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Warum Mobbing „immer“ Chefsache ist

Dr. Silvija FranjicSerie
Lesezeit 6 Min.

Mobbing in der Arbeitswelt: Ernsthafte Schäden und die Verantwortung der Führungskräfte

Es ist seit Jahren bekannt – Mobbing verursacht in der gesamten Volkswirtschaft Milliardenschäden. Strafbar ist es auch. Da geht es eben nicht um „kleine Zickenkriege“ oder Karriereangeleien, die Sache ist deutlich ernster. Was es mit den Betroffenen macht, ist etwas, was diese unter Umständen über lange Zeit „auslöffeln“ dürfen und unter Umständen nachhaltige, nicht wieder gutzumachende Schäden verursacht – sowohl psychisch als auch physisch. Warum Mobbing eigentlich „immer“ irgendwie Chefsache ist, soll hier genauer unter die Lupe genommen werden.

Mobbing – wo Schädigung zum System wird

Wer es nicht kennt, der denkt vielleicht, das kann man (selbst) in den Griff kriegen. Da Mobbing aber häufig zu einem großen Teil auf Hinterlistigkeit basiert, kann das schnell sehr schwierig, wenn nicht unmöglich werden. Versuchen Sie auch sonst mal, etwas zu kontrollieren, was Sie nur schwer beeinflussen können – je intelligenter der „Mobber“, desto anspruchsvoller ist dieses Unterfangen.

Hier ein kleiner Überblick an Aktionsfeldern:

  • Scheinbar kindische Handlungen, die als „Spaß“ verharmlost werden, wie das Grimassenschneiden vor anderen hinter dem Rücken oder auch weitere sich wiederholende Respektlosigkeiten gegenüber der Person, um sie lächerlich zu machen vor anderen.
  • Sachen, die in den Müll geworfen werden, mit der Absicht, dass man sie sucht und als dumm oder zumindest verwirrt dasteht, oder Stecker, die regelmäßig gezogen werden.
  • Eine systematische öffentliche Fehlerkommunikation, die Verbreitung von Lügen, das Vorenthalten wichtiger Informationen und sogar Aufträgen, Gerüchte verbreiten, Verdächtigungen äußern.
  • Das gezielte Isolieren und Ausschließen unter Nutzung der Gruppenbequemlichkeit, sich mit dem vermeintlich Stärkeren nicht anlegen zu wollen.

Tatsächlich mobben Männer und Frauen unterschiedlich. Männer üben Mobbing eher über körperliche, direkte oder hierarchische Aktivitäten aus. Hier kommt es dann auch schon mal zu Handgreiflichkeiten oder der „Boss“ wird herausgekehrt. Frauen hingegen lästern und tratschen lieber oder sie ignorieren gut und gerne. Beliebt ist auch das Spiel „Bist du nicht für mich, bist du gegen mich“.

Nicht zu verwechseln ist Mobbing damit, „dass sich zwei einfach nicht verstehen“. Der Vorsatz, zu schaden, steht beim Mobbing bewusst im Vordergrund und sollte auf keinen Fall verharmlost werden. Wenn Mobbing nicht schnell und gezielt unterbunden wird, fühlen sich die Mobber mächtig. Unter Umständen wird das „Erfolgsrezept“ ausgeweitet und richtet sich gegen andere – oder dann auch gerne gegen die Führungskraft, die nicht durchgreift. In diesem Fall haben Sie als Chef nicht nur schlecht geführt – Sie werden regelrecht vorgeführt.

Selbst schuld am Mobbing?

Sehr beliebt, um es sich einfach zu machen, ist der Ansatz „blame the victim“ – also „beschuldige das Opfer“. Diese Täter-Opfer-Umkehr ist nicht selten bei schwachen, unwissenden und uninformierten Führungskräften. Als mobbingfördernde Eigenschaften des Opfers selbst gelten auffällige äußere Erscheinungsmerkmale, ein Außenseiterstatus im Teamgefüge und eine mangelnde soziale Anpassungsfähigkeit. Unbeliebt macht sich, wer häufig unerwünschte Kritik äußert. Nicht selten sind die Probleme impliziert, wenn Frauen in typischen Männerberufen oder Männer in typischen Frauenberufen tätig sind – da fühlt sich der eine oder andere automatisch in seinem Selbstverständnis bedroht. Es können aber auch persönliche Charaktereigenschaften sein, durch die sich der Mobber herausgefordert fühlt. Dies kann von Faulheit bis Ehrgeiz reichen, von Unsicherheit bis zum Perfektionismus. Die Frage bleibt hier, wo die eigene „Schuld“ beginnt und wo die Führungskraft eingreifen und ausgleichen muss.

Was, wenn der Fisch vom Kopf her stinkt?

„Wer genug zu tun hat, der hat keine Zeit für Mobbing“, sagt mancher so lapidar. Aber so einfach darf man es sich hier auch nicht machen. Denn einige Faktoren liegen auch auf Unternehmensebene. Dazu gehören: ein schlechtes Arbeitsklima, der Mangel an Kommunikation und Konstruktivität und vorherrschende Kompetenzkonflikte und Konkurrenzkämpfe. Wer die Ellenbogenmentalität als leistungssteigerndes und -förderndes Element empfindet, muss diese Art des „Zusammenarbeitens“ auch richtig gut im Griff haben, sonst eskaliert es immer wieder und endet nicht selten „unschön oder gar böse“.

