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Zeitwertkonten : GESCHMACKSSACHE ODER OB WENIGER WIRKLICH MEHR IST : Ist weniger tatsächlich mehr?

Die meisten würden gern weniger arbeiten — machbar ist das offenbar aber nicht. Doch welche Möglichkeiten bieten flexible Arbeitszeitmodelle? Macht das Homeoffice wirklich krank? Und wie arbeiten wir heute und wie morgen? All dies ist auch eine Frage danach, wie viel Struktur der Mensch eigentlich braucht.

Lesezeit 5 Min.

Mehr als die Hälfte der Vollzeitbeschäftigten in Deutschland (58 Prozent) würde gern weniger arbeiten, wie aus dem Arbeitszeitbericht der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) für das Jahr 2019 hervorgeht. In der Realität gelingt dies aber den wenigsten, und das liegt schlicht am lieben Geld. Denn knapp 40 Prozent derer, die beruflich gern weniger täten, können sich dies nicht leisten.

Ein knappes Drittel derer, die ihre Anwesenheit in Büro, Praxis, Laden oder Fabrik gern verkürzen würden, glaubt aber auch, dass das Arbeitsvolumen dies nicht zuließe. Weitere 10 Prozent geben an, dass Vorgesetzte oder Arbeitgeber schlicht nicht gestatten, dass sie weniger arbeiten. Nur 5 Prozent glauben im Übrigen, dass ihnen eine Verkürzung ihrer Arbeitszeit Nachteile im Hinblick auf ihre berufliche Zukunft einbringen könnte.

32 Stunden für alle sind eine Illusion

Das sind interessante Befunde, wo wir doch meist unhinterfragt davon ausgehen, dass Arbeit Identität und Sinn stiftet, und wir in Deutschland eher die mittellange Arbeitszeit kennen, im welt- und europaweiten Vergleich. Lange wird allerdings auch hierzulande schon über eine reduzierte Vollzeit diskutiert, von 32 Stunden pro Woche ist oft die Rede, meist mit dem Argument, berufliche und private Verpflichtungen besser austarieren zu können. In Zeiten der annähernden Vollbeschäftigung bleibt die reduzierte Vollzeit freilich eine hübsche Illusion.

Nichtsdestotrotz werden Arbeitgeber in Zukunft nicht an den Interessen ihrer Mitarbeiter vorbei agieren können — hier greift das viel strapazierte Wort vom Fachkräftemangel. Die meisten von uns räumen der privaten Sphäre und damit der von Arbeit freien Zeit heute einen weitaus größeren Stellenwert ein als früher. Das Konzept der Karriere hat sich etwas abgenutzt, mehr Wohlstand für alle ist sowieso nicht drin. Und dass Nachhaltigkeit vielleicht auch mit Post-Wachstum einhergeht, lernen wir gerade — alle, und nicht mehr nur die gewissen Generationen mit den vorne angestellten Endbuchstaben des Alphabets.

Ein Sechstel der Rentner arbeitet weiter

Auf der anderen Seite gilt, dass sich die Arbeit ins Leben hinein verlängert, und zwar nicht nur durch den gesetzlich erzwungenen nach hinten verschobenen Renteneintritt. Fakt ist, dass bereits jetzt schon immer mehr Ältere länger im Beruf bleiben. Innerhalb von zehn Jahren hat sich der Anteil der arbeitenden 65- bis 69-Jährigen verdoppelt, auf zuletzt 16,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt weiß.

Dabei sind es mitnichten immer finanzielle Gründe, die die Älteren trotz Anspruchs auf Altersbezüge in den Beruf zurücktreiben oder dort verharren lassen, es ist auch der Wunsch, weiterhin gebraucht zu werden und anerkannt zu bleiben. Für HR bringt diese neue Gruppe an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine Fülle von Herausforderungen mit sich — verstärkter Gesundheitsschutz und eine wachsende Kultur der Wertschätzung sind nur die augenfälligsten. Denn auch wenn Ältere Team und Unternehmen bereichern, tun sie dies nicht automatisch und stets reibungsfrei.

Gezeigt wird eine Zielscheibe mit einer ovalen Zielscheibe. Um die Zielscheibe herum sind mehrere Einschusslöcher zu sehen, einige davon in der Nähe der Mitte und einige in den äußeren Ringen. Auf der linken Seite des Bildes ist ein verschwommener, teilweise lesbarer Text in Blau zu sehen.

Homeoffice: Chance oder Risiko?

Integrationsarbeit und eine Menge Organisationsaufgaben sind auch mit dem Thema Homeoffice verbunden — trotz oder gerade wegen der Digitalisierung. Diese macht zwar das ortsunabhängige Arbeiten einfacher und galt lange als DER Weg hin zu Flexibilisierung mit Vertrauensarbeitszeit und/oder Zeitwertkonto.

