Herabsetzung des Tagessatzes in der Krankentagegeldversicherung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 12.03.2025 (IV ZR 32/24) entschieden, dass eine durch höchstrichterliche Entscheidung oder einen bestandskräftigen Verwaltungsakt für unwirksam erklärte Regelung in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) nur dann ersetzt werden kann, wenn mindestens die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung vorliegen.

Ausgangssituation und ursprüngliche Klausel
Ein Versicherungsnehmer hielt eine Krankentagegeldversicherung bei der beklagten Versicherungsgesellschaft. Die AVB enthielten eine Klausel, die eine Herabsetzung des Krankentagegeldsatzes bei gesunkenem Nettoeinkommen vorsah. Eine ähnliche Regelung hatte der BGH bereits 2016 wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot für unwirksam erklärt (BGH, IV ZR 44/15).
Neufassung der AVB und Klage des Versicherungsnehmers
Im Jahr 2018 passte die Versicherung ihre AVB entsprechend an und formulierte die Herabsetzungsklausel neu. Der Versicherungsnehmer hielt diese Neuregelung ebenfalls für unwirksam und klagte auf Fortführung des Vertrages mit dem ursprünglichen Tagessatz sowie auf Zahlung des Differenzbetrags und Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Gerichtliche Entscheidungsentwicklung
Das Landgericht gab der Klage überwiegend statt, das Berufungsgericht wies sie ab. Der BGH hob diese Entscheidung auf und stellte das landgerichtliche Urteil wieder her.
Begründung des BGH
Der BGH stellte klar, dass eine Ersetzung unwirksamer Klauseln in den AVB nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist. Eine ergänzende Vertragsauslegung sei nur zulässig, wenn:
- keine gesetzlichen Bestimmungen existieren, die die entstandene Lücke füllen können,
- es für den Versicherer unzumutbar wäre, an dem lückenhaften Vertrag festgehalten zu werden (§ 306 Abs. 3 BGB).
Diese Bedingungen sah der BGH hier nicht als erfüllt an. Zwar könne ein dauerhaft gesunkenes Nettoeinkommen das Risiko für den Versicherer subjektiv erhöhen, jedoch stelle dies keine unzumutbare Härte dar.
Wesentliche Argumente des Gerichts
- Die Krankentagegeldversicherung ist als Summenversicherung ausgestaltet, bei der die Versicherungsleistung vom tatsächlichen Nettoeinkommen abweichen kann – sowohl nach oben als auch nach unten.
- Die Vertragsparteien akzeptieren diese Inkongruenz teilweise selbst, etwa wenn ein gestiegenes Nettoeinkommen nicht automatisch zu einer Erhöhung der Versicherungsleistung führt.
- Falls sich der Wegfall der Herabsetzungsklausel auf die Prämienkalkulation auswirkt, kann der Versicherer nach vertraglichen oder gesetzlichen Regelungen eine Prämienanpassung vornehmen.
- Der Versicherer kann weiterhin unberechtigte Leistungsansprüche zurückweisen und vom Versicherungsnehmer Nachweise über das Vorliegen des Versicherungsfalls verlangen.
Fazit |
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Der BGH stärkt mit dieser Entscheidung die Rechte der Versicherungsnehmer. Versicherer können unwirksame Herabsetzungsklauseln nicht ohne weiteres ersetzen, sondern müssen sich an die bestehenden vertraglichen und gesetzlichen Regelungen halten. Dies bedeutet für Versicherte eine höhere Planungssicherheit und Schutz vor einseitigen Anpassungen durch den Versicherer. |
BFH, Urteil vom 12.03.2025 – IV ZR 32/24