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New Work : (Un-)dressed for Success? Tschüss Kleidervorschrift!

New Work krempelt so langsam auch unsere Business-Kleiderordnung ordentlich um. Wird hier bald völlig tabulos (fast) alles möglich sein? Mit Hashtags wie „#greatplacetowork“ feiern Arbeitende die Freiheit, dass kurze Hosen nicht mehr automatisch für Unprofessionalität stehen. Und sie gehen sogar so weit zu sagen: Kleider machen eben nicht immer bzw. nicht länger Leute.

Lesezeit 6 Min.

Der Haupttenor der Social-Media-Debatte zum Thema Dresscode bei der Arbeit mit zahl- und wortreichen Befürwor­tern lautet: Erlaubt sein soll, worin man sich schlichtweg wohlfühlt. Wie sich anhand von unterschiedli­chen Ausführungen hierzu zeigt, ist dies allerdings noch ein weites Feld der Auslegungen – so sehr auch viele im „Fallen der Hüllen“ ein absolutes und wegweisendes Symbol des New-Work-Spirits sehen, an dem früher oder später kein Unternehmen vorbei­kommen wird. Der „War for Talents“ wird das schon alles von selbst regeln, tönt da der eine oder die andere „sie­gessicher“. Arbeiten, wo man will, und einfach anziehen, was man will, das seien die angesagten Obstkörbe, Ki­ckertische und Kanutrips von morgen. Was werden oder sollten wir dann vielleicht doch lieber an- bzw. beibe­halten?

Da wäre sogar der Hund drauf gekommen?

In dieser Debatte fehlte es gefühlt an nichts, was man an Argumenta­tionsgrundlage heranziehen könnte, genauso wenig wie an absoluten Mei­nungssicherheiten. Da gab es pauscha­lierte Aussagen, dass bei Hitze keine lange Kleidung tragen wolle, als ob wirklich jeder Arbeitende beschlos­sen bzw. bereits zugestimmt hätte, ab einer gewissen Temperatur Bein zei­gen zu wollen. Führungskräfte wer­den angehalten, vom Hund zu lernen, dem das Äußere immer egal sei – ap­pelliert wurde an Werte wie Haltung, Vertrauen oder Verlässlichkeit, wobei nicht ganz klar war, in welcher Korre­lation, klare Führung zu kürzer und leichter werdender Bekleidung und le­gerer anmutender Stile werden.

(Un-)dressed for Success-min
(Un-)dressed for Success-min

Vom neuen Kleidungskommunismus der Beliebigkeit?

Fast scheint es so, als sei die (kurze) Jogginghose, für alle das neue Symbol, das uns vereint, frei machen könnte – und auch gleich. Hinzu gesellte sich das Bild vom glückseligen Mitarbeiter, der seine dadurch neue gewonnene Energie gleich in Produktivität oder Kreativität umwandeln wird, sobald ihm die Befreiung vom „bösen Dresscode)“ein besseres Gefühl beschert werden wird. Da fragt keiner, ob nicht die Gefahr besteht, Bequemlichkeit als gute Grundhaltung zu fördern.

Das wird in der Diskussion ebenso häufig vernachlässigt wie die Frage nach dem Zusammenhang von Sta­tus quo und Kleidung bzw. dem Statement von (teurer) Kleidung und deren Wirkung. Man hat beim Mitlesen das Gefühl, als seien sie nun gene­rell nicht mehr Teil unserer Kultur, die Anlässe, zu denen man sich noch fein machen müsste, wie fürs Ausge­hen oder zu Hochzeiten. Mal abgese­hen davon, dass teure Marken immer noch ein Mittel (und Muss) sind, um sich sozial abzugrenzen. So schien man im Eifer der Bekleidungsrevolu­tion etwa zu vergessen, dass Erschei­nungsbilder einfach Aussagen nach außen bleiben – denn auch sie können „nicht nicht kommunizieren“ und er­zeugen eigentlich immer ein Image.

Das wird sich auch bei allem New-Work-Wandel nicht ändern, ebenso wenig wie der erste (entscheidende) Eindruck. Man fühlt sich dabei zusätz­lich schon ein wenig in einer „Filter­blase“, wenn man sieht, dass Hinweise darauf, dass es in heißeren Ländern trotzdem üblich ist, sich weiterhin mehr zu bedecken, scheinbar unbe­merkt verpuffen. Bei der neuen Ent­grenzung der Kleidermoral scheint das Thema Globalisierung zu einer nach­geordneten Kleinigkeit geschrumpft zu sein.

Kompetenz schlägt Kleidungsstil?

Natürlich kann Inkompetenz nicht durch den Kleidungsstil kompen­siert werden. Und man macht grund­sätzlich keine schlechte Arbeit wegen einer unpassenden Kleidung. Das be­deutet aber auch nicht, dass man es generell „verteufeln“ darf, dass man trotzdem mit angemessener Klei­dung zum Unternehmen passen sollte – oder zu einer Branche bzw. zum Kunden. Man muss dieser ganzen Ent­wicklung sicher nicht zusätzlich die ganze Corporate Identity eines Unter­nehmens opfern.

