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Im Blick: Arbeitsrecht

Kündigungsschutzverfahren ziehen sich gewöhnlich. Oftmals suchen sich Arbeitnehmer während eines laufenden Prozesses bereits eine neue Beschäftigung. Was passiert aber mit dem ggf. parallel entstehenden Urlaubsanspruch?

Lesezeit 17 Min.

BAG: Urlaubsabgeltung bei parallelen Arbeitsverhältnissen

Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 05.12.2023 – 9 AZR 230/22

Kündigungsschutzverfahren ziehen sich gewöhnlich. Oftmals suchen sich Arbeitnehmer während eines laufenden Prozesses bereits eine neue Beschäftigung. Was passiert aber mit dem ggf. parallel entstehenden Urlaubsanspruch?

Der wird verrechnet, entschied das BAG. Sollte ein Arbeitnehmer nach einer unrechtmäßigen Entlassung einen neuen Job antreten und ein Gericht später die arbeitgeberseitige Kündigung des vorhergehenden Arbeitsverhältnisses für ungültig erklären, muss er sich während des Doppelarbeitsverhältnisses vom neuen Arbeitgeber erhaltenen Urlaub auf Urlaubsansprüche gegen seinen alten Arbeitgeber anrechnen lassen.

Verortung des Urteils

Der Anspruch auf Urlaub besteht nach § 6 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) nicht, soweit dem Arbeitnehmer für das laufende Kalenderjahr bereits von einem früheren Arbeitgeber Urlaub gewährt worden ist. Die Vorschrift regelt den Urlaubsanspruch, wenn der Arbeitnehmer während des Urlaubsjahres den Arbeitgeber wechselt. Sie erfasst jedoch nicht den Fall, dass ein Arbeitnehmer nach einer Kündigung des Arbeitgebers ein anderweitiges Arbeitsverhältnis eingegangen ist und festgestellt wird, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. In einem solchen Fall liegt ein Doppelarbeitsverhältnis vor.

2012 hatte der BAG einen ähnlichen Fall schon einmal zu entscheiden. Damals stellte das BAG darauf ab, dass der betroffene Arbeitnehmer nicht in der Lage gewesen wäre, Arbeitspflichten aus beiden Vertragsverhältnissen gleichzeitig zu erfüllen. Hierauf kommt es in dem aktuellen Urteil gerade nicht an.

Ein Mann im Anzug sitzt auf einem Stuhl mit Blick aufs Meer. Neben ihm steht eine Aktentasche. Der Strand ist ruhig und das Meer erstreckt sich unter einem klaren Himmel bis zum Horizont.
Foto: JMarques/stock.adobe.com

Der Sachverhalt

Es geht um die Urlaubsabgeltungsansprüche einer Fleischereifachverkäuferin für die Jahre 2020 und 2021. Sie war seit Dezember 2014 beim Beklagten beschäftigt, mit einem vertraglich vereinbarten Anspruch auf 30 Urlaubstage pro Jahr. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis zunächst am 23.12.2019 außerordentlich und fristlos. Dagegen legte die Klägerin Kündigungsschutzklage ein, woraufhin das Arbeitsgericht Lüneburg ihr am 09.09.2020 Recht gab und das Urteil rechtskräftig wurde.

Im Mai 2021 erfolgte durch den Beklagten eine weitere außerordentliche Kündigung, die das Arbeitsverhältnis beendete. Während des Rechtsstreits um die erste Kündigung trat die Klägerin ein neues Arbeitsverhältnis an und erhielt dort 2020 für 25 Arbeitstage und 2021 für zehn Arbeitstage (bis zum Ende ihres Arbeitsverhältnisses beim Beklagten) Urlaub.

Die Klägerin forderte zuletzt die Abgeltung von insgesamt sieben Tagen vertraglichen Mehrurlaubs, fünf Tage aus 2020 und zwei Tage aus 2021, und argumentierte, dass eine Anrechnung des bei einem neuen Arbeitgeber genommenen Urlaubs auf den vertraglichen Mehrurlaub nicht zulässig sei. Der Beklagte hielt dagegen, dass der von einem neuen Arbeitgeber gewährte Urlaub vollständig angerechnet werden müsse.

Die ersten beiden Instanzen wiesen den Abgeltungsanspruch der Klägerin ab. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen entschied, dass sich die Klägerin den bei ihrem neuen Arbeitgeber genommenen Urlaub auf ihre Urlaubsansprüche beim Beklagten anrechnen lassen muss, und berief sich dabei auf die rechtlichen Prinzipien des Annahmeverzugs, konkret auf § 11 Nr. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) und § 615 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Die Entscheidung

Auch das BAG wies den Revisionsantrag der Klägerin bezüglich der Urlaubstage aus dem Jahr 2020 ab, begründete dies aber anders als das LAG, sodass der Fall zur weiteren Verhandlung an das LAG zurückverwiesen wurde.

