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Im Blick: Sozialversicherungsrecht (Ausgabe 3/2022)

Lesezeit 5 Min.

A1-Verfahren: zuständiger Rentenversicherungsträger wird mitgeteilt

Die A1-Bescheinigung über die Weitergeltung der deutschen Rechtsvorschrift bei einer Tätigkeit im europäischen Ausland wird üblicherweise von der Einzugsstelle, also von der Krankenkasse, ausgestellt. In einigen Fällen kommt die Bescheinigung auch von der Minijobzentrale (bei Minijobbern) oder direkt von der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland

(DVKA). Bei Personen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, ist die Deutsche Rentenversicherung zuständig. Aber wer dort genau? Nicht nur für Arbeitgeber ist das oft unklar, insbesondere Selbstständige, die eine solche Bescheinigung für ihre Tätigkeit in einem anderen Land benötigen und sonst keinerlei Kontakt zur Rentenversicherung haben, wissen oft nicht, welche Untergliederung für den Antrag zuständig ist. Die Deutsche Rentenversicherung hat für die einzelnen Staaten eine interne Zuständigkeitsregelung.

Das hat in der Vergangenheit in den Fällen, in denen die Rentenversicherung für die Ausstellung der Bescheinigung zuständig ist, zu vermehrten Nachfragen geführt, da nicht bekannt ist, welcher Rentenversicherungsträger für den Antrag tatsächlich zuständig ist. Der Antrag selbst wird auf elektronischem Weg übermittelt und dann intern entsprechend der Zuständigkeit verteilt.

Deshalb soll mit Wirkung zum 01.07.20222 eine Rückmeldung der Rentenversicherung erfolgen, in der der zuständige Versicherungsträger benannt wird. So können sich die Antragsteller bei Bedarf sofort an die richtige Stelle wenden. Das betrifft neben den selbstständig Tätigen insbesondere Beamte, die ja in der Regel nicht gesetzliche krankenversichert sind. Die Umsetzung soll sowohl in den Entgeltabrechnungsprogrammen als auch in sv.net umgesetzt werden.

Im Blick Sozialversicherungsrecht 2022-3
Im Blick Sozialversicherungsrecht 2022-3
Attest
Attest

Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) wird verschoben

Eigentlich sollte es zum 01.07.2022 losgehen: das elektronische Abrufverfahren der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen durch die Arbeitgeber. Nun wird die – obligatorische – Einführung des Datenaustauschs auf den 01.01.2023 verschoben. Es bleibt also weiterhin bei der Vorlage des ärztlichen Attestes auf Papier.

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung 2022-3
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung 2022-3

Die Geschichte der eAU läuft schon eine ganze Weile. Ende 2019 wurde die rechtliche Grundlage im dritten Bürokratieentlastungsgesetz geschaffen. Die Einführung war in zwei Stufen vorgesehen. In der ersten Stufe ging es um die Übermittlung der Daten von den Arztpraxen an die Krankenkassen. Bereits hier kam es immer wieder zu Verzögerungen, nicht zuletzt durch die Belastungen der Corona-Pandemie. Aber auch technische Probleme und fehlende Ausstattung in den Arztpraxen führten zu Schwierigkeiten bei der Umsetzung.

Am 01.07.2022 sollte es mit der zweiten Stufe, also dem Abruf der Daten durch die Arbeitgeber, losgehen. Das Bundesgesundheitsministerium hat nun die Reißleine gezogen und die Pilotphase bis zum Ende des Jahres verlängert. Wir werden sehen, ob bis dahin alle Schwierigkeiten ausgeräumt sind und die Umsetzung tatsächlich erfolgen kann.

Berufskrankheiten: Rekordzahlen bei der Infektion mit Corona

Infektionen mit dem Corona-Virus können eine Berufskrankheit sein. Besonders betroffen ist – den versicherten Personengruppen geschuldet – die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW). Gut 132.000 meldepflichtige Verdachtsmeldungen auf eine beruflich bedingte COVID-19-Erkrankung wurden ihr bis einschließlich 31.12.2021 gemeldet. Bisher wurden knapp 87.000 Fälle als Berufskrankheit (BK) anerkannt.

Corona
Corona
COVID-19-Erkrankungen
COVID-19-Erkrankungen

Die Anerkennungsquote der BGW für COVID-19-BK-Fälle ist hoch: Rund zwei Drittel der meldepflichtigen Verdachtsmeldungen hat die Berufsgenossenschaft bisher anerkannt, in der stark betroffenen Branche „Kliniken“ sogar fast drei Viertel.

