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Nachweispflichten für Arbeitgeber verschärft : Compliance Management

Die neue „Arbeitsbedingungen-Richtlinie“ verfolgt das Ziel, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Sie soll eine transparente und vorhersehbare Beschäftigung fördern und zugleich die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarkts gewährleisten. Die Neuerungen kommen sehr kurzfristig auf Arbeitgeber zu.

Lesezeit 5 Min.

Arbeitsbedingungen-Richtlinie: Maßnahmen

Der Bundestag hat am 23.06.2022 den Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 20.06.2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union gebilligt.

Das Gesetz hat am 09.07.2022 den Bundesrat passiert und wird bereits am 01.08.2022 in Kraft treten. Nun müssen die Arbeitgeber bis zum 31.07.2022 bei fast allen bestehenden Musterarbeitsverträgen und bis August bei allen bestehenden Arbeitsverträgen handeln. Das Ziel der Arbeitsbedingungen-Richtlinie soll durch eine erhebliche Erweiterung der Unterrichtungspflichten des Arbeitgebers über die wesentlichen Aspekte des Arbeitsverhältnisses sowie die Anwendung auf sämtliche Arbeitsverhältnisse erreicht werden.

Tabelle compliance Management
Tabelle compliance Management

Das führt zu umfassenden Änderungen im Nachweisgesetz (NachwG), wie die Festlegung von Mindestanforderungen an die Arbeitsbedingungen in Bezug auf die Höchstdauer einer Probezeit, Mehrfachbeschäftigung, Mindestvorhersehbarkeit der Arbeit, Ersuchen um einen Übergang zu einer anderen Arbeitsform sowie Pflichtfortbildungen.

Neben dem NachwG wird es auch in weiteren Gesetzen Änderungen geben, beispielsweise im Berufsbildungsgesetz (BBiG), im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), im Arbeitnehmerentsendegesetz (AentG), in der Gewerbeordnung (GewO) sowie im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). In der GewO ist vorgesehen, dass Mitarbeitenden keine Fortbildungskosten auferlegt werden dürfen, wenn der Arbeitgeber gesetzlich oder aufgrund kollektivrechtlicher Regelungen verpflichtet ist, diese Fortbildungen anzubieten. Im Übrigen sollen die Fortbildungen während der regelmäßigen Arbeitszeit durchgeführt werden.

Bußgelder bei Verstößen gegen die Bestimmungen

Bereits nach dem bisher geltenden Nachweisgesetz sind Arbeitgeber verpflichtet, spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses alle wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich festzuhalten und den Mitarbeitenden auszuhändigen.

Zu den wesentlichen Vertragsbedingungen zählen hier Name und Anschrift der Vertragsparteien, der Tätigkeitsbeginn, bei Befristungen die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses, der Arbeitsort, eine Tätigkeitsbeschreibung, die Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts und sonstiger Entgeltbestandteile (Prämien, Zulagen, Zuschläge etc.), die vereinbarte Arbeitszeit, die Dauer des Erholungsurlaubs, die Kündigungsfristen sowie der Hinweis auf bestehende kollektivrechtliche Vereinbarungen. In vielen Fällen wird ein schriftlicher Arbeitsvertrag verfasst. Wenn dies nicht geschieht, so führte das bislang zu keinen Sanktionen. Mit den neuen gesetzlichen Bestimmungen werden Verstöße gegen die Pflicht zur schriftlichen Niederlegung der wesentlichen Vertragsbedingungen als Ordnungswidrigkeit gewertet, die mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 2.000 Euro versehen werden kann.

Die Änderungen im NachwG

Im NachwG kommt es zu den folgenden Neuerungen: Bei befristeten Arbeitsverhältnissen ist das Enddatum anzugeben, wenn eine Zeitbefristung vereinbart ist. Bei der Vereinbarung von mobiler Arbeit ist anzugeben, dass die Mitarbeitenden ihren Arbeitsort frei wählen können. Zu dokumentieren ist die Dauer der vereinbarten Probezeit. Die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts (Grundvergütung, etwaige Zuschläge, Sonderzahlungen, Zulagen, Prämien etc.) müssen nun getrennt angegeben werden.

compliance
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Neben der vereinbarten Arbeitszeit müssen auch festgelegte Ruhepausen und -zeiten sowie bei Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und die Voraussetzungen für eine Schichtänderung aufgeführt werden. Bei Arbeit auf Abruf müssen die Vereinbarung zur Arbeit auf Abruf, die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden, der Zeitrahmen der Erbringung der Stunden sowie die diesbezügliche Ankündigungsfrist für den Arbeitgeber angegeben werden. Schriftlich festzuhalten ist die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden sowie deren Voraussetzungen. Etwaige Ansprüche auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildungen müssen festgehalten werden.

