Insolvenz: Wichtige Aufgaben für HR
Die Vorhersagen sind dunkel: Die Zahl der Insolvenzen in Deutschland wird sich 2020 im Vergleich zu den Vorjahren dramatisch erhöhen. Wie stark genau, vermag noch niemand zu sagen. Doch die Prognosen zeigen, dass ein für HR bisher eher exotisches Thema durchaus relevant werden kann. Wir geben Hinweise, was im Falle eines Falles zu tun ist.

Sonderfall freiwillig krankenversicherte Arbeitnehmer
Viele Betriebe übernehmen auch die Abführung der Krankenversicherungsbeiträge für freiwillig Versicherte. Trotzdem bleibt Beitragsschuldner letztlich der Beschäftigte. Zahlt der Arbeitgeber nicht, kommt die Krankenkasse auf ihren Versicherten zu und fordert die Beiträge dort ab – obwohl seine Beitragshälfte ja schon vom Arbeitgeber einbehalten wurde. Das kann aber durchaus einige Monate später geschehen, nämlich wenn die Krankenkasse zu der Einschätzung gelangt, dass vom Arbeitgeber nichts mehr zu holen ist.
Es gibt allerdings Corona-bedingt aktuell Einschränkungen bei dieser Praxis. So sollen ab sofort die Beitragsmonate ausgenommen werden können, in denen der Arbeitgeber noch Arbeitsentgelt gezahlt und davon Beitragsanteile abgezogen hat, ohne diese aber an die Krankenkasse abzuführen. Auf diese Weise soll eine doppelte Beitragsbelastung der freiwilligen Mitglieder für diese Zeiträume ausgeschlossen werden. Das Mitglied soll Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge nur für die Zeit (nach)zahlen, für die kein Arbeitsentgelt gezahlt, keine Beiträge einbehalten und kein Gesamtbeitrag vom Arbeitgeber abgeführt wurde.
Es handelt sich dabei aber nur um eine Empfehlung des GKV-Spitzenverbandes. Ob die einzelne Krankenkasse auch so verfährt, ist nicht sicher. Deshalb hilft nur frühzeitige Ehrlichkeit gegenüber den Mitarbeitern. Das Unternehmen sollte deshalb den Beitragseinzug für diesen Personenkreis sofort einstellen, den Beschäftigten und die Krankenkasse darüber informieren – und natürlich dann den Arbeitgeberanteil an den Mitarbeiter auszahlen.
Vor der Insolvenz
Neben der Buchhaltung sind die Mitarbeiter im HR-Bereich meist die ersten, die von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens erfahren. Spätestens dann, wenn der Chef anweist, die Gehaltszahlungen ein paar Tage hinauszuzögern, Überweisungen an Finanzamt und Krankenkassen nicht mehr pünktlich rausgehen.
Bei allen Versuchen, das Unternehmen doch noch zu retten, spielt der Personalbereich eine wichtige Rolle. Denn in vielen Unternehmen sind die Personalkosten der maßgebende Faktor. Andererseits sind Einsparungen an dieser Stelle nicht immer einfach zu realisieren. Trotzdem gibt es einige mögliche Maßnahmen wie Kurzarbeit, Verzicht auf übertarifliche, nicht vertraglich gesicherte Zahlungen, vorübergehende Arbeitszeitabsenkungen usw. Leider sind in der Praxis noch immer Kündigungen das probate Mittel – mit allen Folgen für die Zukunft, wenn dann die Fachkräfte fehlen. Zudem wirken Kündigungen vergleichsweise langsam (Kündigungsfristen, Kündigungsverbote) und führen oft zu Verfahren vor den Arbeitsgerichten – mit unsicherem Ausgang.
Es liegt an HR, Alternativen zu vorschnellen Kündigungen aufzuzeigen und durchzurechnen und der Unternehmensleitung entsprechende Vorschläge zu machen.
Tipp:
Zahlungsverzug kann viel Geld kosten – insbesondere bei Finanzamt und Krankenkassen. So betragen die Säumniszuschläge bei den Krankenkassen 1 Prozent der Beitragsschuld – selbst wenn die Zahlung nur wenige Tage verspätet eingeht. Vermeiden kann man das mit einem rechtzeitigen Stundungsantrag – auch wenn die vereinfachten Verfahren wegen der Corona-Krise ausgelaufen sind.
Wenn nichts mehr hilft …
Kommt es letztlich doch zur Insolvenz, ist eine intensive Zusammenarbeit von HR mit dem Insolvenzverwalter erforderlich. Je nach Verfahren wird dieser nämlich zumindest für einen Teil der (Weiter-)Beschäftigten zum Arbeitgeber. Dann sind Ummeldungen bei den Krankenkassen erforderlich. Hierfür gibt es spezielle Meldegründe.
Die Mitarbeiter müssen nicht nur über die Insolvenz informiert werden (das ist eigentlich Aufgabe der Unternehmensleitung), sondern auch über das weitere Vorgehen aufgeklärt werden. Dazu gehört der Anspruch auf Insolvenzausfallgeld (Ausschlussfrist von zwei Monaten beachten!), genauso wie die Verpflichtung zur sofortigen Arbeitslosmeldung. Wichtig: Ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelten besondere Kündigungsfristen.
Besteht eine Regelung zur flexiblen Arbeitszeit, muss die Auszahlung angesparter Zeiten veranlasst werden. Soweit diese gegen Insolvenz abgesichert sind, muss der entsprechende Vertragspartner informiert werden.
Wer hält die Fahne bis zum Ende hoch?
HR! Einige Insolvenzverwalter arbeiten von Beginn an nur mit eigenen Kräften. Oft bleiben die Aufgaben aber bei den bisher zuständigen Mitarbeitern im HR-Bereich und werden dann auf Veranlassung und Weisung des Insolvenzverwalters ausgeführt.
Im Einzelfall ist zu klären, ob dies im Rahmen des bisherigen Beschäftigungsverhältnisses geschieht oder es zu einer – ggf. befristeten – Beschäftigung beim Insolvenzverwalter kommt. Die Kenntnisse der Personaler über das Unternehmen und insbesondere über die Mitarbeiter sind für den Insolvenzverwalter außerordentlich wichtig. Dabei geht es beispielsweise um die Auswahl der zu entlassenden Mitarbeiter, besonderen Kündigungsschutz, tarifvertragliche Regelungen oder die Umsetzung eines Sozialplans. So kann der HR-Bereich mit seiner Arbeit dazu beitragen, dass das Unternehmen im Rahmen des Insolvenzverfahrens saniert werden kann und so zumindest ein Teil der Arbeitsplätze gerettet werden kann.
Jürgen Heidenreich