Lohnmanagement für den Erfolg : Flexible Arbeitszeiten im Überblick
In der digitalen Arbeitswelt können vielfältige Aufgaben ortsunabhängig und zeitlich flexibel erledigt werden. In diesem Zusammenhang erfreuen sich flexible Arbeitszeiten mit der Möglichkeit von bezahlten oder unbezahlten Freistellungen aus Sicht der Mitarbeitenden einer wachsenden Beliebtheit.
Auch für Arbeitgebende kann dies attraktiv sein, um anders als bei starren Arbeitszeiten einen flexiblen Personaleinsatz zu ermöglichen.
Die Ausgestaltung von flexiblen Arbeitszeitmodellen liegt vorrangig in der Verantwortung der Tarifvertragsparteien, der Betriebspartner und der Arbeitsvertragsparteien, und dies geschieht innerhalb des bestehenden gesetzlichen Rahmens.
Arbeitszeitgesetzliche Bestimmungen
Ziel des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) ist es, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Mitarbeiter zu gewährleisten und die Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten in diesem Sinne zu gestalten. Es geht daher im Grundsatz von einem Acht-Stunden-Tag und sechs Werktagen pro Woche aus. Die werktägliche Arbeitszeit kann ohne besondere Begründung auf bis zu zehn Stunden verlängert werden. Die Verlängerung muss innerhalb von sechs Kalendermonaten oder – bereinigt um den gesetzlichen Urlaubsanspruch – 24 Wochen durch die Gewährung von Freizeit auf durchschnittlich acht Stunden ausgeglichen werden. Es ist nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden zu gewähren. Der wöchentliche Ruhetag ist grundsätzlich der Sonntag.
Arbeitszeiten über zehn Stunden sind möglich. So kann per Tarifvertrag u. a. geregelt werden, die Arbeitszeit bei Arbeitsbereitschaft (z. B. Wachgewerbe) oder Bereitschaftsdienst (z. B. Krankenhäuser, Werksfeuerwehr) werktäglich über zehn Stunden zu verlängern, unter besonderen Voraussetzungen auch ohne Ausgleich (Optout). Auch in bestimmten Branchen (Landwirtschaft, Behandlung, Pflege, Betreuung, öffentlicher Dienst) können per Tarifvertrag längere Arbeitszeiten zugelassen werden. Abweichungen sind auch bei der täglichen Ruhezeit von elf Stunden möglich. So kann etwa in einigen Branchen (z. B. Kranken-, Pflege- und Betreuungseinrichtungen, Gastgewerbe, Verkehrsbetriebe, Landwirtschaft und Tierhaltung) die Ruhezeit auf zehn Stunden verkürzt werden, wenn die Verkürzung innerhalb von vier Wochen durch Verlängerung einer anderen Ruhezeit auf mindestens 12 Stunden ausgeglichen wird. Per Tarifvertrag kann unter der Bedingung, dass die Art der Arbeit dies erfordert, geregelt werden, die Ruhezeit um bis zu zwei Stunden zu vermindern. Die Tarifparteien können per Öffnungsklausel zulassen, dass entsprechende Regelungen in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung auf betrieblicher Ebene getroffen werden. Mit der zunehmenden Digitalisierung gewinnt auch die „arbeitsbezogene erweiterte Erreichbarkeit“ weiter an Bedeutung. Auch hier gelten die üblichen arbeitsrechtlichen Grundsätze.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind nicht verpflichtet, für ihre Vorgesetzten in der Freizeit erreichbar zu sein. Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine entsprechende vertragliche Vereinbarung besteht. Ohne eine solche rechtlich zulässige Vereinbarung gibt es auch keine Verpflichtung zur Erbringung von Überstunden. Ausnahmen hiervon können in Notfällen bestehen. Sind die Mitarbeitenden in ihrer Freizeit (Ruhezeit) tätig, ist dies grundsätzlich als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes zu bewerten. Auf leitende Angestellte findet das Arbeitszeitgesetz keine Anwendung. Die Arbeitgebenden tragen die Verantwortung dafür, dass Arbeitszeiten mit Beginn und Ende arbeitstäglich aufgezeichnet werden, und sie haben darauf zu achten, dass die Mitarbeitenden stets im Rahmen der gesetzlichen Regelungen arbeiten.
Möglichkeiten und Formen flexibler Arbeitszeit

Die Flexibilisierung der Arbeitszeit kann sowohl hinsichtlich der Lage (z. B. einfache Gleitzeitmodelle) als auch in Bezug auf den Umfang der Arbeitszeit (z. B. Kurzarbeit, Teilzeitarbeit) erfolgen; beide Formen sind auch kombinierbar als Arbeit auf Abruf (§ 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)). Das Arbeitszeitgesetz nennt (§ 1 Nr. 1 ArbZG) gleichfalls die flexible Arbeitszeitgestaltung und eröffnet damit Gestaltungsmöglichkeiten für die Tarifvertragsparteien.
Die Flexibilisierung der Arbeitszeit hat in schriftlicher Form (Arbeits- oder Tarifvertrag) zu erfolgen. Wertguthabenvereinbarungen nach § 7b Sozialgesetzbuch (SGB) IV liegen nur noch dann vor, wenn auch tatsächlich ein Wertguthaben als Arbeitsentgeltguthaben aufgebaut wird und nicht lediglich Gleitzeitvereinbarungen vorliegen.
