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Im Blick: Arbeitsrecht

Lesezeit 13 Min.

Direktionsrecht – Weisungen während der Freizeit müssen nicht berücksichtigt werden

Landesarbeitsgericht (LAG) Schles­ wig-Holstein, Urteil vom 27.09.2022 – 1 Sa 39 öD/22

Die Reichweite des Direktionsrechts ist oft Gegenstand von Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Art und Weise, in welcher Form eine Weisung ausgeübt wird, spielte dabei bislang eine nur untergeordnete Rolle. Eine aktuelle Entscheidung befasst sich mit Weisungen per SMS während der Freizeit eines Arbeitnehmers und zeigt, dass Freizeit tatsächlich Freizeit bleibt und Weisungen in dieser Zeit nicht zugehen.

Verortung des Urteils

Gemäß § 106 Gewerbeordnung (GewO) bestimmt der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen. Unter der Zeit der Arbeitsleistung versteht man dabei nicht die Dauer, sondern die zeitliche Lage der Arbeitszeit. So ist der Arbeitgeber kraft seines Direktionsrechts befugt, die Lage der Arbeitszeit durch Weisungen festzulegen und einseitig zu ändern.

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers wird aber begrenzt durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das Arbeitsschutzrecht, durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen sowie durch den Arbeitsvertrag selbst. Dabei stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber Weisungen auch während der Freizeit eines Arbeitnehmers erteilen kann. Das LAG Schleswig-Holstein hat kürzlich klargestellt, dass Arbeitnehmer in ihrer Freizeit keine dienstlichen Anrufe entgegennehmen bzw. SMS oder E-Mails lesen müssen. Damit kann das Weisungsrecht zwar ausgeübt werden, geht dem Arbeitnehmer aber während der Freizeit nicht zu.

Der Sachverhalt

Es ging um einen Notfallsanitäter und die Frage, ob dieser in seiner Freizeit auf eine kurzfristige Dienstplanänderung für den Folgetag reagieren muss. Die wöchentliche Arbeitszeit des Notfallsanitäters betrug zzgl. Bereitschaftsdienstzeiten 48 Stunden. Zudem fand eine Betriebsvereinbarung auf den Sachverhalt Anwendung, die festgelegt, dass die Notfallsanitäter auch zu Springerdiensten verpflichtet werden können, z. B. bei einer kurzfristigen Erkrankung eines Mitarbeiters. In diesem Fall muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer am Vortag bis spätestens 20.00 Uhr darüber informieren, dass er als Springer tätig sein soll.

Konkret war der Notfallsanitäter während seiner Freizeit in zwei Fällen sowohl telefonisch als auch per SMS bzw. per E-Mail nicht erreichbar gewesen. Der Arbeitgeber wollte auf diese Weise eine kurzfristige Dienstplanänderung, die er gemäß der geltenden Betriebsvereinbarung vorgenommen hatte, kommunizieren. Laut dieser Änderung hätte der Notfallsanitäter seinen Dienst am kommenden Tag um 6.00 Uhr morgens antreten sollen. Stattdessen meldete er sich, wie ursprünglich geplant, erst um 7.30 Uhr zur Arbeit. Der Arbeitgeber sah darin ein unentschuldigtes Fehlen und erteilte zunächst eine Ermahnung und sodann eine Abmahnung unter Abzug der nicht geleisteten Arbeitsstunden vom Arbeitszeitkonto.

Mit seiner Klage machte der Notfallsanitäter die Nachzahlung des vorenthaltenen Lohns und die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte geltend.

Die Entscheidung

Das LAG gab dem Notfallsanitäter recht. Die Abmahnung muss entfernt werden und die Fehlstunden müssen dem Arbeitszeitkonto wieder gutgeschrieben werden.