Sonderregeln zum Kurzarbeitergeld erneut verlängert

Für den Bezug von Kurzarbeitergeld gelten Corona-bedingt eine Reihe von Sonderregeln. Diese wurden bis zum 30.06.2022 verlängert und ergänzt.

Die maximale Bezugsdauer des Kurzarbeitergelds erhöht sich auf 28 statt bisher 24 Monate. Bis zum 30.06.2022 gilt der vereinfachte Zugang zur Kurzarbeit fort, ebenso die erhöhten Leistungssätze bei längerer Kurzarbeit der Beschäftigten und die Anrechnungsfreiheit für Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung, die während der Kurzarbeit aufgenommen wird.

Auch wenn sich die wirtschaftliche Lage und die Situation auf dem Arbeitsmarkt allgemein deutlich verbessert haben, gebe es noch Branchen, die nach wie vor unter der Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen litten, heißt es in der amtlichen Begründung. Mit der Verlängerung der Corona-Sonderregeln will der Gesetzgeber dafür sorgen, dass Beschäftigungsverhältnisse stabilisiert, Arbeitslosigkeit und gegebenenfalls Insolvenzen vermieden sowie Einkommensverluste für bereits lange von Kurzarbeit betroffene Beschäftigte abgemildert werden.

Allerdings ist die hälftige pauschale Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge zum 31.03.2022 ausgelaufen.

Verlängert wurde hingegen die Einbeziehung von Leiharbeitnehmern in die Kurzarbeitergeldregelung. Diese ist zunächst ebenfalls bis zum 30.06.2022 gültig.

Änderungen beim Statusfeststellungsverfahren

Es ist seit vielen Jahren Standard: das Statusfeststellungsverfahren, bei dem die Arbeitnehmereigenschaft und damit die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung durch die gesetzliche Rentenversicherung geprüft wird, entweder auf Antrag eines der Beteiligten oder – für bestimmte Personenkreise – obligatorisch bei Beginn der Beschäftigung bzw. der Tätigkeit.

Das obligatorische Verfahren gilt für bestimmte Angehörige und für geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH (und Unternehmergesellschaft (UG)).

Seit dem 01.04.2022 gelten einige Veränderungen, die das Verfahren insgesamt praktikabler machen und verkürzen sollen.

Neu eingeführt wurde eine sogenannte Prognoseentscheidung. Dabei kann der Auftraggeber schon vor Aufnahme der vermeintlich selbstständigen Tätigkeit eine Entscheidung der Rentenversicherung einholen. Dafür ist der geschlossene Vertrag die Basis. Spätere Veränderungen am Vertrag oder an den tatsächlichen Verhältnissen müssen dann der Clearingstelle umgehend gemeldet werden.

Um gleichgelagerte Fälle einheitlich und schnell entscheiden zu können, wurde die Gruppenfeststellung eingeführt. Bei ähnlichen Aufträgen kann die Entscheidung für einen exemplarischen Auftragnehmer getroffen werden, die dann für die ganze Gruppe gilt. Inwieweit das in der Praxis funktioniert, wird man sehen. Denn nur selten dürften die Verhältnisse der verschiedenen Auftragnehmer so ähnlich sein, dass eine einheitliche Entscheidung sinnvoll und machbar ist.

Bei sogenannten Dreiecksverhältnissen, also bei der Beteiligung weiterer (Sub-)Unternehmen, wird im Verfahren nicht nur die Arbeitnehmereigenschaft geprüft, sondern zugleich entschieden, wer – im Falle einer abhängigen Beschäftigung – der Arbeitgeber ist. Einen Antrag auf Durchführung des Statusfeststellungsverfahrens kann jeder der Beteiligten stellen.

Um insbesondere das Widerspruchsverfahren zu beschleunigen und zu vereinfachen, ist künftig die mündliche Anhörung der Beteiligten im Verfahren möglich. Einen entsprechenden Antrag kann jeder der Widersprechenden stellen. Die Teilnahme an der mündlichen Anhörung ist freiwillig.

Diese Änderungen sind zunächst befristet bis zum 30.06.2027. In dieser Zeit findet eine Evaluation statt, um festzustellen, ob das geänderte Verfahren funktioniert und sinnvoll in der Praxis umgesetzt werden kann.

Jürgen Heidenreich

Im Blick Sozialversicherungsrecht 2022-3-2
Im Blick Sozialversicherungsrecht 2022-3-2

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