Erfolgreiches Payroll Management : Risiken bei Global Mobility
Die moderne Arbeitswelt mit globaler Mobilität ermöglicht es vielen Erwerbstätigen, ihre Arbeitsleistung nicht mehr zwingend am klassischen Arbeitsplatz im Unternehmen des Arbeitgebers zu erbringen. Während das Homeoffice mittlerweile aus dem modernen Arbeitsleben nicht mehr wegzudenken ist und vielfach genutzt wird, hat sich die Telearbeit (auch Remote Work) weiterverbreitet, da sie die Ortsunabhängigkeit fördert. Somit handelt es sich aus Mitarbeitersicht um ein hochattraktives Modell und ist für Unternehmen gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ein wichtiger Pluspunkt auf dem Bewerbermarkt.
Allerdings bestehen nicht unerhebliche Risiken in steuer-und sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht. Was gilt es also zu beachten, um das Arbeiten in der digitalen Welt rechtskonform zu ermöglichen?
Steuerrechtliche Risiken im Inland (inbound)
Nach den meisten Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) unterliegt die Vergütung weiterhin der deutschen Besteuerung, wenn der Mitarbeiter grundsätzlich in Deutschland ansässig ist, er von einem deutschen Arbeitgeber vergütet wird und er sich innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten nicht länger als 183 Tage im jeweiligen Ausland aufhält. Wird diese zeitliche Grenze überschritten, wird es komplizierter und ggf. droht eine Doppelbesteuerung. Weiter besteht ein derzeit nicht präzise zu bestimmendes Risiko, dass durch die Tätigkeit des Mitarbeiters eine Betriebsstätte im Ausland begründet wird und dies Auswirkungen auf die Unternehmensbesteuerung des Arbeitgebers im ausländischen Wohnstaat des Arbeitnehmers haben kann. Es wären zurechenbare Gewinne vom Unternehmen im Ausland zu versteuern, und die Gewinnaufteilung zwischen den beteiligten Staaten wäre zu prüfen.
Bei Homeoffice-Aktivitäten eines Arbeitnehmers
in Deutschland (inbound) wird derzeit keine (Homeoffice-)Betriebsstätte für den ausländischen Arbeitgeber begründet. Dies liegt an der fehlenden Verfügungsmacht des ausländischen Arbeitgebers über den zur inländischen Wohnung des Arbeitnehmers gehörenden Arbeitsplatz. Die Sichtweise der Finanzverwaltung wurde mit dem BMF-Schreiben vom 05.02.2024 in den Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) aufgenommen und entspricht der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der grundsätzlich eine zur Begründung einer Betriebsstätte erforderliche Verfügungsmacht des Arbeitgebers über Wohnräume von Arbeitnehmern ablehnt. Allerdings sehe Tz. 18 des OECD-Musterkommentars 2017 zum Artikel 15 des OECD-MA ausdrücklich ein Indiz für eine Verfügungsmacht des Arbeitgebers, wenn dieser vom Arbeitnehmer „verlangt“, mangels Bereitstellung eines erforderlichen Büroraums im Homeoffice zu arbeiten.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung begründet die Tätigkeit eines Arbeitnehmers in dessen häuslichem Homeoffice im Regelfall keine Betriebstätte des Arbeitgebers (sowohl nach AO als auch nach DBA). Dies gilt nach Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) auch bei Übernahme der Kosten für das Homeoffice und dessen Ausstattung durch den Arbeitgeber, bei Vermietung der Räumlichkeiten des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber (außer der Arbeitgeber ist im Einzelfall tatsächlich befugt, die Räume anderweitig zu nutzen) sowie in Fällen, wo dem Arbeitnehmer kein anderer Arbeitsplatz durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird. Ausnahmsweise könne aber eine Verfügungsmacht des Unternehmens über die Räumlichkeiten angenommen werden, wenn ein Arbeitnehmer „Leitungsfunktionen“ ausübt und diese Verfügungsmacht des Unternehmens vermitteln.