Zwar hatte der Arbeitgeber mit seiner Änderung des Dienstplans sein Direktionsrecht in zulässiger Weise ausgeübt. Die Änderung müsse dem Mitarbeiter aber auch entsprechend zugehen. D. h. die Änderung muss so in den Bereich des Empfängers gelangen, dass dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Hierbei gehören zum Empfängerbereich Einrichtungen wie Briefkasten, Postfach, E-Mail-Postfach oder Anrufbeantworter. Der Arbeitgeber ist jedoch für den Zugang der Weisung an den Arbeitnehmer darlegungs- und beweisbelastet.

Ein Arbeitnehmer sei nicht verpflichtet, so das LAG, sich in seiner Freizeit zu erkundigen, ob sein vor Beginn der Freizeitphase geltender Dienstplan nachträglich geändert worden ist. Er sei auch nicht verpflichtet, eine Mitteilung des Arbeitgebers – etwa per Telefon – entgegenzunehmen oder eine SMS zu lesen. Dies stelle eine Arbeitsleistung dar und gehöre damit zur Arbeitszeit. Das Recht auf Nichterreichbarkeit in der Freizeit diene neben dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers dem Persönlichkeitsschutz.

Das LAG sah auch kein treuwidriges Verhalten des Arbeitnehmers. Freizeit zeichne sich gerade dadurch aus, dass Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nicht zur Verfügung stehen müssten und selbstbestimmt entscheiden könnten, wie und wo sie diese Freizeit verbringen. In dieser Zeit wären sie nicht Bestandteil einer fremdbestimmten arbeitsrechtlichen Organisationseinheit und nicht Arbeitskraft. Selbst der nur minimale Zeitaufwand, der mit dem Lesen einer SMS verbunden wäre, rechtfertige keine andere Einschätzung, so das LAG Schleswig-Holstein.

Etwas anderes kann nur gelten, wenn der Arbeitnehmer mit der Abgabe rechtserheblicher Erklärungen durch den Arbeitgeber rechnen musste oder den Zugang der Weisung vereitelt, etwa, wenn der Arbeitnehmer im Bewusstsein über die Möglichkeit der Änderung des Dienstplanes das Schreiben des Arbeitgebers nicht annimmt.

Kurz erklärt

  • Der Entscheidung stellt klar, dass Arbeitnehmer ein Recht auf Nichterreichbarkeit in ihrer Freizeit haben.
  • Arbeitgeber, die kurzfristig Dienstpläne ändern müssen, müssen bei Ausübung ihres Direktionsrechts außerhalb der Arbeitszeit des Arbeitnehmers sicherstellen (und gegebenenfalls nachweisen) können, dass eine Weisung tatsächlich zur Kenntnis genommen wurde. Anderenfalls bleibt die Nichtbefolgung folgenlos und kann nicht als Pflichtverletzung gewertet und z.B. abgemahnt werden.

Praxistipp

Für die wirksame Ausübung des Weisungsrechts kommt es damit auf die Frage des Zugangs an. Anders könnte der Fall dann liegen, wenn die Kommunikation per SMS/E-Mail mit einem Arbeitnehmer üblich und ständige Praxis ist und – erst recht – wenn sich der Arbeitgeber eine Lesebestätigung geben lässt oder wenn der Arbeitnehmer ebenfalls dieses Medium als Kommunikationskanal nutzt.

Auch können sich z. B. für Arbeitnehmer, die eine besonders verantwortungsvolle Position (etwa Führungskräfte) innehaben, Ausnahmen ergeben. In diesem Fall kann durchaus erwartet werden, dass diese Arbeitnehmer in „Notfällen“ auch während ihrer Freizeit E-Mails beantworten oder auf anderem Wege für ihren Arbeitgeber erreichbar sind. Dies gilt auch im Falle von Urlaubszeiten. Damit kommt es – wie immer – auf eine Einzelfallentscheidung an.

Ein weiterer Aspekt: Bei der Änderung eines Dienstplans während der Freizeit des Arbeitnehmers entsteht das Risiko, dass Arbeitgeber mit der vom Arbeitnehmer gemäß dem ursprünglichen Dienstplan angebotenen Arbeitsleistung in Annahmeverzug geraten und das Arbeitsentgelt trotz des Nichteinsatzes des Arbeitnehmers fortzahlen müssen.

