzlich freigestellt werden.
In der Praxis bedeutet das, dass auch niedrige Einkommen durch Betriebsrenten ein spürbares Mehr im Geldbeutel erlangen können.
Und wer erbt?
Was passiert eigentlich nach dem Tod mit Betriebsrenten? Ein Blick in die Versorgungsregelungen verschafft hier Klarheit. Zusagen aus früheren Zeiten sahen häufig die Versorgung von Ehepartnern vor. 60 Prozent von der eigentlichen Altersrente als Witwen- oder Witwerrente waren durchaus üblich und so manche Regelung ist noch heute entsprechend formuliert. In der Versicherungswelt ist das unüblich. Hier wird normalerweise entweder das noch nicht für Renten verbrauchte Kapital ausgezahlt oder aus den verbleibenden Jahren einer fest definierten Rentengarantiezeit die mögliche Zahlung an zulässige Erben ermittelt.
Zulässige Erben sind Ehepartner, kindergeldberechtigte Kinder und in manchen Fällen auch eheähnliche Partner in häuslicher Gemeinschaft.
bAV schlägt Privatrente schon bei Pflichtzuschuss
Beispiel: Bruttoeinkommen 48.000 Euro p. a., ledig, Kirchensteuer, keine Kinder, Zusatzbeitrag KV 1,2 Prozent, Entgeltumwandlung 200 Euro p. M. zzgl. Arbeitgeberzuschuss 15 Prozent
Hinweis: Ergebnis im Rentenalter – Annahme ist, dass nur die gesetzliche Rente als weitere Einnahme existiert
Martin Stolzenburg, „Mister bAV®“