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Mitarbeiterbefragungen : Mitarbeiterbefragungen im digitalen Wandel

… oder warum eine (r)evolutionäre Entwicklung unumgänglich ist

Lesezeit 5 Min.

In den letzten Jahren hat sich Technologie auf umfassenden Ebenen entwickelt, was als Anwendungsszenario ganz neue Formen von Mitarbeiterbefragungen ermöglicht. Künstliche Intelligenz ist hier nur ein Schlagwort, das als Technologie das Potenzial für eine revolutionäre Weiterentwicklung von Mitarbeiterbefragungen in Unternehmen beinhaltet.

Allerdings zeigt ein Blick in die Praxis, dass an vielen Stellen weiterhin traditionelle Mitarbeiterbefragungen umgesetzt werden und dass der Reifegrad der Mitarbeiter eine weitaus größere Rolle als technologische Innovation spielt.

Warum eine grundlegende Weiterentwicklung bei traditionellen Mitarbeiterbefragungen unumgänglich ist

Person, die ein Mikrofon hält und ein Interview mit einer anderen Person führt. Der Hintergrund ist verschwommen und weist Andeutungen von Grün- und Blautönen auf.

Eine Mitarbeiterbefragung kann als Feedbackinstrument und Partizipationsformat ganz unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen. Neben der Messung zentraler KPIs steht oftmals auch das Engagement der Mitarbeiter oder die Nutzung der Ergebnisse im Employer Branding im Mittelpunkt. Dabei haben sich die Zielsetzungen bei Mitarbeiterbefragungen von Unternehmen in den letzten Jahren nicht immer verändert, obwohl der kulturelle Rahmen mittlerweile ganz anders aussieht:

  • Agilität wird heutzutage von beinahe jedem Unternehmen aufgegriffen, um schneller und flexibler auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren zu können. Doch wenn Agilität als organisationale Anpassungsfähigkeit verstanden wird, dann können traditionelle Mitarbeiterbefragungen im Zyklus von ein bis zwei Jahren nicht glaubhaft und sinnvoll für die Messung und Entwicklung eines Unternehmens herangezogen werden.
  • New Work ist ein Ansatz, der ebenfalls immer sichtbarer in Unternehmen verschiedener Branchen wird. Dabei steht in den allermeisten Fällen eine umfassendere Partizipation kombiniert mit erhöhter Autonomie und zunehmender Sinnhaftigkeit im Mittelpunkt. Auch aus dieser Perspektive sind traditionelle Mitarbeiterbefragungen in langen Zyklen und hierarchisch organisierten Rückmeldeprozessen alles andere als zeitgemäß.

Wir sind darüber hinaus geprägt von unserer digitalen Umwelt, die mit Echtzeitergebnissen und schnellen Zyklen einhergeht. Die Wahlergebnisse von Millionen Deutschen sind genauso wenige Stunden nach Schließung der Wahllokale verfügbar wie die Ergebnisse von Meinungsumfragen zu aktuellen Themen auf Nachrichtenportalen und in sozialen Medien.

Letztlich muss sich die traditionelle Perspektive auf Mitarbeiterbefragungen allein deshalb entwickeln, weil sich unsere Erwartungen und Bedürfnisse an Partizipation verändert haben. Aus technischer Perspektive ist eine wöchentliche oder monatliche Vollbefragung von 15.000 oder 50.000 Mitarbeitern mit automatisierten Reporting-Prozessen keine Herausforderung — wenn man einmal von der Anbindung an vorhandene Verwaltungssoftware zum Datenimport und der dort vorhandenen Datenqualität absieht. Dabei bedeuten die Entwicklungen keineswegs, dass immer häufiger und immer schneller befragt werden sollte, nur weil es technisch möglich ist. Eine Mitarbeiterbefragung ist eben keine Meinungsumfrage, sondern ein organisationales Partizipationsformat. Gerade die Auseinandersetzung mit den Ergebnissen im Folgeprozess und daraus resultierende Veränderungen zeichnen echte Organisationsentwicklung im Gegensatz zu aktionistischen Partizipationsinstrumenten aus. Eine Revolution der Mitarbeiterbefragung ist genau deshalb erforderlich, weil der einzelne Mitarbeiter bei traditionellen Mitarbeiterbefragungen zu wenig im Mittelpunkt steht. Technologie sollte also genau dafür genutzt werden, dass Menschen wieder stärker im Mittelpunkt stehen und dadurch automatisch eine Annäherung an Ansätze der Agilität und von New Work möglich wird.

Wie moderne Szenarien organisationaler Partizipation aussehen können

Aktuell gehen die Trends bei Mitarbeiterbefragungen in verschiedene Richtungen, die letztlich mit dem Überbegriff der Feedbacklandschaft zusammengefasst werden können. Eine klare Positionierung verschiedener Feedbackformate bezüglich Zielsetzung, Beteiligten, Folgeprozessen und weiteren relevanten Merkmalen ist allerdings ein zentraler Erfolgsfaktor bei der Etablierung einer Feedbacklandschaft. Jeder Mitarbeiter und jede Führungskraft müssen den Mehrwert und das Alleinstellungsmerkmal der verschiedenen Feedbackformate verstehen, um enttäuschte Erwartungen und Befragungsmüdigkeit zu vermeiden.

