Im Gespräch mit: Werner Moche : „Etwas weniger Saat darf sein!”
LOHN+GEHALT sprach mit dem renommierten Payroll-Experten Werner Moche über die fachlichen und strategischen Herausforderungen von heute und morgen, über Wohl und Wehe der Digitalisierung für diesen Berufszweig — und über die strenge staatliche Überwachung der Entgeltabrechnung in Deutschland.
Herr Moche, Sie haben im Bereich der Entgeltabrechnung jahrzehntelange Erfahrung. Möchten Sie kurz zusammenfassen, in welchen Positionen Sie gearbeitet haben?
Das fing nach Ausbildung und Bundeswehr ganz normal mit einer eher zufälligen ersten Arbeitsstelle in der Entgeltabrechnung eines Unternehmens der Chemieindustrie an und hat sich dann rasant weiterentwickelt. Das Unternehmen hatte gerade erst auf „EDV“ umgestellt und die Entgeltabrechnung war eine der ersten Anwendungen. Dadurch konnte ich mich, neben der Aneignung von Fachwissen in der Entgeltabrechnung, auch in die Geheimnisse der „EDV“ einarbeiten, ein bisschen programmieren lernen und bei der monatlich nächtelang laufenden Entgeltabrechnung aktiv mitwirken.

Denn am Anfang hatte unser Rechenzentrum als Herz einen Rechner mit wahnsinnsnahen 4 K „Geschwindigkeit“. Da war viel Handarbeit gefordert: Karten lochen und sortieren, Bänder und Platten wechseln und so fort, das kann man heute kaum noch begreiflich machen. Recht bald habe ich dort die Gruppenleitung der Entgeltabrechnung übernommen, die Reisekostenabrechnung integriert, die ich dann nach und nach zu einem ganzheitlichen Reisemanagement ausgebaut habe, und schließlich kam dann noch die Zeitwirtschaft mit elektronischer Zeiterfassung hinzu. Und noch so einiges mehr.
Mit den Erweiterungen wuchs auch meine Mitarbeiteranzahl, und als es dort nichts wesentlich Neues mehr zu erwarten gab, bin ich dem Ruf eines anderen Unternehmens gefolgt und habe dort als Leiter Entgeltabrechnung im Prinzip das Gleiche aufgebaut, da es sich um ein ehemals aus der Kameralistik stammendes Unternehmen handelte, das in die sogenannte Privatwirtschaft überführt wurde und wo eigentlich alles neu „erfunden“ werden musste. Im Zuge der weiteren Entwicklung meiner Stelle wurde unter anderem auch die betriebliche Altersversorgung integriert, ebenso das komplette Reisemanagement und letztlich wurde das Ganze zu Shared Services und deren Leiter bin ich bis zu meiner Pensionierung geblieben. Danach konnte ich dann mein gesammeltes Fachwissen vielfach an andere Unternehmen beratend weitergeben und tue das bis heute. Es wird nicht langweilig.
Wenn Sie auf diese vielen Jahre zurückschauen, welche grundsätzlichen Veränderungen hat es im Bereich der Entgeltabrechnung gegeben?
Herr Matt, das sind so viele Veränderungen gewesen, das kann man so einfach gar nicht beantworten, schon gar nicht im Rahmen eines solchen Interviews. Ganz grundsätzlich war die fortschreitende Digitalisierung der Entgeltabrechnung eine der dauerhaft wesentlichen Veränderungen. Hinzu kam dann das elektronische Meldewesen in der Sozialversicherung mit den bekannten umfangreichen Folgen für die Entgeltabrechnung und erst viel später dann die Digitalisierung im Bereich der Lohnsteuern und in den Betriebsprüfungen. Die Digitalisierung der Entgeltabrechnung hat aber meiner Meinung nach auch wesentlich mit dazu beigetragen, dass die Fachkenntnisse der in der Entgeltabrechnung beschäftigten Mitarbeiter schlechter wurden, denn — das macht doch jetzt alles das System. Wozu brauchen wir da noch Fortbildung? Ausnahmen bestätigen dabei leider die Regel.
Die Entgeltabrechnung unterliegt permanenten Veränderungen, insbesondere durch Gesetze, Verordnungen und andere Vorschriften. Welche Neuerung bedeutete in Ihrer Karriere die größte Herausforderung?
Neben vielen anderen Dingen sind hier die Einführungen und Fortentwicklungen im Bereich der zunehmend wichtiger werdenden betrieblichen Altersversorgung zu nennen, durchaus auch mit den arbeitnehmerfinanzierten Systemen.
Die Entgeltabrechnung wird bis heute in vielen Unternehmen als eine Art Wurmfortsatz der Personalabteilung betrachtet und insbesondere mit der eher stupiden Bedienung von Abrechnungsprogrammen in Verbindung gebracht. Warum ist das so und welche Bedeutung hat die Entgeltabrechnung tatsächlich?
