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Pfändungsfreibetrag : Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung

Der geldwerte Vorteil von 0,03 Prozent für Fahrten zwischen der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte ist kein Arbeitseinkommen im Sinne der Zivilprozessordnung (ZPO) bzw. des Pfändungsrechts.

Lesezeit 5 Min.

Erhält der Schuldner neben seinem in Geld zahlbaren Einkommen von demselben Arbeitgeber auch Naturalleistungen, so sind Geld- und Naturalleistungen zusammenzurechnen (Nettowert der Naturalleistungen zzgl. Nettowert des Barlohns).

Ein gesonderter Zusammenrechnungsbeschluss ist insoweit nicht erforderlich. In diesem Fall ist der in Geld zahlbare Betrag insoweit pfändbar, als der nach § 850c Zivilprozessordnung (ZPO) unpfändbare Teil des Gesamteinkommens durch den Wert der dem Schuldner verbleibenden Naturalleistungen gedeckt ist (850e Nr. 3 ZPO). Unter Naturalleistungen fallen neben der privaten Nutzungsmöglichkeit eines Firmenwagens auch Mahlzeiten, Deputate, die Überlassung einer Wohnung, Personalrabatte oder auch Gutscheine. Da die Naturalleistungen als solche unpfändbar sind, können die pfändbaren Beträge nur dem Barlohn entnommen werden.

Wertansatz bei Naturalleistungen

Grundsätzlich ist der ortsübliche Wert anzusetzen, also der tatsächliche Nettowert der Naturalleistungen nach Abzug der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Beträge. Als (Brutto-)Grundlage zur Wertermittlung kann der Arbeitgeber auch auf die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Wertansätze zurückgreifen.

Wichtig

Wichtig

Steuerliche Begünstigungen finden keine Anwendung. So ist beispielsweise der Rabattfreibetrag nach § 8 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von 1.080 Euro im Kalenderjahr oder die Sachbezugsfreigrenze nach § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG in Höhe von 50 Euro bei der Ermittlung des pfändbaren Betrags nicht zu berücksichtigen (vgl. hierzu auch Hock/Hock, 2014, Lohnpfändung und Verbraucherinsolvenz, 2. Auflage, Verlag C.H. Beck, Seite 31, Rn. 198).

Ein Mann mit grauem Haar und Bart steht neben einem silbernen Elektroauto und telefoniert. Er trägt einen hellgrauen Anzug und hält den Autoschlüssel in seiner linken Hand. Die Ladebuchse des Autos ist geöffnet, im Hintergrund ist ein modernes Gebäude mit Glasfenstern zu sehen.
Foto: Halfpoint/stock.adobe.com

Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung – Pfändungsfreibetrag

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 31.05.2023 – 5 AZR 273/22 – in seiner Pressemitteilung Nummer 26/23 Folgendes ausgeführt (Auszug):

„Die vereinbarte Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung ist regelmäßig eine Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung und damit ein Sachbezug iSv. § 107 Abs. 2 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO). Der Wert dieses Sachbezugs beläuft sich grundsätzlich auf 1 % des Listenpreises des PKW zzgl. Sonderausstattungen und Umsatzsteuer im Zeitpunkt der Erstzulassung. Nach § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO darf dieser Wert allerdings nicht die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts übersteigen. Der unpfändbare Betrag des Entgelts muss dem Arbeitnehmer in Geld ausgezahlt werden… Nicht einbezogen wird dabei der steuerlich zu berücksichtigende geldwerte Vorteil für die Nutzung des PKW auf dem Weg von der Wohnung zum Betrieb in Höhe von monatlich 0,03 % des Listenpreises für jeden Entfernungskilometer.“

Berechnung pfändbarer Betrag in Verbindung mit einem Dienstwagen

Beispiel – mit Berücksichtigung des geldwerten Vorteils aus der 0,03-Prozent-Regel als Arbeitseinkommen:

Gehalt 4.000 Euro monatlich, Dienstwagen Bruttolistenpreis 30.000 Euro, einfache Entfernung Wohnung – erste Tätigkeitsstätte 80 km

Es ergibt sich folgende Berechnung:

Berechnung

Bruttobarlohn

4.000,00 Euro

+ geldwerter Vorteil 1 % 30.000 Euro × 1 % =

300,00 Euro

+ geldwerter Vorteil 0,03 % 30.000 Euro × 0,03 % × 80 km =

720,00 Euro

Gesamteinkommen (Pfändungsbrutto) =

5.020,00 Euro

./. steuerrechtliche Abzüge (I/0)

894,14 Euro

./. sozialversicherungsrechtliche Abzüge

1.056,71 Euro

Pfändbares Nettoeinkommen (Pfändungsnetto)

3.069,15 Euro

Pfändbarer Betrag ohne unterhaltsberechtigte Personen

1.160,40 Euro

Auszahlungsbetrag an den Arbeitnehmer

Berechnung

Brutto-Arbeitseinkommen

5.020,00 Euro

./. gesetzliche Abzüge aus 5.020,00 Euro

- 1.950,85 Euro

gesetzliches Netto

= 3.069,15 Euro

geldwerter Vorteil

- 1.020,00 Euro

Überweisung an Pfandgläubiger

- 1.160,40 Euro

Überweisung an Arbeitnehmer

= 888,75 Euro

Beispiel – ohne Berücksichtigung des geldwerten Vorteils aus der 0,03-Prozent- Regel als Arbeitseinkommen gem. BAG, Urteil vom 31.05.2023:

Gleicher Sachverhalt wie im Beispiel mit Berücksichtigung des geldwerten Vorteils

Es erfolgt eine Neben-/Schattenrechnung ohne Berücksichtigung des geldwerten Vorteils von 0,03 Prozent und der hieraus fiktiven gesetzlichen Abzüge. In der Echt-Abrechnung sind natürlich beide geldwerten Vorteile (weiterhin) zu berücksichtigen.

