Rechtssichere Entscheidungen : Homeoffice im Ausland
Wenn Grenzgänger im Ausland leben und im Homeoffice arbeiten, stellt sich die Frage, in welchem Land sie sozialversichert sind: im Wohnsitzland des Arbeitnehmers oder im Land des Arbeitgeberstandorts.
Wenn zum Beispiel Arbeitnehmer A in Bad Reichenhall wohnt und arbeitet, ist es einfach. Wohn- und Beschäftigungsort liegen jeweils in Deutschland – gleich deutsches Sozialversicherungsrecht (SV-Recht).
Was ist jedoch zu beachten, wenn der Arbeitnehmer zum Teil im Homeoffice arbeiten darf und mitteilt, dass er seinen Wohnsitz nach Salzburg verlegt hat? Welches SV-Recht kommt zum Tragen – deutsches oder österreichisches SV-Recht?
Der folgende Beitrag soll einen Überblick über die aktuelle Rechtslage geben.
Rechtsgrundlage
§ 3 Satz 1 Nr.1 Sozialgesetzbuch (SGB) IV regelt die Rechtsgrundlage: „Die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung gelten, soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs beschäftigt oder selbstständig tätig sind.“
§ 6 SGB IV regelt dann in der Folge die Ausnahme: „Regelungen des über-und zwischenstaatlichen Rechts bleiben unberührt.“
Zwischenlösung:

- Wenn eine Beschäftigung (nur) in Deutschland ausgeübt wird, gilt deutsches SV-Recht.
- Wenn eine Beschäftigung (nur) in Österreich ausgeübt wird, gilt österreichisches SV-Recht.
- Was gilt jedoch, wenn die Beschäftigung (hier Telearbeit vom Homeoffice aus Österreich und im Büro in Bad Reichenhall) in beiden Staaten ausgeübt wird?
Rechtslage bis zum 30.06.2023
In der Praxis musste schon immer zwischen
- einer Entsendung in einen anderen EU-Mitgliedstaat nach Artikel 12 Verordnung (EG) 883/04 und
- einer gewöhnlichen Erwerbstätigkeit in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten nach Artikel 13 Verordnung (EG) 883/04
unterschieden werden.
Entscheidend sind hierbei die Dauer der Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat (ob dauerhaft, kurzfristig, vorübergehender Art) und die Definition des Arbeitsorts im Arbeitsvertrag (Art. 14 Abs. 7 Verordnung (EG) 987/2009). Welche Rechtsvorschriften zur Anwendung kommen, regeln insbesondere die Artikel 11 bis 13 und 16 der Verordnung (EG) 883/2004. Einzelheiten zur Durchführung des Verfahrens ergeben sich aus Artikel 14, 16 und 18 bis 21 der Verordnung (EG) 987/2009.
Danach gilt:
Wenn sich das Einsatzgebiet einer Beschäftigung bei einem Arbeitgeber auf zwei oder mehr EU-Mitgliedstaaten erstreckt (zum Beispiel Kraftfahrer, Kundendienstmitarbeiter, Bauarbeiter in Grenzregionen etc.)

- gelten grundsätzlich die Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaates, wenn dort ein wesentlicher Teil der Beschäftigung ausgeübt wird (Art. 13 Abs. 1 Buchst. a Verordnung (EG) 883/2004).
- Von einem wesentlichen Teil ist im Rahmen einer Gesamtbewertung im Regelfall auszugehen, wenn die Arbeitszeit und/oder das Arbeitsentgelt mindestens einen Anteil von 25 Prozent ausmachen.
- Anderenfalls ist für die anzuwendenden Rechtsvorschriften der Sitz des Arbeitgebers entscheidend.
Rechtslage seit dem 01.07.2023
Seit dem 01.07.2023 existiert eine neue multilaterale Rahmenvereinbarung zur Regelung von Homeoffice- Fällen (Telearbeit) im Ausland auf Grundlage von Artikel 16 Absatz 1 Verordnung (EG) 883/04.
Telearbeit heißt, dass Tätigkeiten regelmäßig und dauerhaft in der häuslichen Umgebung im Wohnstaat (außerhalb von Deutschland) ausgeübt werden.
- Danach sind die Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit des Staates anzuwenden, in dem der Arbeitgeber ansässig ist oder dessen Betriebsstätte liegt.
Dies gilt, sofern eine entsprechende Vereinbarung im Interesse der Beteiligten liegt und eine Ausnahmevereinbarung bei der Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (DVKA) beantragt wird, kein dritter Staat involviert ist und die Telearbeit im Wohnstaat weniger als 50 Prozent (anstatt der sonst geltenden 25 Prozent) der gesamten Beschäftigung ausmacht.
Derzeit haben sich folgende Länder dieser Rahmenvereinbarung angeschlossen:
Belgien, Deutschland, Tschechien, Irland, Spanien, Kroatien, Italien, Litauen, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Slowenien, Slowakei, Finnland, Schweden, die Schweiz, Liechtenstein.
Beispiel: Der in Bad Reichenhall beschäftigte Arbeitnehmer A mit Wohnsitz in Salzburg kann gewöhnlich bis zu 45 Prozent seiner Arbeitsleistung (entsprechend der arbeitsvertraglichen Regelung) in Österreich (und 55 Prozent in Deutschland) erbringen.
Lösung: Es gilt (wenn beantragt) weiter das deutsche SV-Recht (da im Ausland weniger als die Hälfte tätig).