Tabelle compliance Management 2
Tabelle compliance Management 2

Ferner muss das bei Kündigungen einzuhaltende Verfahren schriftlich festgehalten werden. Hierzu zählen Angaben zum Schriftformerfordernis einer Kündigung, die Kündigungsfristen sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage.

Strenges Schriftformerfordernis und verkürzte Fristen

Für den Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen besteht also weiterhin ein strenges Schriftformerfordernis (Papierform mit Unterschrift im Original). Die elektronische Form ist gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 NachwG ausgeschlossen, obwohl die EU-Arbeitsbedingungen-Richtlinie die elektronische Form zulässt. Bestimmte Vertragsbedingungen müssen dem Arbeitnehmer spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung als Niederschrift ausgehändigt werden (Vertragsparteien, Arbeitsentgelt und -zeit).

Wegen der anderen Pflichtangaben muss die Übergabe der Niederschrift eine Woche bzw. einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses erfolgen. Ändert sich nach Vertragsbeginn eine wesentliche individualvertragliche Bestimmung, muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer diese Änderung künftig spätestens an dem Tag schriftlich mitteilen, an dem sie wirksam wird. Bei mehr als vierwöchiger Auslandstätigkeit muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Niederschrift vor der Abreise aushändigen.

Sonderfall: Betriebliche Altersversorgung

Bei Erteilung einer Versorgungszusage im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung (bAV) sind der Name und die Anschrift des Versorgungsträgers aufzuführen, es sei denn, der Versorgungsträger ist zu dieser Information verpflichtet. Es müssen auch einzelne Leistungshöhen und Fälligkeiten getrennt nach Zusagen angegeben werden. In dieser Hinsicht lässt das Gesetz viele Fragen offen, die von den Unternehmen in der betrieblichen Praxis zu klären sind.

Sonderfall: Kollektivrechtliche Bestimmungen

Arbeitgeber, die ihre betriebliche Altersversorgung in Tarifverträgen, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen geregelt haben, erfüllen die erweiterten Informationspflichten durch einen Hinweis auf die kollektivrechtliche Regelung. Bei Individual- und Gesamtzusagen sind nachträgliche Änderungen der Pläne und auch individueller Teilnahme- und Auswahlentscheidungen der Mitarbeitenden relevant. Jede maßgebliche Änderung muss den jeweils betroffenen Beschäftigten auch hier spätestens an dem Tag schriftlich mitgeteilt sein, ab dem sie gelten soll. Das alleinige Aushängen von ändernden Gesamtzusagen am Schwarzen Brett genügt nicht.

Sonderfall: Arbeitnehmerüberlassung und Befristung

Die wichtigste Änderung im AÜG bzw. TzBfG besteht darin, dass Arbeitgeber nun gehalten sind, Leiharbeitskräften und befristet eingestellten Arbeitskräften, die in Textform den Wunsch zur Übernahme bzw. der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als unbefristetes Arbeitsverhältnis äußern, innerhalb eines Monats nach Zugang dieser Anzeige ebenfalls in Textform eine begründete Antwort mitzuteilen. Zudem muss eine vereinbarte Probezeit in einem befristeten Arbeitsverhältnis im Verhältnis zur erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen.

Fazit und Handlungsempfehlungen

Altverträge müssen zwar nicht angepasst werden, doch ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Mitarbeitenden auf Verlangen innerhalb von sieben Tagen die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich auszuhändigen. Die bestehenden Musterarbeitsverträge sind ab Inkrafttreten zügig anzupassen. Es ist zu befürchten, dass Arbeitsverträge künftig noch umfassender und aus Sicht der Mitarbeitenden noch schwerer verständlich sein werden. Arbeitgeber müssen nun umgehend ihre Muster-Arbeitsverträge einem Vertragscontrolling unterwerfen. Diese sind mit der aktuellen Rechtslage abzugleichen und im Bedarfsfall anzupassen.

Handlungsbedarf für Arbeitgeber

Sofern Arbeitgeber nicht alle nach dem NachwG zwingend erforderlichen Angaben in den Arbeitsvertrag aufnehmen oder den Arbeitsvertrag nicht in Schriftform abschließen wollen, ist dem Mitarbeitenden eine gesonderte und im Original unterzeichnete Niederschrift über diese Vertragsbedingungen auszuhändigen. Der Arbeitgeber hat zu Beweiszwecken mindestens eine (elektronische) Kopie des dem Mitarbeitenden ausgehändigten, im Original unterzeichneten Arbeitsvertrags bzw. der Niederschrift aufzubewahren. Die Kopie sollte eine Empfangsbestätigung des Mitarbeitenden enthalten, wonach der Mitarbeitende bestätigt, das Dokument im Original erhalten zu haben.

Raschid Bouabba, MCGB GmbH

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