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Mitarbeiterführung : Traumatische Erlebnisse, Teil 1

Warum ist der Müller immer so komisch? Oft wie geistesabwesend, schreckhaft wie ein Kaninchen – was hat der nur? Und Mohammed, der Flüchtling aus Syrien – macht sich richtig gut als Mitarbeiter, aber trotzdem irgendwie merkwürdig. Immer zurückhaltend, redet kaum, schaut immer so traurig. Was ist nur mit den Kollegen los?

Lesezeit 3 Min.
Ein Geschäftsmann im Anzug blickt vorsichtig vom Rand eines Abgrunds hinab und hält eine Aktentasche in der Hand. Dies ist ein Symbol für eine schwierige Entscheidung oder einen entscheidenden Schritt in der Karriere.

Das, was Kollegen und Vorgesetzte als „komisch“ bezeichnen, hat oft mit Komik so gar nichts zu tun. Ursache für einige sonderbar scheinende Verhaltensabweichungen kann nämlich ein traumatisches Ereignis sein. Als traumatische Erfahrungen bezeichnet man erlebte Ereignisse, die in der Regel mit Gefühlen extremer Ohnmacht oder Hilflosigkeit einhergehen. Das können beispielsweise Erlebnisse im Krieg, Folterungen oder sexueller Missbrauch sein. Aber auch plötzliche, schockierende Ereignisse wie der Tod eines nahen Angehörigen oder ein Unfall, bei dem man sich nicht selbst befreien kann oder schwer verletzt wird – all das sind Ereignisse, die zu einem Trauma führen können.

Vielen bekannt ist die Diagnose PTBS – die posttraumatische Belastungsstörung. Nicht jeder Mensch entwickelt eine solche längerfristige Störung, manche leiden nur kurzfristig an ähnlichen Symptomen. Das hängt von der psychischen Konsistenz und Widerstandskraft des einzelnen Menschen ab, von der sogenannten Resilienz.

Was ist eigentlich ein Trauma?

Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Wunde“. Das kann eine körperliche Wunde, sprich Verletzung, sein der eine seelische Verletzung. Oft trifft beides zu, etwa bei einem schweren Verkehrsunfall. Dabei muss das schädigende Ereignis gar nicht den Betroffenen selbst getroffen haben, es kann reichen, Zeuge gewesen zu sein. Nicht umsonst stehen Polizisten und Feuerwehrleuten heute Notfallseelsorger oder Kriseninterventionsteams zur Seite. So sollen bleibende traumatische Schäden aufgrund schlimmer Erlebnisse vermieden werden. Die Heilung eines Traumas erfolgt in mehreren Phasen. Die Dauer ist abhängig von dem Erlebnis und der seelischen Konstitution des Betroffenen. Professionelle Unterstützung kann bei der Verkürzung dieser Phasen helfen und vor allem eine Manifestation des Traumas als PTBS verhindern.

Warum sind traumatische Erlebnisse für das Unternehmen relevant?

Auch wenn das Trauma nicht auf einem betrieblichen Ereignis basiert (dazu kommen wir im zweiten Teil des Beitrags), sind die daraus resultierenden Verhaltensweisen und Ängste durchaus relevant. Sie können nämlich jederzeit zu unerwarteten und unerwünschten Reaktionen führen, die den Mitarbeiter oder auch seine Kollegen möglicherweise gefährden. Deshalb ist es für die Führungskraft wichtig, entsprechende Verhaltensweisen oder Veränderungen zu erkennen und den Ursachen auf den Grund zu gehen.

Der Grad der Gefährdung hängt in erster Linie von der Art der Tätigkeit und dem Grad der Traumatisierung ab. Sie kennen das aus Krimis: Der Kommissar hat in der Vergangenheit einen Menschen erschossen – in Notwehr. Trotzdem hat sich bei ihm ein Trauma entwickelt, das ihn daran hindert, in einer ähnlichen Situation wieder zu schießen. Damit gefährdet er sich selbst und seine Kollegen.

Weniger dramatisch und eher alltäglich: ein überstandener schwerer Verkehrsunfall. Die dadurch entstandene Traumatisierung führt bei einer ähnlichen Situation zu einer Art Schockstarre, also absoluter Handlungsunfähigkeit. Mit der Folge, dass ein eigentlich vermeidbarer Unfall nicht zu verhindern ist.

Also: Ein Trauma ist nicht immer nur „Privatsache“, zumindest dann, wenn dadurch Handlungen im Unternehmen beeinflusst werden können.

Wie erkennt der Vorgesetzte ein Trauma?

Es gibt verschiedene Symptome bei einer PTBS. Häufig gehören dazu Nervosität, Schreckhaftigkeit, Schlaflosigkeit (mit all den daraus resultierenden Folgeerscheinungen) und Ängste.

Nach außen erkennbar sind oftmals Interessenlosigkeit an bisher geliebten Tätigkeiten oder Themen. Auch Vermeidungsstrategien, also das Vermeiden bestimmter Situationen, die an das traumatische Erlebnis erinnern könnten, treten häufig auf. So weigert sich beispielsweise ein Mensch, der ein schweres Zugunglück erlebt und überlebt hat, wieder in eine Bahn zu steigen. Er hat eine entsprechende Phobie entwickelt. Dabei gibt er aber in der Regel nicht das erlebte Unglück als Grund an, sondern findet andere Begründungen, warum er stattdessen unbedingt mit dem Auto fahren muss.

Für einen Laien kann das Erkennen schwierig sein, insbesondere, wenn der Vorgesetzte seinen Mitarbeiter erst nach dem traumatischen Ereignis kennengelernt hat. Denn dann kann er keine Verhaltensveränderung feststellen („Der war schon immer so!“).

Hinweise auf eine zurückliegende Traumatisierung sind trotzdem zu erkennen: Ängstliches Verhalten in bestimmten Situationen und Phasen geistiger Abwesenheit können auf ein Trauma hindeuten, aber auch körperliche Reaktionen wie Schweißausbrüche, Zittern und Ähnliches. Wichtig: Das können Hinweise auf eine posttraumatische Belastungsstörung sein, das Verhalten kann aber auch ganz andere Gründe haben. Deshalb ist bei einem diesbezüglichen Gespräch mit dem Mitarbeiter äußerste Sensibilität erforderlich. Voraussetzung für eine Öffnung im Gespräch ist immer ein großes Vertrauen in den Vorgesetzten. Sonst führt ein solches Gespräch in der Regel zu nichts.

Jürgen Heidenreich

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