Kein Sonderkündigungsschutz für freiwillig bestellten Datenschutzbeauftragten

Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm, Urteil vom 06.10.2022 – 18 Sa 271/22

Dass Datenschutzbeauftragte einen hohen Kündigungsschutz genießen, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben. Was gilt aber, wenn ein Datenschutzbeauftragter bestellt wurde, obwohl dies gesetzlich nicht notwendig gewesen wäre – es sich also um einen sogenannten freiwilligen Datenschutzbeauftragten handelt? In diesem Fall gilt der Sonderkündigungsschutz nicht, entschied das LAG Hamm.

Verortung des Urteils

Es geht um zwei Fragen:

Ist in der vorliegenden Holding-Situation die Bestellung eines Datenschutzbeauftragten verpflichtend und genießt ein vorsichtshalber freiwillig bestellter (interner) Datenschutzbeauftragter den gleichen hohen Kündigungsschutz wie ein gesetzlich vorgesehener Datenschutzbeauftragter?

Die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) gibt den rechtlichen Rahmen zur Pflichtbestellung eines Datenschutzbeauftragten vor. Danach hängt die Bestellungspflicht nicht von der Anzahl von Beschäftigten in einem Unternehmen ab, sondern von den sogenannten Kerntätigkeiten:

Dabei geht es um Tätigkeiten des Unternehmens, die aus Datenverarbeitungsvorgängen bestehen, welche eine umfangreiche, regelmäßige und systematische Überwachung der betroffenen Personen ermöglichen.

Wenn Unternehmen solche Kerntätigkeiten ausüben (wie etwa Marktforschungsunternehmen), dann ist es Pflicht, einen Datenschutzbeauftragten zu benennen. Außerdem gilt die Bestellungspflicht, wenn in großem Umfang besondere Kategorien personenbezogener Daten nach Artikel 9 DS-GVO (etwa Gesundheitsdaten oder Daten zur Konfession) sowie personenbezogene Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten gemäß Art. 10 DS-GVO verarbeitet werden.

Darüber hinaus konkretisiert auch der deutsche Gesetzgeber die Anforderungen der DS-GVO im Rahmen des neu gefassten Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) in § 38: Demnach ist insbesondere dann ein betrieblicher Datenschutzbeauftragter (DSB) zu bestellen, wenn in dem Unternehmen in der Regel mindestens 20 Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt sind. Das betrifft beispielsweise Datenverarbeitungen unter Einsatz von EDV wie Outlook oder Excel, aber auch Softwareprogramme z. B. in Marketing- oder Sales-Abteilungen. Teilzeitkräfte, Aushilfen oder Praktikanten werden bei der Bemessung der Anzahl der Personen voll berücksichtigt.

Der Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung. Das Arbeitsverhältnis bestand nur anderthalb Monate. Der Kläger wurde als kaufmännischer Leiter eingestellt. Bei der Beklagten handelt es sich um eine Holding-Gesellschaft innerhalb einer Unternehmensgruppe. Zu dieser gehören auch die A GmbH & Co. KG sowie die B GmbH & Co. KG. Nach Tätigkeitsaufnahme wurde der Kläger mit drei gleichlautenden Schreiben zum Datenschutzbeauftragten aller drei Gesellschaften der C-Unternehmensgruppe bestellt. Mit Schreiben vom 01.09.2021 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2021.

Mit drei gleichlautenden Schreiben vom 01.09.2021 widerrief die Beklagte die Bestellung zum Datenschutzbeauftragten.