Steuerrechtliche Risiken im Ausland (outbound)
Wenn dagegen ein Arbeitnehmer sich physisch im Homeoffice im Ausland (outbound) aufhält und von dort arbeitet, so ist dies steuerrechtskonform nach den ausländischen steuerrechtlichen Bestimmungen auszugestalten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der jeweilige ausländische Staat nach dessen nationalem Steuerrecht geringere als die oben beschriebenen Anforderungen an die Begründung einer (Homeoffice-)Betriebsstätte stellt. Hierzu vertreten etwa die Steuerbehörden in Dänemark, Österreich und Schweden aktuell eine von Deutschland abweichende Rechtsauffassung. Derzeit erfolgt eine Abstimmung auf Arbeitsgruppenebene von EU und OECD über ertragsteuerliche Fragen bei grenzüberschreitender Telearbeit. Neben der Frage, ob bzw. wann die Homeoffice-Tätigkeit von Arbeitnehmern zu einer Betriebsstätte des Arbeitgebers führen kann, geht es um die Verteilung der Besteuerungsrechte von Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Die erzielten Ergebnisse sollen in die nächste Aktualisierung des OECD-Musterabkommens einfließen, die für 2026 vorgesehen ist.
Risiken bei Global Mobility (Auswahl)
Bereich | Risiko | Maßnahme |
---|---|---|
Steuerrecht (inbound) | Doppelbesteuerung | Besteuerung bestimmen |
Steuerrecht (outbound) | Betriebsstätte | landesbezogen vermeiden |
SV-Recht (Entsendung) | Doppelverbeitragung | A1-Bescheinigung |
SV-Recht (GME) | Doppelverbeitragung | A1-Bescheinigung |
Befristete Homeoffice-Arbeit
In vielen Unternehmen arbeiten Beschäftigte für eine bestimmte Zeit vom Ausland aus im Homeoffice. Das zeitweise Arbeiten im Homeoffice in einem anderen EU-Land (oder EWR-Land, in der Schweiz, im Vereinigten Königreich) kann als Entsendung gem. § 4 Sozialgesetzbuch (SGB) IV erfolgen, wenn sich der Arbeitnehmer von seinem Beschäftigungsort in der Bundesrepublik in ein anderes Land begibt. Er ist dann vorübergehend in einem anderen Land tätig. Dafür sollte eine A1- Bescheinigung beim Sozialversicherungsträger angefordert werden. Sie gilt bei Aufenthalten von bis zu 24 Monaten und sorgt dafür, dass der deutsche Sozialversicherungsschutz aufrechterhalten bleibt. Die zeitliche Begrenzung muss im Voraus erfolgen. Das kann sich aus der Eigenart der Beschäftigung (z. B. Einsatz für ein Bauprojekt) oder aus einem Vertrag ergeben.
Unbefristete Homeoffice-Arbeit
Erfolgt die Arbeit im Homeoffice dauerhaft aus einem anderen EU-Land (oder EWR-Land, der Schweiz, dem Vereinigten Königreich), zum Beispiel, wenn der oder die Beschäftigte dort wohnt und als Grenzgänger gilt, hängt die Sozialversicherung vom Ausmaß der Heimarbeit ab. Bei einem Homeoffice-Anteil von unter 25 Prozent gilt das Sozialversicherungsrecht des Staats, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat. Wird ab 50 Prozent von zu Hause gearbeitet, liegt die Sozialversicherungspflicht beim Wohnstaat. Bei einem Anteil von 25 bis unter 50 Prozent können die Beschäftigten im Beschäftigungsstaat versichert bleiben, wenn sie in bestimmten Staaten wohnen, die der entsprechenden Vereinbarung beigetreten sind. In jeder Konstellation müssen die Voraussetzungen geprüft werden; hierzu ist ein Antrag des Arbeitgebers bei der jeweils zuständigen Stelle des Wohnstaates der oder des Beschäftigten erforderlich.