Leider ist das noch heute weit verbreitet und nimmt nach meinen Beobachtungen zu. Das liegt zum Teil aber auch an den Payrollern selbst, die sich nicht hinreichend gegen die Personaler durchsetzen können oder wollen. Dabei ist es für fachlich gut ausgebildete Payroller gerade jetzt in der Regel relativ einfach, die Personaler auf den Boden der Tatsachen zurück zu holen. Denn bei allen hochtrabend benannten HR-Aktivitäten ist das normale Fachwissen der Personaler oftmals leider noch viel mehr auf der Strecke geblieben.
Ich behaupte hier jetzt einfach mal, dass es eine Vielzahl von entgeltrelevanten Personalentscheidungen gibt, die wesentlich besser geworden wären, hätte man die Payroller frühzeitig komplett mit eingebunden. Das geht bis hin zu entgeltrelevanten Betriebsvereinbarungen, bei denen die versierten Entgeltabrechner den verhandelnden Betriebsparteien eine wertvolle Hilfe sein können und sein sollten, um in der Regel dann später wesentlich teurere Korrekturmaßnahmen frühzeitig auszuschließen. Von Prüfungsrisiken mal ganz zu schweigen.
Wie schätzen Sie das Phänomen Fachkräftemangel mit Blick auf die Entgeltabrechnung ein? Es gibt in Deutschland ja ganz offensichtlich keinen einzigen arbeitslosen Payroller ….
Das mag sein. Ich selbst kenne auch keinen arbeitslosen Payroller. Gleichzeitig steigen aber die verlautbarten Anforderungen an die Entgeltabrechner, wenn man sich die veröffentlichten Stellenbeschreibungen ansieht. Da will man nur noch fertige Entgeltabrechner haben und von gleichzeitig mit angebotenen regelmäßigen Fortbildungsangeboten ist da nichts zu lesen. Es gibt nur leider nicht so viele Entgeltabrechner, die diesen hochtrabenden Anforderungen gewachsen sind. Weil es keinen speziellen und allgemein verfügbaren Ausbildungsgang Engeltabrechnung gibt, die Wertigkeit der Entgeltabrechnung in den Unternehmen weiterhin und fast zunehmend nicht richtig erkannt wird, somit dann auch bei der Fort- und Weiterbildung gespart wird, und es schließlich mit der Entgeltabrechnung so billig wie möglich zugehen soll: „Was — so teuer ist eine Abrechnung?“ Billig und gut geht selten zusammen.
Wird sich dieser Mangel an Payrollern angesichts des immensen technischen Fortschritts nicht binnen weniger Jahre erledigen? Läuft eine mit Künstlicher Intelligenz (KI) gesteuerte Entgeltabrechnung in wenigen Jahren automatisch?
Ich sehe auf sehr lange Sicht weiterhin keine KI-gesteuerte Entgeltabrechnung. Jedenfalls so lange nicht, wie die Unternehmen unterschiedlich sind und damit auch die jeweiligen Entgeltabrechnungsanforderungen. Es fordert meines Wissens bisher ja auch niemand eine KI-gesteuerte Buchhaltung und bei der eigentlichen HR-Abteilung ist man da ja offensichtlich auch noch sehr weit davon entfernt. Es mag Ausnahmen geben. Aber ob die dann letztlich auch wirklich funktionieren und gleichzeitig auch noch die Unternehmerhaftung minimieren oder gar beseitigen können, das sei mal dahingestellt. Wir sehen ja heute schon, dass mit den vielen „Self-Services“, die vermeintlich HR und Payroll einsparen sollen, am Ende oftmals unzureichende und mangels Verständnis bei den betroffenen Arbeitnehmern teils durchaus ernst zu nehmende falsche Ergebnisse herauskommen. Und warum? Weil die Entwickler der Self-Services wahrscheinlich auch nicht genau wissen, was da im Ergebnis so alles von diesen Self-Services abhängen kann. Und wer entwickelt dann eine absolut einwandfreie und auch noch kundenfreundliche Payroll-KI?
Wenn Sie die einschlägigen Gesetze machen könnten, wie sähe die Entgeltabrechnung in Deutschland aus?
Jedenfalls so, dass auch die Arbeitnehmer am Ende verstehen, was da so alles auf ihrer Entgeltabrechnung steht, was mit ihren personenbezogenen Daten so alles passiert, und dass die Arbeitnehmer sich darauf verlassen können, dass die Entgeltabrechner alles richtig gemacht haben. Wir wollen hier nicht die Entgeltabrechnung auf dem Bierdeckel propagieren. Aber weniger (Überwachungs-)Staat darf es künftig auch in der Entgeltabrechnung sein.
Herr Moche, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.