Das BAG machte einen Unterschied zwischen den Urlaubsansprüchen für 2020 und 2021 und entschied, dass bei Doppelarbeitsverhältnissen, die durch eine unwirksame Kündigung entstehen, zur Verhinderung von doppelten Urlaubsansprüchen der Urlaub, den der Arbeitnehmer beim neuen Arbeitgeber erhält, auf den Abgeltungsanspruch beim alten Arbeitgeber anzurechnen ist. Begründet wurde dies mit der Systematik des Bundesurlaubsgesetzes. Danach muss die Anrechnung kalenderjahresbezogen erfolgen. Das BAG entschied, dass dies sowohl für den gesetzlichen Mindesturlaub als auch für den vertraglichen Mehrurlaub gilt, außer es gibt klare Hinweise, dass der Mehrurlaub nicht anrechenbar ist. Fehlen solche Hinweise, muss auch der Mehrurlaub angerechnet werden.

Entsprechend kam das BAG zu dem Ergebnis, dass durch die Anrechnung der Urlaubsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten für das Jahr 2020 vollständig entfallen ist. Für den Urlaubsanspruch aus 2021 sei eine weitere Prüfung notwendig, um zu klären, ob die vom neuen Arbeitgeber im Jahr 2021 gewährten zehn Urlaubstage ausschließlich Ansprüche dieses Jahres abdecken oder auch Resturlaub aus dem Vorjahr einschließen.

Kurz erklärt

  • Das LAG war noch von einer kalenderjahresübergreifenden Anrechnung ausgegangen. Das BAG sieht dies anders und meint, dass die Anrechnung kalenderjahresbezogen erfolgen muss.
  • Rechtlich stützt sich das BAG auf eine Analogie von § 11 Nr. 1 KSchG, § 615 S. 2 BGB.
  • Wichtig ist der Hinweis, dass eine Anrechnung nicht nur für den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern auch für den vertraglichen Mehrurlaub gelte, sofern keine deutlichen Anhaltspunkte vorlägen, wonach der vertragliche Mehrurlaub einer Anrechnung entzogen ist.
  • Erhält der Arbeitnehmer in seinem neuen Arbeitsverhältnis eine geringere Vergütung als von seinem alten Arbeitgeber, können im Rahmen der Urlaubsabgeltung Differenzbeträge zu erstatten sein.
Praxistipp

Praxistipp

Eine wichtige Entscheidung, die Arbeitgeber kennen müssen. Sollte eine ausgesprochene Kündigung sich im Nachhinein als unwirksam darstellen, sollten Unternehmen sich nach einer Anschlussbeschäftigung erkundigen. Sollte aufgrund einer festgestellten Unwirksamkeit der Kündigung ein Doppelarbeitsverhältnis vorliegen, müssen Arbeitgeber nicht den vollständigen Urlaubsanspruch abgelten!

Entzug der Möglichkeit der Nutzung eines Dienstwagens

Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm, Urteil vom 23.01.2024 – 6 Sa 1030/23

Dienstwagen erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit und spielen für viele Arbeitnehmer aufgrund der regelmäßig vereinbarten Privatnutzungsmöglichkeit eine wichtige Rolle. Doch was, wenn sich die Aufgabe des Arbeitnehmers ändert und er nicht mehr dauerhaft aus beruflichen Gründen ein Fahrzeug braucht? Dann kommt es auf den Inhalt der Dienstwagenvereinbarung und die Formulierung der Widerrufsgründe an! Eine interessante Entscheidung des LAG Hamm, die zeigt, wie wichtig eine sorgfältige Formulierung ist.

Verortung des Urteils

Die Überlassung eines Dienstwagens ist Lohnbestandteil, wenn der Wagen auch privat genutzt werden kann. Als Teil der Arbeitsvergütung stellt die Gebrauchsüberlassung regelmäßig eine zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung dar. Dennoch kann der Arbeitgeber den Firmenwagen zurückverlangen. Allerdings ist die Ausübung eines vorbehaltenen Widerrufs mit transparentem Widerrufsgrund nur nach billigem Ermessen möglich. Mithin kommt es darauf an, dass die vereinbarte Widerrufsklausel einer AGB-Kontrolle standhält.

Anspruchsgrundlage für die Überlassung eines Firmenwagens ist in aller Regel eine entsprechende vertragliche Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien. Es empfiehlt sich dabei in jedem Fall, entweder im Arbeitsvertrag oder in einer gesonderten Vereinbarung („Dienstwagenvereinbarung“) die Kraftfahrzeugüberlassung sowie die Modalitäten einer Rückgabe zu regeln. Bei der Formulierung des Widerrufsvorbehalts kommt es unter anderem auf die transparente Formulierung des Widerrufsgrunds an. Allerdings muss auch die Ausübung billigem Ermessen entsprechen, woran es fehlt, wenn der Arbeitnehmer keinen finanziellen Ausgleich für die entfallene Privatnutzung erhält.

