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Im Blick: Sozialversicherungsrecht (Ausgabe 5/2022)

Lesezeit 6 Min.

Minijobreform

Ab 01.10.2022 wird manches anders

Endlich, nach langjähriger Diskussion, werden die Minijobs reformiert. Hintergrund ist die Erhöhung des Mindestlohns ab Oktober 2022 auf 12 Euro. Diese – nicht unumstrittene – Maßnahme hat dazu geführt, dass der Gesetzgeber das Thema Minijobs unbedingt anfassen musste. Sonst wäre nämlich die mögliche Stundenzahl für Minijobber weiter abgesunken und diese Beschäftigungsart letztlich uninteressant geworden.

Die Änderungen im Einzelnen:

  • Die Entgeltgrenze für Minijobs wird von bisher 450 Euro monatlich auf 520 Euro angehoben.
  • Damit ist eine wöchentliche Beschäftigung von bis zu zehn Wochenstunden möglich (12 Euro x 10 Stunden = 120 Euro; 120 Euro x 13 Wochen / 3 Monate = 520 Euro).
  • Die zehn Wochenstunden sind zugleich der Basiswert für künftige Anpassungen. Wird der Mindestlohn weiter angehoben, steigt parallel auch die Entgeltgrenze für Minijobs – immer basierend auf den zehn Wochenstunden.
  • Ein gelegentliches Überschreiten ist weiterhin unschädlich, allerdings sind die Voraussetzungen dafür eingeschränkt. Dies ist maximal zweimal innerhalb eines Zeitjahres möglich. Wird die Entgeltgrenze also im November 2023 überschritten, so ist zu prüfen, ob im Zeitraum seit 01.12.2022 die Grenze bereits mehr als einmal überschritten wurde.
  • Das gelegentliche Überschreiten ist nun auch – anders als bisher – in der Höhe begrenzt. In den beiden Kalendermonaten darf die Überschreitung höchstens in Höhe der Geringfügigkeitsgrenze erfolgen, maximal also 1.040 Euro betragen.
  • Beibehalten wurde die Notwendigkeit des unvorhergesehenen Überschreitens. Kommt es also beispielsweise durch eine Urlaubsvertretung zum Überschreiten, wird dies in der Regel nicht als „unvorhersehbar“ gelten.

Übergangsregelung

Für Personen, deren Entgelt zwischen 450 Euro und 520 Euro monatlich liegt und die deshalb nach bisherigem Recht versicherungspflichtig sind, gibt es einen Bestandsschutz. Sie bleiben in der Kranken- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig, solange ihr Entgelt die bisherige Grenze von 450 Euro übersteigt. Ausnahme: Es entsteht ein Anspruch auf Familienversicherung – auch hier wird die Entgeltgrenze nämlich erhöht und an die neue Einkommensgrenze für Minijobs angepasst.

Die Übergangsregelung ist befristet bis zum 31.12.2023. Die Betroffenen können sich auf Antrag von der Krankenversicherungspflicht befreien lassen. Der Antrag ist bis zum 31.12.2022 bei der zuständigen Krankenkasse zu stellen.

Auch in der Arbeitslosenversicherung bleibt für den genannten Personenkreis die Versicherungspflicht erhalten. Auch hier besteht die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht. Wird der Antrag innerhalb von drei Monaten gestellt (also bis Ende 2022), wirkt er auf den 01.10.2022 zurück. Bei einem späteren Antrag (hier gilt keine Ausschlussfrist wie in der Krankenversicherung) wirkt die Befreiung vom Beginn des auf den Antrag folgenden Monats. Zuständig ist hier die Agentur für Arbeit.

Sozialversicherungsrecht 2022-5
Sozialversicherungsrecht 2022-5

Neues auch bei Midijobs

Der sogenannte sozialversicherungsrechtliche Übergangsbereich (früher Gleitzone) – auch Midijobs genannt – wird im Zuge der Reform ebenfalls angepasst. Zunächst wird der Entgeltbereich der Minijobs erweitert: 520,01 Euro bis 1.600 Euro. Die entsprechende Formel zur Umrechnung des tatsächlichen auf das beitragspflichtige Entgelt wird angepasst

Gleitzonenentgelt = F × 520 + ((1600/(1600-520)) − (520/(1600-520)) × F) × (Monatsbrutto – 520)

(Dabei ist AE das Arbeitsentgelt in Euro und F der Faktor, der sich berechnet, indem der Wert 28 Prozent geteilt wird durch den Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz des Kalenderjahres, in dem der Anspruch auf das Arbeitsentgelt entstanden ist.)

Der Faktor F wird künftig nicht mehr aus 30 Prozent Sozialversicherungsbeitrag (13 Prozent KV, 15 Prozent RV und 2 Prozent pauschaler Lohnsteuer) berechnet, sondern aus 28 Prozent (die Berücksichtigung der Pauschalsteuer entfällt).

Für die Zeit vom 01.10.2022 bis zum 31.12.2022 wird der Faktor F im Gesetz festgelegt mit 0,7009.

Weitere Neuerung: Der Anteil des Arbeitnehmers (AN) an den Beiträgen wird verringert. Die Arbeitnehmerbeiträge werden anhand einer neuen Formel berechnet. Das dabei zugrunde zu legend Arbeitnehmerentgelt ist niedriger als das allgemeine Gleitzonenentgelt.

Die neue Formel lautet:

Gleitzonenentgelt AN = (1.600/(1.600 – 520)) × (AE – 520)

So beträgt das Gleitzonenentgelt eines Arbeitnehmers bei einem Bruttoentgelt von 600 Euro nur 118,52 Euro. Der daraus resultierende Beitrag wird vom aus dem allgemeinen Gleitzonenentgelt berechneten Beitrag abgezogen. Der verbleibende Differenzbetrag stellt den Arbeitgeberanteil an den Beiträgen dar.