Der Kläger wandte sich gerichtlich gegen die Kündigung, berief sich auf den gesetzlichen Sonderkündigungsschutz gem. §§ 38, 6 Abs. 4 BDSG und argumentierte, die Beklagte sei verpflichtet, einen Datenschutzbeauftragten zu benennen; die Kerntätigkeit würde sich auf die Verarbeitung kritischer Daten in erheblichem Umfang beziehen. Die Beklagte nehme als Kerntätigkeit aufgrund vertraglicher Verpflichtung die Personalverwaltung sowie die Lohnabrechnung für über 100 Mitarbeiter der beiden anderen Gesellschaften wahr. Die Beklagte verarbeite hierbei personenbezogene Daten wie Namen, Anschrift, Geburtsdatum, die Religionszugehörigkeit und Gesundheitsdaten, auch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen oder die Schwerbehinderteneigenschaft sowie Kundendaten.

Die Beklagte argumentierte, sie sei nicht verpflichtet, einen Datenschutzbeauftragten zu benennen, da die Lohnbuchhaltung einen geringen Teil (2 bis 5 Prozent) der Gesamttätigkeit aller Mitarbeiter der Beklagten ausmache. Die Kunden seien ausschließlich juristische Personen. Die Beklagte beschäftige auch nicht 20 Personen mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten. Es finde keine umfangreiche und systematische Überwachung von Personen statt, insbesondere werde deren Verhalten nicht beobachtet. Die Beklagte führte weiter an, die Datenübermittlung innerhalb einer Unternehmensgruppe zum Zwecke der Lohnabrechnung sei keine Tätigkeit, welche die verpflichtende Benennung eines Datenschutzbeauftragten zur Folge habe. Im Übrigen sprach die Beklagte die ordentliche Kündigung innerhalb der Probezeit aus, da der Kläger während der Arbeit mehrfach geistig abwesend gewesen und eingeschlafen sei.

Im Blick Arbeitsrecht Aus 2-23
Im Blick Arbeitsrecht Aus 2-23

Die Entscheidung

Das LAG entschied, dass die Kündigung wirksam ist; die Voraussetzungen der §§ 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. § 6 Abs. 4 S. 2 BDSG liegen nicht vor. Auf nicht öffentliche Stellen ist der Sonderkündigungsschutz des § 6 Abs. 4 S. 2 BDSG nur anwendbar, wenn eine gesetzliche Verpflichtung zur Benennung eines Datenschutzbeauftragten (§ 38 Abs. 2 BDSG) besteht. Dies war vorliegend nicht der Fall. Das LAG stellt klar, dass es allein auf die Benennung als Datenschutzbeauftragter beim Vertragsarbeitgeber ankommt; die weiteren Bestellungen seien unerheblich. Denn der Sonderkündigungsschutz bezieht sich gem. § 6 Abs. 4 S. 2 Kündigungsschutz (KSchG) auf das jeweilige Arbeitsverhältnis.

Weiter verneinte das LAG eine Benennungspflicht aus Art. 37 Abs. 1 lit. b DS-GVO, denn die Überwachung von Personen muss in der Kontrolle ihres Verhaltens bestehen, sodass diese Fallgruppe die Überwachung und Beobachtung von Menschen voraussetzt.

Auch verneinte das LAG die Benennungspflicht aus Art. 37 Abs. 1 lit. c DS-GVO, da die Kerntätigkeit nicht in der umfangreichen Verarbeitung besonderer Kategorien von Daten gem. Art. 9 DS-GVO bestehe. Zwar ist die Beklagte mit der Entgeltabrechnung sowie Personalverwaltung für die gesamte C-Unternehmensgruppe befasst, sodass auch besondere Datenkategorien verarbeitet werden. Aber das LAG stellte fest, dass die Datenverarbeitung nicht umfangreich sei. Das LAG stellte auf Erwägungsgrund 91 S. 1 zur DS-GVO ab, wonach die Datenverarbeitung insbesondere umfangreich sei, wenn große Mengen personenbezogener Daten auf regionaler, nationaler oder supranationaler Ebene verarbeiten werden. Dies lag nicht vor.