Outfits oder Kleidungsstücke, die zu extrem einen persönlichen (privaten) Ausdruck von Gesinnungen oder Nei­gungen transportieren, dürfen durchaus Freizeitkleidung bleiben – sonst sieht man dann am Ende noch Toten­köpfe in der Gesundheitsbranche oder Ähnliches.

Nein, eine non-konformistische Be­kleidung ist nicht automatisch eine Missachtungsbekundung, aber es gibt sie, die Grenzen von Respekt und An­stand. Und auch Vorurteile werden bleiben, ob kurze Hose oder knap­pes Outfit. Und dann ist es eben auch die Frage, ob man alles tragen „kann“ – da muss man sich nichts vorma­chen. Hinzu kommt, dass es gar nicht immer so einfach ist, einen lässigen Look auch ordentlich erscheinen zu lassen, das muss man sich auch leisten können. Umso billiger die „kurze (Jog­ging-)Hose“, umso schneller sieht sie schluderig aus …

Keine Frage des Respekts mehr?

Die munteren Diskussionen erstreck­ten sich dabei nicht nur auf die Länge oder Schnitte. Die Plädoyers, dass alles erlaubt sein müsse, damit es kein böses Erwachen aufgrund veralteter Richtlinien geben wird, erstreckten sich dabei zusätzlich auf tragbare Far­ben, zulässige Schuharten und sogar darauf, ob eine gewisse Durchsichtig­keit bzw. Durchblicke dann lieber doch nur dem männlichen Geschlecht vor­behalten sein dürften.

Natürlich unterschieden viele – wenn auch nicht alle –, ob man im Kunden­kontakt steht oder nicht. Grundsätzlich hilft hier der gesunde Menschenver­stand schon, aber auch nicht missach­tet werden sollte die Tatsache, dass nicht jeder stilsicher ist, und das dann subtil zu klären und hier gekonnt und geschickt einzugreifen, könnte eine eindeutige Herausforderung für sich werden, wenn erst einmal die Parole raus ist, dass „alles geht“.

Die Respektfrage wird teils so gestellt, ob es nicht sogar prinzipiell so sein müsse, den anderen immer so zu re­spektieren, wie er sich kleiden wolle – denn sonst drohe Doppelmoral. Res­pekt sei keine „Einbahnstraße“, so das Argument. Ein Laissez-faire-Freifahrt­schein, der eindeutig in eine Richtung weist, dass hier nichts (mehr) erwartet werden soll. Dabei wird gerade mun­ter verdreht, was geht, und die Ar­beitskleidungswelt insgesamt ganz ordentlich auf Kopf gestellt.

Cultural (Miss-)Fit?

Dabei scheint es trotzdem jedem lo­gisch, die angemessene Grenze da zu ziehen, wo es die Hygiene erfordert. Es ist jedem klar, dass man im OP nicht im Strandoutfit erscheint. Gern wird zugunsten der geforderten Freiheiten mit dem „richtigen Mindset“ des Mit­arbeiters argumentiert, auf das es ein­zig ankäme. Aber schadet es wirklich so sehr, wenn man sich weiterhin „ein bisschen Mühe“ gibt, mit dem, was man trägt?

Denn dass so etwas ohnehin ordent­lich schiefgehen kann, weiß jeder, der sich schon einmal eine Hochzeit bzw. deren Gäste genau angesehen hat und damit das, was manche für schick, angemessen oder gut befinden. Und muss man nun wirklich so ausgiebig und verbal bildreich darüber diskutie­ren, was man anzieht, wenn’s keiner (im Homeoffice) sieht – und wie wenig das nach „New-Work-Nudismus-Kri­terien“ praktischerweise noch ist? Für solche Debatten und für die letzt­lich gewählte Business-Bekleidung sollte grundsätzlich unbedingt gelten: „Please – not too much information!“

Ganz klar: Wenn Kleider wirklich Leute machen würden, wäre es letzt­lich „Verkleidung“.

Mein Fazit

Dresscode ist (immer) das, was Du daraus machst! Cultural Fit geht dabei immer noch „an und auf die Wäsche“. „Lockerlassen“ kommt auch von oben und muss nicht nur authentisch sein oder sich auszah­len. Was nach außen geht und innen gelebt werden kann und darf, muss trotzdem überzeugen. Am Ende passt das, was sich dann auch gut anfühlt – natürlich mit Rücksicht auf die Branche und die Kunden bzw. Geschäftspartner.

Der eigentlich bereits stattgefun­dene Fortschritt ist der Kompro­miss-Komfort der klug gekonnten und gelebten Freiheiten der neuen Arbeitswelt. Wer „abwirft“, sollte es „elegant, eindrucksvoll und erfolg­versprechend tun“, und das darf sich dann gern auch entspannt(er) anfühlen.

Dr. Silvija Franjic, Onlineredakteurin + Jobcoach

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