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Abrechnungspraxis /// Arbeitsrecht : Enormer Aufwand – enorme Risiken : Das neue Gesetz zur Brückenteilzeit in der Nahaufnahme

Das neue Brückenteilzeitgesetz wirft weitaus mehr Fragen auf, als es auf den ersten Blick scheint. In unserem Gespräch mit der Expertin Dr. Michaela Felisiak erfuhren wir interessante Details.

Lesezeit 5 Min.

Frau Dr. Felisiak, was hat es mit dem sogenannten Brückenteilzeitgesetz auf sich?

Das Gesetz soll einen Weg aus der sogenannten Teilzeitfalle darstellen und gibt Arbeitnehmern das Recht, ohne bestimmten Grund die Arbeitszeit für ein bis fünf Jahre zu verringern. Damit können auch Arbeitnehmer, für die es bis jetzt keine gesetzliche Grundlage (beispielsweise aus dem Pflegezeit- oder dem Familienpflegezeitgesetz) gibt, begrenzt kürzertreten. Dieser befristete Teilzeitanspruch ist nicht an einen bestimmten Zweck gebunden, sodass die Brückenteilzeit auch für eine Weiterbildung, Ausübung eines Ehrenamtes oder in Sachen Work-Life-Balance interessant sein kann. Zudem bietet die Brückenteilzeit die Sicherheit, wieder in eine Vollzeitbeschäftigung zurückkehren zu können.

Angeblich kommt nun auf Unternehmen deutlich mehr Arbeit zu. Das Gesetz hingegen liest sich ziemlich einfach – die Brückenteilzeit ergänzt schlicht die reguläre Teilzeit. Oder?

Das ist richtig, dennoch erschwert die Brückenteilzeit gerade für kleinere Firmen die Personalplanung. Zeiträume, in denen Arbeitnehmern Brückenteilzeit gewährt wird, müssen überbrückt werden. Dies führt dazu, dass Personalabteilungen Zeitarbeits– und befristete Verträge prüfen müssen. Zwar kann die Brückenteilzeit durch befristete Verträge überbrückt werden, da dies ein Sachgrund nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ist. Sollte das Unternehmen allerdings für den reduzierten Umfang der Arbeitszeit keinen direkten Ersatz am Arbeitsmarkt finden, wird die Befristung schwierig: Sind Unternehmen entsprechend gezwungen, die Arbeit mehrstufig umzuorganisieren, entfällt dieser Sachgrund, da die befristete Einstellung dann nicht direkt für den Arbeitsplatz erfolgt, bei dem die Stunden reduziert wurden.

Zudem dürfte sich die Suche nach einer Ersatzkraft aufwendig gestalten. Ersatzkraft bedeutet, dass ein Arbeitnehmer nur für die beantragte Dauer der Brückenteilzeit, d. h. von mindestens einem bis maximal fünf Jahren, den Teil der reduzierten Arbeitszeit des Arbeitnehmers in einem befristeten Arbeitsverhältnis übernimmt. Ein IT-Spezialist wird sich jedoch wohl kaum für ein Arbeitsverhältnis mit zehn Stunden/Woche befristet für ein Jahr finden lassen. Bereits dies führt aus Arbeitgebersicht zu einem enormen Aufwand.

Was ist die Zumutbarkeitsgrenze für kleinere Unternehmen? Können Sie mir das an einem Beispiel illustrieren?

Die Inanspruchnahme der Brückenteilzeit setzt eine Unternehmensgröße von mehr als 45 Arbeitnehmern voraus. Um kleinere und mittlere Unternehmen nicht zu überfordern, wurde dieser Schwellenwert eingeführt. Wichtig ist hierbei, dass es nicht auf die Betriebsgröße ankommt, sondern auf das Unternehmen, sodass auch Kleinbetriebe größerer Unternehmen von diesem Gesetz erfasst sind.

Weiter gibt es die von Ihnen angesprochene Zumutbarkeitsgrenze für Unternehmen mit bis zu 200 Arbeitnehmern. Diese soll davor schützen, dass zu viele Arbeitnehmer gleichzeitig Brückenteilzeit nehmen. Daher sieht das Gesetz einen neu geschaffenen Ablehnungsgrund vor. Bei mehr als 45, aber weniger als 200 Arbeitnehmern muss nur ein Antrag auf Brückenteilzeit pro angefangene 15 Arbeitnehmer gewährt werden. Entsprechend können Anträge auf Brückenteilzeit abgelehnt werden, wenn bereits die im Gesetz genannte Anzahl an Teilzeitbeschäftigten mit Brückenteilzeit erreicht ist. Bei einem Unternehmen mit bis zu 60 Arbeitnehmern heißt das, dass nur vier Arbeitnehmern Brückenteilzeit gewährt werden muss.

Was passiert, wenn ich aus Versehen die Zumutbarkeitsgrenze überschreite und einem Arbeitnehmer zu viel Brückenteilzeit gewähre? Haben dann nicht alle anderen Arbeitnehmer auch diesen Anspruch?