Besonders anfällig für ein schlechtes und mobbingförderndes Betriebsklima sind die Unternehmen, in denen es leicht zu Angst und Unruhe kommt, wie durch Veränderungen in der Branche und im Betrieb oder durch anstehende Firmenfusionen mit Reorganisation oder Neustrukturierungen als Folge. Vorsicht geboten ist auch bei einer hohen Fluktuation – hier ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Nachhaltigkeit und Harmonie nicht wirklich entstehen können. Hier herrschen eher Hektik, Existenzangst, Zeit- und Erfolgsdruck. Wenn dann noch Defizite in der Arbeitsorganisation hinzukommen, nicht geklärte Verantwortungsbereiche und Intransparenz, dann ist das „Pulverfass“ fast schon perfekt gebaut. Wer dem Ganzen dann noch mit mangelnder Führungskompetenz begegnet, der hat die perfekte Spielwiese für unbeschwertes Mobbing geschaffen und mag sich weiter über hohe Krankenstände und ständig wechselndes Personal „wundern“.

Nicht nur Führungsfehler – sondern schlichtweg strafbar!

Letztlich geht es beim Mobbing immer um ungelöste Konflikte. Wer Mobbing als Führungskraft bewusst zulässt, der nimmt guten Gewissens in Kauf, finanzielle und menschliche Ressourcen zu verheizen – ob so etwas als „gut“ gelten kann? In Deutschland gibt es – anders als in Frankreich und Schweden – zwar kein spezielles Schutzgesetz in Bezug auf Mobbing und es ist an sich auch kein explizites „Delikt“. Aufgrund der vorhandenen gesetzlichen Bestimmungen, wie etwa das Arbeitsschutzgesetz, ergeben sich jedoch einige Schutz- und Handlungsmöglichkeiten. Was zunächst wie eine Kette von „kleinen unbedeutenden Handlungen“ wirkt, kann sich insgesamt zum Tatbestand der Körperverletzung zusammenfügen, sollten sich daraus nachweislich körperliche Belastungen und Schädigungen für den Gemobbten ergeben. Der Gesetzgeber hat es dem Arbeitgeber mit Art. 1 und Art. 2 des deutschen Grundgesetzes (GG) zur Pflicht gemacht, seine Arbeitnehmer vor psychischer Belastung zu bewahren und seine Persönlichkeitsrechte, die Gesundheit und die Ehre zu schützen. Wegen der oft problematischen Beweislage kommt es aber selten zum Strafprozess bzw. zum Strafantrag. Also müsste derjenige, der wirklich eine gute (und gerechte) Führungskraft sein will, die strikte und systematische Unterbindung von Mobbing doch als seine absolute Pflicht und fast schon als ein heiliges „Gebot“ ansehen, oder?

Wann Mobbing gewollt ist und sogar „Bossing“ heißt

Es ist sicherlich auch nichts Neues, dass Mobbing durchaus auch als Kündigungsstrategie angewandt wird. Dabei wird Mobbing auch als Instrument zum Personalabbau genutzt. Was das über die Unternehmenskultur sagt, wenn dann alle unter einer Decke stecken, muss hier nicht ausgeführt werden. Wer sich wehrt, wenn Mobbing von oben gewollt ist, der geht am besten gleich mit … Dagegen ist man quasi noch machtloser, als wenn die Führungskraft „nur“ – aus welchen Gründen auch immer – nicht eingreift. Die Steigerung des Ganzen hat einen eigenen Begriff und heißt „Bossing“ – tatsächlich findet man hierzu immer mehr, wenn man zum Thema Mobbing recherchiert. Wie es aussehen kann, wenn der „Feind“ nicht nur im eigenen Büro oder Team sitzt, sondern hierarchisch über einem steht, ist von der Tragweite und Problematik nicht schwer auszumalen.

Der Möglichkeiten sind da deutlich mehr: ein nicht zu schaffendes Arbeitspensum, das man nicht einfach ablehnen kann, weil sonst Arbeitsverweigerung im Raum steht. In diesem Rahmen nicht erreichte Leistungsziele werden – auch finanziell – zur Herabstufung genutzt. Oder es wird absichtlich nicht zu hoch, sondern zu „niedrig“ gegriffen bei der Aufgabenverteilung, mit dem Ziel, zu zermürben, Erfolge zu verhindern und einen Eindruck von weniger Kompetenz nach außen zu vermitteln. Zum Mittel des Bossings wird häufig auch dann gegriffen, wenn der Vorgesetzte seinen „Untergebenen“ als Konkurrenten sieht und seine Leistungen als Bedrohung wahrnimmt. Glücklich schätzen kann sich, wer – wie auch sonst bei Mobbing – den Betriebsrat einschalten kann. Es empfiehlt sich insgesamt, möglichst viel Hilfe und Unterstützung von außen zu suchen und den Mobber nicht einfach „gewinnen“ zu lassen. Denn es geht immerhin um die eigene Gesundheit und den Erhalt des Arbeitsplatzes. Wer sich einfach versetzen lässt oder gar kündigt, hat dem Mobber das Feld kampflos (und erfolgreich) überlassen. Sollte es sich tatsächlich um „Bossing“ handeln, empfiehlt es sich umso mehr, Mitglied bei Verdi zu werden oder eine gute Rechtsschutzversicherung abzuschließen. Und – nicht zu vergessen – es gibt ja dann da auch vielleicht noch einen, der weiter oben sitzt – und der ist dann hoffentlich ein besserer Chef.

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