Das LAG stellte auch fest, dass die Datenverarbeitung nicht als Kerntätigkeit der Beklagten anzusehen ist. Hierbei muss es sich um die prägende und nicht um eine Neben- bzw. Unterstützungstätigkeit für das Unternehmen handeln. Die Verarbeitung von eigenen Mitarbeiterdaten ist danach lediglich eine Unterstützungstätigkeit.

Das LAG hob hervor, dass die Personaldatenverarbeitung für weitere Unternehmen an der Bewertung nichts ändere, da nicht festgestellt werden konnte, dass die Datenverarbeitung für die Geschäftstätigkeit der Beklagten prägend ist. Hierzu war die Zahl der insgesamt in der Unternehmensgruppe tätigen Arbeitnehmer ebenfalls gering.

Auch aus § 38 Abs. 1 BDSG ergebe sich keine Benennungspflicht.

Damit verneinte das LAG im Ergebnis insgesamt eine Benennungspflicht, sodass kein Sonderkündigungsschutz für den Datenschutzbeauftragten bestand.

Kurz erklärt

  • Das LAG konkretisiert damit den unbestimmten Rechtsbegriff der „umfangreichen Verarbeitung“. Dieser soll i.d.R. vorliegen, wenn
  1. Daten über eine große Zahl von Betroffenen und/oder
  2. beträchtliche Datenmengen über einen längeren Zeitraum gesammelt werden oder
  3. wenn die Verarbeitung das übliche Maß bei weitem übersteigt.
  • Dies liegt bei kleineren, mittelständischen Unternehmen, die Personal verwalten und Entgeltabrechnungen durchführen, nicht vor. Vorliegend handelte es sich um 76 Arbeitnehmer. Insbesondere ist der Datenverarbeitungsumfang nicht mit den typischen Beispielsfällen wie Altersheimen, Krankenhäusern, Arztpraxen, Auskunfteien und Krankenversicherungen vergleichbar. • Eine eigene Personalabteilung führt noch nicht dazu, dass ein Datenschutzbeauftragter bestellt werden muss. Dies soll selbst dann nicht gelten, wenn in einer Holding-Struktur eine Personalabteilung für mehrere Gesellschaften im Rahmen einer Beauftragung tätig wird.

Praxistipp

Bei einer Holding-Struktur kann es unklar sein, ob eine Bestellungspflicht besteht oder nicht. Unternehmen können die diesbezüglichen Risiken dadurch mindern, dass sie einen externen Datenschutzbeauftragten (freiwillig) bestellen. Hier stellen sich die arbeitsrechtlichen Fragen des Sonderkündigungsschutzes nicht.

Als weitere Möglichkeit können Unternehmen bei Unsicherheiten auch stets eine Anfrage an die Aufsichtsbehörden richten, um die Frage der verpflichtenden Bestellung klären zu lassen. Von einer vorschnellen internen Bestellung sollten Unternehmen daher Abstand nehmen und die Bestellpflicht prüfen.

Im Blick Arbeitsrecht Aus 2-23-2
Im Blick Arbeitsrecht Aus 2-23-2

Fristlose Kündigung eines Datenschutzbeauftragten wegen Amtspflichtverletzung unwirksam

Arbeitsgericht (ArbG) Heilbronn, Urteil vom 29.09.2022 – 8 Ca 135/22

Die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Datenschutzbeauftragten aufgrund reiner Amtspflichtverletzungen ist unwirksam. In Frage komme nur eine Abberufung, entschied das Arbeitsgericht Heilbronn.

Verortung des Urteils

Erst letzten Sommer hatte das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 25. August 2022, Az: 2 AZR 225/20) die Kündigung einer Datenschutzbeauftragten – unter Einbeziehung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) – für unwirksam erklärt. Der Arbeitgeber hatte den Sonderkündigungsschutz nicht beachtet. Danach ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich unzulässig, es sei denn, es ist ein fristloser Kündigungsgrund gegeben. Wenn der Datenschutzbeauftragte nur reine Amtspflichten verletzt, kommt eine fristlose Kündigung nach Auffassung des Arbeitsgerichts Heidelberg gar nicht in Betracht, sondern nur eine Abberufung.