Mehrere miteinander verknüpfte Feedbackformate wie Pulsbefragungen, umfangreichere Mitarbeiterbefragungen und anlassbezogenes Instant Feedback ermöglichen dabei ganz neue Formen der Partizipation. Oftmals werden sehr unterschiedliche Formate hinter diesen Begriffen verstanden, so dass hier eine kurze Abgrenzung vorgenommen wird, die allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt:

  • Pulsbefragungen sind sich in kürzeren Zyklen wiederholende organisationsweite Feedbackformate, die als Voll- oder Stichprobenbefragung die Perspektiven von Mitarbeitern einholen. Oftmals erfolgt die Erhebung quartalsweise oder zumindest mehrere Male pro Jahr. Dabei stehen üblicherweise nur wenige Fragen im Mittelpunkt, beispielsweise zwei bis zehn Fragen mit einem geschlossenen oder offenen Antwortformat.
  • Mitarbeiterbefragungen sind sich in größeren Zyklen wiederholende organisationsweite Feedbackformate, die in den meisten Fällen als Vollbefragung und seltener als Stichprobenbefragung durchgeführt werden. Die Erhebung erfolgt meistens einmal im Jahr oder seltener. Der Umfang der Befragung kann sich von 15 bis hin zu über 100 Fragen erstrecken, wobei in der letzten Zeit kürzere Varianten häufiger verwendet werden.
  • Instant Feedback ist ein anlassbezogenes und niedrigschwelliges Feedbackformat, das nur eine Frage in den Mittelpunkt stellt. Die Erhebung folgt deshalb nach keinen festen zeitlichen Zyklen, sondern kann abhängig von der jeweiligen Situation beliebig gestaltet werden. Durch den kurzen Umfang kann bereits nach wenigen Minuten oder Stunden mit ersten Ergebnissen gearbeitet werden, beispielsweise im Rahmen einer Mitarbeiterversammlung oder einer Vorstandssitzung.

Die Differenzierung moderner Feedbackformate kann zusätzlich nach der Initiierung und dem Umfang von Folgeprozessen erfolgen. Moderne Feedbackformate zeichnen sich immer stärker durch Selbststeuerung bei der Initiierung aus. Folgende Beispiele verdeutlicht das Prinzip der Selbststeuerung, das eine moderne Feedbacklandschaft auszeichnet:

  • Eine Führungskraft kann beispielsweise zu einem beliebigen Zeitpunkt ein Stimmungsbild des eigenen Bereichs per Instant Feedback zu einer einzelnen Frage einholen, die gerade hohe Relevanz hat.
  • Ergänzend wird in jedem Quartal ein zentralisiert von der Personalabteilung gesteuerter Kulturcheck in Form einer Pulsbefragung im gesamten Unternehmen durchgeführt, um einen laufenden Kulturwandel zu begleiten und damit zusammenhängende Fortschritte sichtbar zu machen.
  • Darüber hinaus kann die Führungskraft mit Mini-Mitarbeiterbefragungen auf Basis mehrerer Fragen zu einem einzelnen aktuellen Thema Veränderungsprozesse innerhalb des eigenen Bereichs begleiten.
  • Über alle Feedbackformate hinweg stehen digitale Assistenten zur Verfügung, um Folgeprozesse zu dokumentieren und die Ergebnisse in echte Veränderungen zu übersetzen. Bei dem quartalsweise durchgeführten Kulturcheck stehen Folgeprozesse in den einzelnen Teams weniger im Mittelpunkt als bei Mini-Mitarbeiterbefragungen und Instant Feedback, da hier immer konkrete Maßnahmen oder Entscheidungen aus den Feedbackprozessen resultieren sollten, damit die Feedbacklandschaft langfristig etabliert werden kann.

Ernsthafte Partizipation im digitalen Zeitalter erfordert Feedback auf Augenhöhe

Ernsthafte Partizipation im digitalen Zeitalter bedeutet nicht automatisch, dass sich ein Unternehmen in eine demokratische Richtung entwickeln muss. Ernsthafte Partizipation erfordert aber in jedem Fall ein Umdenken, da Partizipation immer Augenhöhe voraussetzt. Wenn Augenhöhe als handlungsleitendes Prinzip bei der Weiterentwicklung von traditionellen Mitarbeiterbefragungen hin zu mitarbeiterorientierten Feedbacklandschaften genutzt wird, dann kann Partizipation aktiv gelebt werden. Technologie und Automatisierung spielen dabei zweifellos eine große Rolle, doch die größte Herausforderung ist die Haltung aller Beteiligten und der kulturelle Wandel, der Ausgangspunkt und Zielsetzung zugleich darstellt.

Ein professionelles Porträtfoto eines Mannes mit Brille und kurzen lockigen Haaren auf der linken Seite. Rechts steht: „Prof. Dr. Simon Werther, Diplom-Psychologe, Gründer der HRinstruments GmbH und Professor für Innovationsmanagement an der Hochschule der Medien Stuttgart.“

 

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