Homeoffice in Drittstaaten
Soll das Homeoffice von einem Land außerhalb von EU oder EWR aus erfolgen, gelten mit zahlreichen Staaten vereinbarte bilaterale Abkommen, die die Einzelheiten zur Sozialversicherung regeln. Bei einer Tätigkeit außerhalb der Europäischen Union (EU) ist daher zunächst zu prüfen, ob die Bundesrepublik Deutschland mit dem jeweiligen Staat ein bilaterales Sozialversicherungsabkommen geschlossen hat und welche Zweige der Sozialversicherung durch das jeweilige Abkommen geregelt werden. Diese sehen vor, dass aus Deutschland entsandte Arbeitnehmer nicht der ausländischen, sondern nur der deutschen Sozialversicherung unterliegen. Hier ist der jeweilige Einzelfall zu beurteilen, da die Abkommen unterschiedliche Zeiträume bestimmen und unter Umständen nur die Rentenversicherung oder die Krankenversicherung betreffen. Fehlt ein Sozialversicherungsabkommen, besteht das Risiko der Doppelversicherung für die betroffenen Beschäftigten.
Sozialversicherungsrecht bei mobilem Arbeiten
Bei grenzüberschreitender mobiler Arbeit gilt der Ort (oder die Orte) als Beschäftigungsort im Sinne des Sozialversicherungsrechts, an dem die Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wird bei mobiler Arbeit also der Ort, an dem sich der Arbeitnehmer physisch aufhält, mit anderen Worten, wo der Laptop steht. Arbeitet eine Person also ausschließlich von zu Hause aus für einen in einem anderen EU-Mitgliedstaat/ EWR-Staat oder in der Schweiz ansässigen Arbeitgeber, unterfällt sie dem System der sozialen Sicherheit ihres Wohnstaates, der gleichzeitig Beschäftigungsstaat im Sinne des Art. 11 Abs. 3 Buchstabe a) VO (EG) Nr. 883/2004 ist. Findet die Tätigkeit einer Person sowohl als mobile Arbeit oder Telearbeit von zu Hause als auch vor Ort bei ihrem Arbeitgeber statt, sind insbesondere zwei Konstellationen denkbar: die gewöhnlich in mehreren Staaten erwerbstätigen Personen und die Fälle einer Entsendung.
Ausnahmevereinbarung bis zum 30.06.2024
Im Interesse einer betroffenen Person können die zuständigen Stellen in den Mitgliedstaaten gem. Art. 16 VO (EG) Nr. 883/2004 Ausnahmen von den oben genannten Regelungen der Verordnungen vereinbaren. Soll für einen Grenzgänger nach Deutschland z. B. trotz 40 Prozent Homeoffice im Wohnstaat ausnahmsweise das deutsche Recht weitergelten, kann ein entsprechender Antrag beim GKV Spitzenverband, Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland (DVKA) gestellt werden. Eine solche Ausnahmevereinbarung steht im Ermessen der zuständigen Stellen und kann nur im Einvernehmen mit der zuständigen Stelle des jeweiligen anderen Staates getroffen werden. Zahlreiche Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, haben sich jedoch in einer Rahmenvereinbarung darauf geeinigt, dass Anträgen auf Ausnahmevereinbarungen für bis unter 50 Prozent Telearbeit im Wohnstaat immer zugestimmt wird, sofern die Tätigkeit sowohl für einen oder mehrere Arbeitgeber mit Sitz in einem Mitgliedstaat als auch von zu Hause aus im Wege der grenzüberschreitenden Arbeit erfolgt. Die Rahmenvereinbarung trat am 01.07.2023 in Kraft und knüpft damit zeitlich nahtlos an die oben genannten Sonderregelungen an. Die Verwaltungskommission zur Koordinierung der sozialen Sicherheit hat im Juni 2022 einen ausführlichen Leitfaden zur Einordnung von Telearbeit im Rahmen der Koordinierung der sozialen Sicherheit verabschiedet und mehrfach aktualisiert.