Durch diese Berechnungsweise wird der Arbeitnehmer beim Übergang vom Minijob zur versicherungspflichtigen Beschäftigung entlastet, der Arbeitgeber trägt einen höheren Anteil an den Beiträgen als bisher. Durch diese Formel sind die Verringerung des beitragspflichtigen Entgelts und die Entlastung des Arbeitnehmers zu Beginn des Übergangsbereichs größer. Das ändert sich, je dichter das erzielte Entgelt an die Grenze von 1.600 Euro herankommt.

Tipp: Natürlich können Sie anhand der Formeln die Beiträge und die Beitragsverteilung selbst errechnen. Es empfiehlt sich aber die Nutzung des Entgeltabrechnungsprogramms oder eines Gleitzonenrechners, wie er von vielen Krankenkassen und anderen Institutionen im Internet angeboten wird.

Sozialversicherungsrecht 2022-5-2
Sozialversicherungsrecht 2022-5-2
coronavirus
coronavirus

Übergangsregelung

Auch beim Übergangsbereich gibt es eine Übergangsregelung, und zwar für die Personen, für die die Übergangsregelung für Minijobs (s. o.) gilt. In diesen Fällen wird weiterhin die bisherige Formel für die Umrechnung angewandt. Hier wird der Faktor F für die Zeit bis zum 31.12.2022 mit 0,7509 festgelegt. Für 2023 wird der Faktor neu berechnet, in den Übergangsfällen weiterhin aus 30 Prozent Sozialversicherungsbeitrag, also anhand der bisherigen Regelung.

Kurzarbeitergeld

Corona und kein Ende?

Die aufgrund der Corona-Pandemie eingeführten Sonderregelungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld sind größtenteils zum 30.06.2022 ausgelaufen. Dazu gehören insbesondere:

  • die Erstattung der auf das Kurzarbeitergeld entfallenden Sozialversicherungsbeiträge,
  • die Einbeziehung von Leiharbeitnehmern in das Kurzarbeitergeld,
  • die Verlängerung der Bezugsdauer auf 28 Monate (für neue Fälle gilt wieder die gesetzliche Regelung von 12 Monaten).
  • Das Kurzarbeitergeld beträgt wieder 60 beziehungsweise 67 Prozent des entgangenen Nettoentgelts.
  • Minijobs, die neben der Kurzarbeit ausgeübt werden, werden wieder auf die Höhe der Zahlung angerechnet.

Bis zum 30.09.2022 wurde nur zwei Regelungen verlängert:

  • für Anträge auf Kurzarbeit müssen weiterhin nur 10 Prozent der Arbeitnehmer vom Arbeitsausfall betroffen sein (regulär sind es 30 Prozent),
  • auch weiterhin müssen vor dem Bezug von Kurzarbeitergeld keine negativen Arbeitszeitsalden aufgebaut werden.

Ob und welche Maßnahmen ab Herbst gegebenenfalls wieder ergriffen werden müssen, bleibt abzuwarten.

Neue Version von sv.net

Für sv.net ist seit 01.07.2022 eine neue Version (22.2.0) verfügbar. Neben einigen technischen Optimierungen ist insbesondere das Verfahren rvBEA, also der elektronische Austausch von Unterlagen zwischen Arbeitgebern und der Deutschen Rentenversicherung, angepasst worden. Ab Juli 2022 darf nur noch die neue Version verwendet werden. Wer die Browserversion sv.net/standard nutzt, muss sich um nichts kümmern, die neue Version wird automatisch zur Verfügung gestellt. Für die Desktopversion sv.net/comfort sind ein Download und die Installation auf dem Rechner erforderlich.

Zu viel gezahlte Beiträge werden von der Minijobzentrale automatisch erstattet

Es kann immer wieder mal passieren: Der Beitragsnachweis geht nicht rechtzeitig bei der Einzugsstelle ein und die Beiträge werden dann geschätzt. Dieser Betrag wird dann auch im Lastschriftverfahren eingezogen. Natürlich wird das Beitragssoll dann korrigiert und mit der nächsten Zahlung verrechnet. Alternativ kann der Arbeitgeber einen Erstattungsantrag stellen und bekommt den überzahlten Betrag dann schneller zurück. Das ist trotzdem ärgerlich und auf jeden Fall mit Arbeitsaufwand verbunden.

Die Minijobzentrale als Einzugsstelle für die Beiträger der Minijobber geht jetzt einen anderen Weg und bietet einen neuen Service an. Schon seit Juni 2022 werden die zu viel entrichteten Beiträge automatisch und sofort (nach Korrektur) zurücküberwiesen. Eines Antrags bedarf es nicht mehr. Voraussetzungen:

  • Das Beitragskonto war vor dem Nachreichen des Beitragsnachweises ausgeglichen, geklärt und die Meldungen zur Sozialversicherung liegen vor.
  • Das Guthaben beträgt mehr als einen Euro, aber nicht mehr als 400 Euro.
  • Der Minijobzentrale wurde ein SEPA-Lastschriftmandat erteilt.

Arbeitgeber, die – aus welchen Gründen auch immer – eine solche sofortige Erstattung nicht möchten, können dies der Minijobzentrale formlos mitteilen. Dann wird das Arbeitgeberkonto entsprechend gekennzeichnet.

Jürgen Heidenreich

Sozialversicherungsrecht 2022-5-3
Sozialversicherungsrecht 2022-5-3

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