Berechnung

Bruttobarlohn

4.000,00 Euro

+ geldwerter Vorteil 1 % 30.000 Euro × 1 % =

300,00 Euro

+ geldwerter Vorteil 0,03 % pfändungsrechtlich keine Berücksichtigung

0,00 Euro

Gesamteinkommen (Pfändungsbrutto) =

4.300,00 Euro

./. steuerrechtliche Abzüge (I/0)

683,18 Euro

./. sozialversicherungsrechtliche Abzüge

905,15 Euro

Pfändbares Nettoeinkommen (Pfändungsnetto)

2.711,67 Euro

Pfändbarer Betrag ohne unterhaltsberechtigte Personen

915,40 Euro

Auszahlungsbetrag an den Arbeitnehmer

Berechnung

(tatsächliches) Brutto- Arbeitseinkommen

5.020,00 Euro

./. gesetzliche Abzüge aus 5.020,00 Euro

- 1.950,85 Euro

gesetzliches Netto

= 3.069,15 Euro

geldwerter Vorteil

- 1.020,00 Euro

Überweisung an Pfandgläubiger

- 915,40 Euro

Überweisung an Arbeitnehmer

= 1.133,75 Euro

Wenn die Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte und/ oder der Bruttolistenpreis entsprechend hoch sind/ist, können sich durchaus nennenswerte Minderungen des pfändbaren Betrags ergeben. In unserem Beispielsfall sind dies immerhin 245 Euro weniger, die an den Gläubiger abgeführt werden müssen.

„§ 850e Nr. 3 ZPO kennt keine Verrechnungsgrenze in Bezug auf Sachbezüge. Allerdings bestimmt § 107 II 5 GewO, dass der Wert der vereinbarten Sachbezüge die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen darf. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass dem Arbeitnehmer mindestens der ihm nach § 850c ZPO zustehende Pfändungsfreibetrag in Geld ausgezahlt wird. Ohne Lohnpfändung müsste der Arbeitgeber die Differenz zwischen dem unpfändbaren Lohnbestandteil und dem Nettowert der Naturalleistung an den Arbeitnehmer in bar auszahlen, wenn der Wert der Naturalleistung den Wert des unpfändbaren Betrages übersteigt. Diese Pflicht würde bei einer Lohnpfändung entfallen, da hier sowohl der Barlohn als auch der Wert der Naturalleistung auf den unpfändbaren Teil des Lohns verrechnet werden kann.

(§ 850e Nr. 3 Satz 2 ZPO).“ (Antonia Schmidt-Busse, 2020, Lohnpfändung kompakt – Rechtsgrundlagen für die Praxis, 1. Auflage, Verlag DATAKONTEXT, Seite 60, 5.8).

Eine Frau im Business-Outfit steht neben einem silbernen Auto, hält mit einer Hand den Türgriff und schaut mit der anderen auf ihr Handy. Sie trägt eine schwarze Umhängetasche und befindet sich in einer Gegend mit Grünflächen und einem modernen Gebäude im Hintergrund.
Foto: Zamrznuti tonovi/stock.adobe.com

Bezogen auf unser Beispiel wird die Vorschrift des § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO ohne Vorliegen einer Lohn- und Gehaltspfändung eingehalten:

Berechnung

Brutto-Arbeitseinkommen

5.020,00 Euro

gesetzliche Abzüge aus 5.020,00 Euro

- 1.950,85 Euro

gesetzliches Netto

= 3.069,15 Euro

geldwerter Vorteil

- 1.020,00 Euro

Überweisung an Arbeitnehmer

= 2.049,15 Euro

gesetzliches Netto

= 3.069,15 Euro

pfändbarer Betrag

- 1.160,40 Euro

= 1.908,75 Euro

Praxishinweis

Praxishinweis

Die besprochene Zusammenrechnungsvorschrift von Barlohn und Naturalleistungen findet ausdrücklich nur auf gewöhnliche Pfändungen (Normalpfändungen) Anwendung, da sich § 850e Nr. 3 ZPO ausdrücklich nur auf § 850c ZPO bezieht. „Einer Erwähnung der Unterhaltsgläubiger bedurfte es nicht, weil bei Unterhaltsvollstreckungen das Vollstreckungsgericht den Wert der Naturalbezüge bei Festlegung des notwendigen Unterhalts des Schuldners (§ 850d I 2 ZPO) ohnehin zu berücksichtigen
hat.“ (Schmidt-Busse nach Stein/Jonas; Boewer in Antonia Schmidt-Busse, 2020, Lohnpfändung kompakt – Rechtsgrundlagen für die Praxis, 1. Auflage, Verlag DATAKONTEXT, Seite 60, 5.8).

Fazit

In der Praxis wird immer wieder über die Formulierung diskutiert, welche auch im genannten BAG-Urteil zu finden ist, , nämlich dass nach § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO der Wert des geldwerten Vorteils nicht die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts übersteigen darf. Der unpfändbare Betrag des Entgelts muss dem Arbeitnehmer in Geld ausgezahlt werden. Dies gilt arbeitsrechtlich! Bei Vorliegen einer Lohn- und Gehaltspfändung hingegen kann sowohl der Barlohn als auch der Wert der Naturalleistung auf den unpfändbaren Teil angerechnet werden.

Dieser Betrag wird auch mindestens in Geld ausgezahlt. Erst durch die Pfändung ist dies nicht mehr der Fall. Und dann greift § 850e Nr. 3 Satz 2 ZPO.

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