Der Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung. Die Beklagte beschäftigte den Kläger als Syndikusrechtsanwalt, Leiter der Rechtsabteilung und Datenschutzbeauftragten. Zusätzlich bestellte die Beklagte den Kläger als Datenschutzbeauftragten von drei weiteren Tochtergesellschaften.

Die Beklagte behauptete, sie sei mit der Arbeitsleistung seit vielen Jahren unzufrieden; diese solle unzureichend und von Verantwortungslosigkeit geprägt gewesen sein. Insbesondere habe der Kläger seine Aufgaben als Datenschutzbeauftragter über Jahre hinweg nicht wahrgenommen. Dies habe das Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Januar 2022 ergeben. Darin wurden insgesamt elf gravierende Datenschutzmängel im Unternehmen festgestellt, drei mit mittlerem und acht mit hohem Risiko. Dies war Anlass genug für den Ausspruch der fristlosen Kündigung, zumal der Kläger auch schon dreimal wegen der gleichen Pflichtverletzung (der vollkommen unzureichenden und von Verantwortungslosigkeit und Gleichgültigkeit geprägten Arbeitsleistung) abgemahnt worden war.

Im Blick Arbeitsrecht Aus 2-23-3
Im Blick Arbeitsrecht Aus 2-23-3

Die Entscheidung

Das ArbG entschied die Unwirksamkeit der Kündigung. Es handele sich nicht um die Verletzung von arbeitsvertraglichen, sondern, wenn überhaupt, um die Verletzung von sog. Amtspflichten eines internen Datenschutzbeauftragten. Das ArbG wies darauf hin, dass der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung allein wegen der Verletzung von Amtspflichten nicht gerechtfertigt sein kann. Selbst wenn man dies anders sehe, fehle vorliegend ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung. Die Umdeutung in eine ordentliche Kündigung sei nicht möglich.

Das Gericht führte aus, dass ebenso wie bei anderen Amtsträgern wie beispielsweise Betriebsräten stets zwischen der Verletzung von arbeitsvertraglichen Pflichten und solchen, die allein die Amtsführung betreffen, zu unterscheiden sei. Bei Verstößen gegen Amtspflichten, die nicht zugleich eine Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen, komme eine Abmahnung oder Kündigung nicht in Betracht, sondern die für Amtspflichtverletzungen gesetzlich vorgesehene Sanktion – hier die Abberufung.

Im Blick Arbeitsrecht Aus 2-23-4
Im Blick Arbeitsrecht Aus 2-23-4

Kurz erklärt

  • Ein Gutachten, das Datenschutzmängel feststellt, ist für den Nachweis des Vorliegens der notwendigen Pflichtverletzung nicht geeignet, da damit noch nicht geklärt ist, ob die Ursache für die Mängel beim Datenschutzbeauftragten liegt. Daher bedarf es eines konkreten Sachvortrags, dass der Datenschutzbeauftragte seine Pflichten verletzte und die fehlende Umsetzung von Datenschutzmaßnahmen auf die fehlende Eignung oder auf die fehlende Wahrnehmung seiner Amtspflichten oder die unzulängliche Beratung des Datenschutzbeauftragten zurückzuführen ist.

Praxistipp

In der vorliegenden Konstellation dürfte das Unternehmen nicht optimal zu den Pflichtverletzungen des Datenschutzbeauftragten vorgetragen haben. Es muss sowohl eine Pflicht in der Funktion als Datenschutzbeauftragter als auch eine arbeitsvertragliche Pflicht verletzt sein. Dies können Unternehmen künftig anders machen und sollte sie nicht daran hindern, bei Unzulänglichkeiten des Datenschutzbeauftragten tätig zu werden.

Dr. Michaela Felisiak, Rechtsanwältin, ADVANT Beiten

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