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Ausschluss im Arbeitsvertrag (un)wirksam? : Lohnabtretung – Zusammentreffen von Abtretung und Pfändung

Lesezeit 4 Min.

Die Abtretung ist eine vertragliche Forderungsübereignung, die einen Gläubigerwechsel bewirkt. Die Forderung wird von einem bisherigen Gläubiger (Zedenten) auf einen neuen Gläubiger (Zessionar) übertragen. Die Rechtsgrundlagen zur Abtretung finden sich in §§ 398 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Häufig lassen sich Banken, aber auch andere Gläubiger bei Verbraucherkrediten Lohnabtretungen unterschreiben. Befindet sich der Schuldner später mit der Rückzahlung in Verzug, kann der Gläubiger die Lohnabtretung dem Arbeitgeber zuschicken.

Der Gläubiger benötigt bei einer Lohnabtretung – anders als bei der Pfändung – vorher keinen vollstreckbaren Titel. Die Offenlegung (= Vorlage beim Arbeitgeber) der Lohnabtretung genügt. Der Arbeitgeber hat dann die pfändbaren Beträge zu ermitteln und an den Gläubiger abzuführen.

Wichtig:

Eine Forderung kann nicht abgetreten werden, soweit sie der Pfändung nicht unterworfen ist (§ 400 BGB). Abtretbar ist nur der pfändbare Teil des Arbeitseinkommens, d. h. die Berechnung des pfändbaren Betrags erfolgt wie bei der Lohn- und Gehaltspfändung.

Konkurrenz von Abtretung und Pfändung

„Maßgeblich für den Arbeitgeber ist (…) nicht der Zeitpunkt der Kenntniserlangung der Abtretung, sondern einzig der Zeitpunkt, in welchem die Abtretungsvereinbarung geschlossen wurde. Liegt dieser Zeitpunkt vor der Zustellung der Pfändung, ist die Abtretung (ab Offenlegung) vorrangig zu bedienen.“ (Antonia Schmidt-Busse, 2020, Lohnpfändung kompakt – Rechtsgrundlagen für die Praxis, 1. Auflage, Verlag DATAKONTEXT, Seite 127, 30.2.4)

BeispielZusammentreffen von Abtretung und Pfändung:

Gläubiger A hat im Jahr 2021 und Gläubiger B im Jahr 2022 dem Unternehmen einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wirksam zugestellt. Am 01.03.2023 wird von der Autobank XY eine Lohnabtretung offengelegt, welche bereits im Jahr 2018 geschlossen wurde. Die Autobank XY erhält den ersten Rang und ist ab 01.03.2023 vorrangig zu bedienen.

Ausschluss der Lohnabtretung im Arbeitsvertrag

Aufgrund der erläuterten Problematik der Konkurrenz von Abtretung und Pfändung war es üblich, entsprechende Lohnabtretungsverbote in den Arbeitsverträgen zu vereinbaren. Typische Formulierungen lauteten zum Beispiel: „Die Abtretung von Lohn-/ Gehalts- und sonstigen Ansprüchen auf Vergütung ist ausgeschlossen.“ Dies war nach herrschender Meinung aufgrund der Regelung in § 399 BGB zulässig. Allerdings gab es in der Literatur auch Stimmen, dass ein solches Lohnabtretungsverbot zu tief in die Gestaltung der Vermögensangelegenheiten des Arbeitnehmers eingreift.

Gesetzliche Änderung!

Unwirksames Lohnabtretungsverbot im Arbeitsvertrag – „Neuverträge“

Bei einem Arbeitsvertrag handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Diese unterliegen der sog. AGB-Kontrolle nach §§ 307 BGB ff.: „Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.“ (§ 307 Abs. 1 BGB)

Durch das Gesetz für faire Verbraucherverträge wurde mit Wirkung zum 01.10.2021 § 308 Nr. 9 BGB (Abtretungsausschluss) eingefügt. Nach dieser Vorschrift ist eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen insbesondere unwirksam, wenn die Abtretbarkeit für einen auf Geld gerichteten Anspruch des Vertragspartners gegen den Verwender ausgeschlossen wird (§ 308 Nr. 9a BGB).

Dieses Klauselverbot betrifft auch das im öffentlichen Dienst verbreitete abgemilderte Abtretungsverbot, nach dem der Arbeitnehmer sein Arbeitseinkommen an Dritte nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung des Arbeitgebers abtreten darf.

Lohnabtretung
Lohnabtretung

Wirksames Lohnabtretungsverbot im Arbeitsvertrag – „Altverträge“

Für Schuldverhältnisse (= auch Arbeitsverhältnisse), die vor dem 01.10.2021 entstanden sind, gilt die bisherige Rechtslage weiter. Dies ergibt sich aus § 60 (Übergangsvorschrift zum Gesetz für faire Verbraucherverträge) des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch: „Auf ein Schuldverhältnis, das vor dem 01.10.2021 entstanden ist, sind die §§ 308 und 310 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung anzuwenden.“

Kollektive Abtretungsverbote

„Tarifverträge werden von der AGB-Kontrolle nicht erfasst (§ 310 Abs. 4 BGB), sie unterliegen auch keiner Billigkeitskontrolle der §§ 315, 317 BGB, sondern lediglich einer Überprüfung, ob sie gegen höherrangiges Recht, also gegen die Verfassung, zwingendes Gesetzesrecht, die guten Sitten oder tragende Grundsätze des Arbeitsrechts verstoßen. Bei Abtretungsverboten ist ein derartiger Verstoß gegen höherrangiges Recht nicht auszumachen.“ (Antonia Schmidt-Busse, 2020, Lohnpfändung kompakt – Rechtsgrundlagen für die Praxis, 1. Auflage, Verlag DATAKONTEXT, Seite 126/127, 30.2.3)

Nach Auffassung des Autors ändert sich an den zitierten Ausführungen auch durch die Neuregelung des § 308 Nr. 9 BGB nichts, sodass ein Abtretungsverbot in einem Tarifvertrag (weiterhin) wirksam von den Tarifvertragsparteien vereinbart werden kann.

Ob ein Abtretungsverbot wirksam in einer Betriebsvereinbarung getroffen werden kann, ist nach wie vor umstritten. Auch wenn eine Betriebsbzw. Dienstvereinbarung nicht der AGB-Kontrolle unterliegt, geht die herrschende Meinung davon aus, dass ein Abtretungsverbot in einer Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung nicht wirksam getroffen werden kann, u. a. wegen des Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 75 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz).

Fazit

Sofern noch nicht geschehen, sollten die Arbeitsverträge an die aktuelle Rechtslage angepasst werden. Auch durch diese gesetzliche Änderung erfährt die Entgeltabrechnungspraxis – wie so häufig – einen nicht zu unterschätzenden Mehraufwand an Zeit und Kosten. Streitigkeiten sind besonders dann vorprogrammiert, wenn ein bisheriger Pfandgläubiger durch eine später offengelegte Lohnabtretung – abgeschlossen vor der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses – von seinem Rang verdrängt wird. Das gilt umso mehr, wenn der Abtretungsgläubiger ein naher Verwandter des Schuldners (Arbeitnehmers) ist. Ja, solche Fälle gibt es durchaus in der realen Abrechnerwelt.

Frank Müller, Betriebswirt (VWA), Beratung/Training Entgeltabrechnung, www.frag-den-mueller.de

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