Es gelten die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften des Landes, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat, wenn die Beschäftigten für den Arbeitgeber (oder mehrere Arbeitgeber, allerdings in demselben Staat) sowohl in den Geschäftsräumen des Arbeitgebers als auch im Homeoffice/in Telearbeit im angrenzenden Wohnstaat arbeiten. Und zwar sofern eine entsprechende Vereinbarung geschlossen wurde und im Interesse der betroffenen Beschäftigten liegt, kein weiterer (dritter) Staat beteiligt ist und die Arbeit im Homeoffice oder in Telearbeit zwischen 25 und 50 Prozent der Beschäftigung ausmacht. Die neue Regelung wird ab dem 01.07.2023 zunächst für fünf Jahre gelten und soll dann um weitere fünf Jahre verlängert werden.
Ausnahmevereinbarung ab dem 01.07.2024
Wenn feststeht, für welche Staaten die neue Grenzgängerregel gelten soll, stellt die DVKA Informationen zur Antragstellung bereit. Grundsätzlich soll das übliche Antragsverfahren für Ausnahmevereinbarungen gemäß Art. 16, Abs. 1 VO EG 883/04 zum Einsatz kommen. Für die Anträge soll es außerdem einen Übergangszeitraum geben: Wenn die Anträge bis zum 30.06.2024 gestellt werden, soll das beantragte Sozialversicherungsrecht rückwirkend ab dem 01.07.2023 gelten, wenn die betroffene Person durchgängig in dem Staat sozialversichert war, welcher laut Rahmenvereinbarung zuständig ist. Deswegen ist es laut DVKA auch nicht nötig, schon vor dem 01.07.2023 Anträge zu stellen. Wurde der Antrag bis zum 30.06.2024 gestellt, gilt er rückwirkend ab dem 01.07.2023. Für alle Anträge ab dem 01.07.2024 ist geregelt: Der Antrag gilt nur noch rückwirkend für drei Monate. Eine Voraussetzung für beide Fristen ist, dass die betroffene Person in diesem Zeitraum durchgehend Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland gezahlt hat.
Zusammenfassung
Grenzüberschreitende Tätigkeiten in Telearbeit unterliegen grundsätzlich der Sozialversicherung des Mitgliedstaates der EU, in dem sich die Person physisch aufhält. Ausnahmen bestehen für Beschäftigte und selbstständige Personen im Rahmen von Entsendungen sowie in Fällen der regelmäßigen Beschäftigung oder Tätigkeit in zwei oder mehr Mitgliedstaaten. Das sind die sogenannten gewöhnlich in mehreren Staaten Erwerbstätigen (GME). Arbeitet ein Grenzgänger regelmäßig mehr als 25 Prozent vom Wohnsitz aus (klassisches „Homeoffice“), unterliegt die gesamte Tätigkeit grundsätzlich der Sozialversicherung des Wohnmitgliedstaates: Arbeitet ein Grenzgänger weniger als 25 Prozent im „Homeoffice“, dann unterliegt die Tätigkeit der Sozialversicherung des Mitgliedstaates, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
Die seit 01.07.2023 bestehende Ausnahmeregelung zur Festlegung des anzuwenden Sozialversicherungsrechts bei grenzüberschreitender mobiler Arbeit ermöglicht es, regelmäßig im Homeoffice zu arbeiten, ohne dass dabei die Sozialversicherung ins Wohnland wechselt. Die meisten EU-Staaten haben sich diesem Rahmenabkommen bereits angeschlossen. Diejenigen Beschäftigten, bei denen die genannten Voraussetzungen erfüllt sind und die weniger als 50 Prozent im Wohnland arbeiten, können beantragen, dass ihre Sozialversicherung im Land des Arbeitgebers bleibt. Bei Beschäftigung in Drittstaaten sind die jeweiligen sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen rechtskonform auszugestalten, um Haftungsrisiken des inländischen Arbeitgebers bei mobiler Arbeit zu vermeiden.