Das gilt zwar immer noch, aber nicht mehr für jeden. Denn die Mehrheit der Beschäftigten — zwei Drittel von ihnen — wünscht sich eine klare Trennung von Arbeit und Privatleben und gibt, wieder im BAuA-Bericht, an, dass dies bei der eigenen Tätigkeit auch gut möglich sei. Bei 15 Prozent der Frauen und 13 Prozent der Männer ist dies allerdings nicht so, obschon gewünscht. Nun kann man nur spekulieren, ob dies solche waren, die im Homeoffice sind; tatsächlich erwachsen handfeste Probleme aus diesem Aspekt, wie zuletzt die vielbeachtete Studie einer großen Krankenkasse offenbarte.

In der AOK-Umfrage gaben zwar drei Viertel der im Homeoffice Tätigen an, dass sie zu Hause konzentrierter arbeiten könnten als am Arbeitsplatz. Gleichzeitig fühlten sich aber auch ebenso viele in den letzten vier Wochen erschöpft. Zum Vergleich: Bei Beschäftigten, die ausschließlich im Büro tätig sind, waren es nur 66 Prozent. Außerdem verlegt laut AOK-Befragung jeder Dritte mit Homeoffice häufig Arbeitszeit auf den Abend oder das Wochenende; trotz der höheren psychischen Belastung haben Beschäftigte im Homeoffice geringere Fehlzeiten (7,7 Tage) als solche, die nur am Unternehmenssitz tätig sind (11,9 Tage).

Ein lächelnder Mann mit kurzen dunklen Haaren, einem hellen gestreiften Hemd und einem Tablet in der Hand steht drinnen. Im Hintergrund sind zwei Personen unscharf zu sehen, die sich unterhalten. Die Kulisse scheint ein moderner Büroraum mit großen Fenstern zu sein.

Überspitzt könnte man dies wie folgt zusammenfassen: Zuhause arbeiten die Leute intensiver, was anstrengender ist, allerdings dann, wenn sie eigentlich möglicherweise Zeit mit Freunden oder der Familie verbringen würden — das lässt grübeln. Für den Arbeitgeber spielt dies unterm Strich aber keine Rolle: Homeofficeworker sind leistungsfähiger, kosten durch den eingesparten Büroarbeitsplatz weniger und sind außerdem seltener krank. Passt, aus HR-Sicht. Allerdings wahrscheinlich eher kurzfristig.

Sabbatical und Job Sharing

Vielleicht wäre dann statt einer Forcierung des Homeoffice künftig eher ein Baukastenmodell etwas, mit dem man sich auch gleich auf den Weg zum agilen Unternehmen begibt, was der Zeitgeist ja gerade erfordert. Mitarbeiter kommen dann länger und öfter, wenn mehr zu tun ist. Zuhause arbeiten sie nicht, sondern tun das, was sonst noch anliegt, und zwar dann, wenn es der Firma am besten passt.

Die An- und Abwesenheiten zu planen und zu koordinieren, kann sich allerdings leider zum Heidenaufwand auswachsen, wenn die Mitarbeiter dies nicht in Eigenregie tun. Selbst dann kann es aber immer noch heikel werden und den Betriebsfrieden gefährden, denn die meisten erwarten und wünschen sich zwar Flexibilität — wollen sie aber nicht gewähren.

Also Sabbatical und Job Sharing? Überstunden aufbauen, teilweise aufs Gehalt verzichten oder Urlaub ansparen und dann eine Auszeit nehmen, wie es viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer laut einer Umfrage der Marketingagentur Search Laboratory wollen? Insgesamt neun von zehn Befragten. In manchen Branchen wie dem Gesundheitswesen, der Finanzdienstleistung, dem Rechts- und Bildungswesen übrigens besonders viele.

Das klingt ein wenig nach großem Druck, der ein Ventil sucht. Hilfreich ist ein Sabbatical hier bestimmt, ebenso wie das geteilte Los, respektive Job Sharing, das aber wieder hohe Anforderungen an die soziale Intelligenz der Belegschaft stellt. Am Ende gilt daher am ehesten: Es gibt nicht DIE Arbeitsform der Zukunft, ebenso wenig wie es DEN Mitarbeiter der Zukunft gibt. Vielmehr wird es entscheidend darauf ankommen, individuell passende Modelle zu finden. Mit einem Mehr oder Weniger an Rahmen und Struktur, Teaming oder Flexibilität.

Auf der linken Seite des Bildes ist eine lächelnde Frau mit langen, welligen braunen Haaren abgebildet. Die rechte Seite des Bildes zeigt einen dunkelgrünen Hintergrund mit weißem Text, auf dem steht: „Alexandra Buba, M. A. Wirtschaftsredakteurin Fuchsmühl.“

 

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