Wichtig ist die sozialrechtliche Abgrenzung von sogenannten sonstigen flexiblen Arbeitszeiten. Das hat versicherungs- und beitragsrechtliche Auswirkungen. Seit dem Jahr 2012 endet der sozialversicherungsrechtliche Schutz für Arbeitnehmer (Viertes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011) im Rahmen von Freistellungen aufgrund sonstiger flexibler Arbeitszeitregelungen nach drei Monaten. Darüber hinaus ist dies sozialrechtlich nur auf Grundlage von insolvenzgesicherten Wertguthaben nach § 7b SGB IV möglich.


Chancen und Risiken für Mitarbeitende
Die Interessen der Mitarbeitenden sind sehr individuell, und die Betriebe weisen abhängig von deren Größe und Branchenzugehörigkeit unterschiedliche Rahmenbedingungen und Erfahrungen auf. Flexible Arbeitsmodelle bieten dann Vorteile für Beschäftigte, wenn damit mehr selbstbestimmte Arbeitsgestaltung und Gestaltungsspielräume verbunden sind und Beschäftigte die Fähigkeiten zur Selbstorganisation, Grenzziehung sowie Koordination und Kommunikation mitbringen. Eine wesentliche Motivation für Beschäftigte, angebotene Arbeitszeitmodelle zu nutzen, ist eine bessere Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben. Daneben können auch Möglichkeiten zur Weiterbildung leichter realisiert werden. Im Homeoffice sehen darüber hinaus einige Beschäftigte den Vorteil, konzentrierter und besser arbeiten zu können. Weiterhin kann von orts- und zeitflexiblem Arbeiten ein positiver Beitrag zu gesunden Arbeitsbedingungen ausgehen. Durch eine flexible Gestaltung der Arbeitszeiten, die persönliche oder familiäre Bedürfnisse berücksichtigt, und den Wegfall von Fahrzeiten lässt sich die Belastung der Mitarbeitenden verringern und ihre Zufriedenheit steigern. Allerdings können Probleme entstehen, wenn die soziale Integration im Unternehmen nicht mehr gegeben ist oder der Schutz sensibler Daten gefährdet wird. Auch eine Überlastung durch nicht bewältigbare Arbeitsmengen innerhalb der vorgegebenen Zeit kann gesundheitliche Schäden verursachen. Zudem fördern mobile Endgeräte eine erweiterte Erreichbarkeit für berufliche Zwecke. Risiken bestehen hier vor allem, wenn die Trennung zwischen Arbeit und Privatleben nicht gelingt und die Grenzen zwischen beiden Bereichen verschwimmen. Dies birgt die Gefahr eines höheren Arbeitsvolumens und einer höheren Arbeitsintensität ohne ausreichende ungestörte Erholungsphasen und kann mit hoher gesundheitlicher Beanspruchung einhergehen. Weiterhin sind die zum Einsatz kommenden mobilen Arbeitsmittel (Smartphones, Tablets, Laptops) häufig nicht für eine berufliche Dauernutzung optimiert.
Hinzu kommt, dass im Homeoffice und mehr noch an anderen Orten mobiler Arbeit wie Verkehrsmitteln, Cafés oder Wartebereichen an Bahnhöfen und Flughäfen manchmal vergleichsweise schlechte ergonomische oder sonstige den Arbeitsschutz betreffende Bedingungen vorliegen.
Chancen und Risiken für Arbeitgebende
Arbeitgebende profitieren bei flexiblen Arbeitsmodellen von einer höheren Orts- und Zeitflexibilität der Mitarbeitenden, wenn diese zu einer größeren Produktivität beitragen, die Kundennähe verbessern und die Gesundheit der Mitarbeitenden (Kosten) sowie der Zufriedenheit (Motivation) erhöhen. Effizienzgewinne können durch Einsparungen von Büroarbeitsplätzen entstehen, da bei gleichzeitiger Einführung von „Shared Desks“ einige Beschäftigte keinen eigenen Arbeitsplatz benötigen. Durch Investitionen in Technologien, die flexibles Arbeiten ermöglichen, können in der Folge der Daten- und Informationsaustauch sowie die Kommunikation für alle erleichtert werden. Weiterhin können Arbeitskräfte gezielter zur benötigten Zeit und am benötigten Ort eingesetzt werden. Die bessere Erreichbarkeit der Mitarbeitenden kann Prozesse beschleunigen und eine schnelle Reaktionsfähigkeit sicherstellen. Flexible Arbeitsmodelle können eine vertrauensbasierte Führungskultur fördern, die Attraktivität als Arbeitgebende erhöhen und einen wichtigen Beitrag zur Fachkräfterekrutierung und Bindung der Mitarbeitenden leisten. Allerdings bringen eine verstärkte Orts- und Zeitflexibilität für Unternehmen auch Risiken mit sich. Bei einer unzureichenden Kommunikation und Koordination kann es zu Reibungsverlusten und erhöhten Aufwänden kommen, dynamische Prozesse können behindert werden. Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Koordination und Kontrolle des Arbeitsfortschritts und -einsatzes flexibel arbeitender Beschäftigter für die Unternehmen mit einem höheren Aufwand verbunden sein kann und die technische Ausstattung in der Regel mit einem höheren finanziellen Aufwand einhergehen dürfte. Daneben sind datenschutzrechtliche Fragen zu beantworten.
Fazit
Der digitale Umbruch der Arbeitswelt bringt neue Aufgaben, Chancen und Herausforderungen hervor, damit zeitliche Flexibilität im beiderseitigen Interesse von Mitarbeitenden und Betrieben sinnvoll gestaltet und effektiv genutzt werden können. Es gilt, die Vielfalt der individuellen Lebensmodelle und der betrieblichen Anforderungen vor dem Hintergrund der gesetzlichen Bestimmungen regelkonform in flexiblen Arbeitszeitmodellen abzubilden.
Raschid Bouabba