Wichtig: Die Anwendung dieser Rahmenvereinbarung kann jedoch höchstens für drei Jahre beantragt werden und muss anschließend verlängert werden.
Geltungsbereich des Abkommens
Der Anwendungsbereich der multilateralen Rahmenvereinbarung ist auf den Personenkreis der „klassischen“ beschäftigten Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die in der Regel vor der Ausweitung der Telearbeit im Büro ihres Arbeitgebers im anderen Staat gearbeitet haben, zugeschnitten worden. Die Vereinbarung sollte möglichst einfach gehalten werden, um vielen Mitgliedstaaten eine Unterzeichnung zu ermöglichen.
Sie gilt daher nicht für Personen, die
- im Wohnstaat gewöhnlich eine andere Tätigkeit als grenzüberschreitende Telearbeit ausüben und/oder
- gewöhnlich eine Tätigkeit außerhalb des Wohnstaats bzw. des Staates ausüben, in dem der Arbeitgeber ansässig ist (bspw. in einer Niederlassung in einem anderen Staat).
Zudem gilt sie nicht für Personen, die selbstständig sind. Auch Beamte bzw. Beschäftigte bei in Deutschland ansässigen öffentlichen Arbeitgebern sind nicht erfasst von der multilateralen Rahmenvereinbarung.
Beantragung
Da es sich um einen Antrag auf eine Ausnahmevereinbarung handelt, ist er in dem Staat zu stellen, dessen SV-Recht nach der Rahmenvereinbarung gelten soll. Liegt der Arbeitgebersitz in Deutschland und soll unter den zuvor geschilderten Rahmenbedingungen deutsches Sozialversicherungsrecht zur Anwendung kommen, ist das übliche Antragsverfahren für Ausnahmevereinbarungen gemäß Artikel 16 Absatz 1 Verordnung (EG) 883/04 zu nutzen.
Das heißt, dass ein entsprechender Antrag vom Arbeitgeber an den GKV-Spitzenverband, DVKA elektronisch (über die Lohnsoftware) zu übermitteln ist.
Personen, die in Deutschland wohnen und hier Telearbeit für ihren im Ausland ansässigen Arbeitgeber ausüben, wenden sich an den zuständigen Träger des dortigen Staates, sofern sie dem dortigen Sozialversicherungsrecht unterliegen möchten.
Seit dem 01.07.2024 kann ein Antrag nur noch für drei Monate rückwirkend gestellt werden. Für eine Person wird eine Vereinbarung jeweils für maximal drei Jahre geschlossen, wobei Verlängerungen auf erneuten Antrag möglich sind.
Ausnahmevereinbarung nicht gewünscht
Sofern keine Ausnahmevereinbarung gewünscht ist, muss aufgrund der Ausübung der Beschäftigung in zwei Staaten eine Festlegung der anzuwendenden Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit gemäß Artikel 13 Verordnung (EG) 883/04 im Wohnstaat erfolgen. Wenn Arbeitnehmer gewöhnlich in mehreren Mitgliedstaaten erwerbstätig sind, müssen diese hierüber den zuständigen Träger ihres Wohnstaats informieren.
Dieser wird dann die Festlegung der anwendbaren Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit vornehmen. Sind Arbeitnehmer zu mindestens 25 Prozent in ihrem Wohnstaat tätig, unterliegen sie vorbehaltlich der vorzunehmenden Prüfung dem Sozialversicherungsrecht des Wohnstaats.
Beispiel: Der in Bad Reichenhall beschäftigte Arbeitnehmer A mit Wohnsitz in Salzburg erbringt gewöhnlich bis zu 45 Prozent seiner Arbeitsleistung (entsprechend der arbeitsvertraglichen Regelung) in Österreich aus dem Homeoffice (und 55 Prozent in Deutschland).
Er wünscht keine Ausnahmevereinbarung – er möchte nicht nach deutschem Recht sozialversichert werden (sondern nach österreichischem).
Lösung: Der A muss den österreichischen SV-Träger (Gebietskrankenkasse Salzburg) informieren. Da er mindestens zu 25 Prozent im Wohnstaat (= Österreich) beschäftigt ist, muss nun österreichisches SV-Recht angewandt werden. Der deutsche Arbeitgeber muss den Mitarbeiter zur österreichischen SV anmelden und auch dorthin die Beiträge abführen.
Fazit
Wie Sie sehen, steckt der Teufel – wie immer – im Detail. Schön, wenn Sie bei diesem Thema mit dem vorliegenden Beitrag bereits eigene rechtssichere Entscheidungen bezüglich des anzuwendenden SV-Rechts treffen können. Es gibt jedoch auch weit kompliziertere Fälle. Ein Mitarbeiter, der zum Beispiel in der Schweiz wohnt und in Deutschland arbeitet, wird sicher das Schweizer SV-Recht bevorzugen. Wahrscheinlich sähe das bei dem Mitarbeiter, der in Polen wohnt und für den deutschen Arbeitgeber arbeitet, anders aus. Es kommt stets auf den Einzelfall an.
Wichtig ist jedoch auf jeden Fall: Wenn Ihr Mitarbeiter seinen Wohnort zum Beispiel nach Gran Canaria verlegt und ausschließlich von dort aus für Ihr in Deutschland ansässiges Unternehmen aus dem Homeoffice tätig wird, kommt ausschließlich das spanische SV-Recht in Betracht.