Richtig. Wenn Arbeitgeber Anträgen auf Brückenteilzeit stattgeben, ohne dass sie dazu verpflichtet sind, kann dies einen Vertrauenstatbestand schaffen. Dies birgt die Gefahr in sich, dass weitere Arbeitnehmer sich auf einen Anspruch aus betrieblicher Übung berufen.

Welche Dokumentationspflichten hat der Arbeitgeber?

Für Unternehmen ist es wichtig, zu wissen, wann und wie lange die Zumutbarkeitsgrenze überschritten ist. D.h. man muss wissen, wie viele Arbeitnehmer genau im Unternehmen sind und wie viele davon bereits Brückenteilzeit gewährt bekommen haben bzw. wann diese endet. Wichtig ist, dass bei dieser Grenze nur die Arbeitnehmer zählen, die bereits in Brückenteilzeit sind. Nicht berücksichtigt werden hingegen diejenigen, die unbefristet in Teilzeit sind (§ 8 TzBfG) oder sich z. B. in Elternzeit oder Pflegeteilzeit befinden.

Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit zur Dokumentation. Unternehmen müssen dokumentieren, welche Teilzeitregelungen mit welchen Arbeitnehmern im Einzelnen existieren. Insoweit sollten sowohl der Rechtsgrund als auch die vereinbarten Zeiträume erfasst werden. Andernfalls haben Unternehmen keinen Überblick.

Welche Fallstricke gibt es noch?

Kann sich der Arbeitgeber nicht auf die angesprochene Zumutbarkeitsgrenze berufen, kann er nur betriebliche Gründe einwenden. Dies ist in der Praxis recht schwierig, da die Rechtsprechung hier strenge Maßstäbe ansetzt. Um hier eine Chance zu haben, sollten Arbeitgeber so schnell wie möglich mit der Suche nach einer Ersatzkraft beginnen und etwaige Misserfolge dokumentieren.

Weiter ist wichtig, darauf zu achten, dass die Form- und Fristvorschriften eingehalten werden. Arbeitnehmer müssen drei Monate, bevor sie in Brückenteilzeit gehen wollen, einen entsprechenden Antrag stellen. Insoweit reicht Textform – also E-Mail oder Fax. Bei dem Arbeitgeber gelten hier jedoch wiederum strengere Maßstäbe. Der Arbeitgeber muss schriftlich (also per Brief mit Originalunterschrift) widersprechen, und zwar spätestens einen Monat vor dem beantragten Beginn der Brückenteilzeit, sonst gilt der Antrag automatisch als genehmigt. Aus Arbeitgebersicht ist insoweit ein gutes Terminmanagement zwingend notwendig.

Auch müssen Maileingänge überwacht werden. Die bisherige gerichtliche Praxis zeigt, dass oft die Fälle vor Gericht landen, in denen Arbeitgeber die Form- oder Fristvorschriften bei der Ablehnung nicht gewahrt bzw. die erforderlichen Gründe nicht genannt haben. Kann spätestens dann keine einvernehmliche Einigung mit dem Arbeitnehmer erzielt werden, ist der Prozess schnell verloren.

Wie steht es mit Blick auf dieses Gesetz mit dem berühmten Bürokratieabbau?

Bürokratie wird durch dieses Gesetz sicherlich nicht abgebaut. Vielmehr bedeutet dieses Gesetz, gerade für kleinere Unternehmen, einen zusätzlichen bürokratischen Aufwand, sowohl hinsichtlich der Zumutbarkeitsgrenze als auch hinsichtlich der Dokumentation entgegenstehender betrieblicher Gründe und der Überbrückung der gewährten Brückenteilzeit.

Kann man sagen, dass dieses Gesetz für dicke Luft im Betrieb sorgen kann und die Gerichte beschäftigen wird?

Sollten mehrere Anträge auf Brückenteilzeit beim Arbeitgeber eingehen und die Zumutbarkeitsschwelle durch die Genehmigung eines Antrags erreicht werden, könnte dies zu einem Wettlauf der Arbeitnehmer führen.

Grundsätzlich kommt es auf die Reihenfolge der eingereichten Anträge an. Bei mehreren Anträgen am gleichen Tag entscheidet der Arbeitgeber jedoch im Rahmen des billigen Ermessens. Das kann zu Diskussionen führen, da eine entsprechende Entscheidung des Arbeitgebers insoweit schwer überprüfbar ist. Zwar muss keine Sozialauswahl wie bei einer betriebsbedingten Kündigung getroffen werden. Dennoch sind persönliche, soziale und familiäre Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen. Dies birgt sicherlich eine gewisse Rechtsunsicherheit in sich. Trotzdem gehe ich nicht davon aus, dass eine Klagewelle losrollt. Bis jetzt war es so, dass Arbeitgeber mit Arbeitnehmern, die sie behalten wollen, einvernehmliche Regelungen gefunden haben. Hieran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.

Eine Frau mit heller Haut und dunkelblondem Haar lächelt und strahlt Professionalität aus. Sie trägt einen dunklen Blazer und ein helles Oberteil, was auf ihre Expertise im Arbeitsrecht hindeutet. Der unscharfe Hintergrund zeigt Grünpflanzen und ein Fenster und schafft eine einladende Atmosphäre.
Dr. Michaela Felisiak

Frau Dr. Felisiak, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

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