Ein überfüllter Parkplatz mit zahlreichen Autos, die dicht an dicht gedrängt stehen und kaum Platz zwischen ihnen lassen. Die Autos sind von unterschiedlichen Modellen und in verschiedenen Farben, darunter weiß, schwarz, silber und rot. Die Szene wirkt geschäftig und überfüllt.
Foto: Wannachai/stock.adobe.com

Der Sachverhalt

Der Kläger ist seit 2009 bei der Beklagten beschäftigt. Sein Bruttojahresgehalt belief sich zuletzt auf ca. 130.000 Euro inkl. des geldwerten Vorteils für die Privatnutzung eines Dienstwagens i. H. v. 1.119 Euro brutto/Monat. Im Mai 2015 hatten die Parteien einen Arbeitsvertrag geschlossen, wonach der Kläger ab dem Juli 2015 als Salesmanager innerhalb des Geschäftsbereichs Marketing und Vertrieb eingesetzt werden sollte. Regelungen zur Überlassung eines Dienstwagens enthielt der Vertrag selbst nicht. Gemäß einer Vertragsergänzung stellte die Beklagten dem Kläger während der Ausübung der Tätigkeit als Salesmanager ein sog. funktionsabhängiges Geschäftsfahrzeug (Dienstwagen) zur Verfügung.

Im Juni 2021 vereinbarten die Parteien eine Vertragsergänzung, wonach der Kläger ab Juli 2021 als Gebietsleiter Verkauf innerhalb des Geschäftsbereichs Marketing und Vertrieb eingesetzt werden sollte. Weiter hieß es, dass die Übertragung einer anderen zumutbaren, den Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechenden gleichwertigen Tätigkeit im Falle betrieblicher Erforderlichkeit vorbehalten bleibe. Zugleich vereinbarten die Parteien im Hinblick auf den überlassenen Dienstwagen Folgendes:

„1. Während der Ausübung Ihrer Tätigkeit ab 01.07.2021 als Gebietsleiter/in Verkauf (…) erhalten Sie folgende Leistung: a) Das Unternahmen stellt Ihnen ein funktionsabhängiges Geschäftsfahrzeug zur Verfügung, sofern Sie nach den jeweils gültigen betrieblichen Regelungen hierfür berechtigt sind. Weitere Einzelheiten entnehmen Sie der Fahrzeugregelung funktionsabhängiges Geschäftsfahrzeug.

2. Mit Beendigung der oben genannten Tätigkeit entfallen die unter Ziffer 1. genannten Leistungen.

3. Die unter Ziffer 1. genannten Leistungen können bei Vorliegen eines sachlichen Grundes vom Unternehmen jederzeit mit Wirkung für die Zukunft ganz oder teilweise widerrufen werden. Sachliche Gründe können insbesondere sein:

  • Gründe in der Person (z. B. Verlust der Fahrerlaubnis)
  • Wirtschaftliche Gründe (z. B. Kostensenkungsmaßnahmen, Sicherung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der D AG)
  • Organisatorische Gründe (z. B. Änderung der übertragenen arbeitsvertraglichen Aufgaben)
  • Verhaltensbedingte Gründe (z. B. vertragswidrige Nutzung des funktionsabhängigen Geschäftsfahrzeugs)“

Seit Februar 2023 ist der Kläger nicht mehr als Gebietsleiter Verkauf, sondern als Vertriebspartnerbetreuer Einzelkunden tätig. Der Inhalt der Tätigkeit hat sich indes nicht wesentlich geändert. lm März 2023 erfolgte eine turnusmäßige Überprüfung der Fahrzeugberechtigung. Das Erfordernis einer dauerhaft hohen Mobilität (dienstliche Abwesenheit von mehr als 50 Prozent) konnte demnach beim Kläger nicht festgestellt werden. Die Beklagte forderte ihn daraufhin auf, den Dienstwagen bis spätestens 31.12.2023 zurückzugeben.

Der Kläger war der Ansicht, die Regelungen zum Entzug/Widerruf des Geschäftsfahrzeugs seien intransparent und somit gem. § 307 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Die Kombination aus Zweckbefristung bzw. auflösender Bedingung nach § 158 Abs. 2 BGB und Widerrufsvorbehalt sei ebenso unwirksam wie eine Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt. Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Überlassung des Geschäftsfahrzeugs auch zur privaten Nutzung über den 31.12.2023 hinaus abgewiesen.

Die Entscheidung

Das LAG sieht dies anders und verpflichtet die Beklagte, dem Kläger über den 31.12.2023 hinaus ein Geschäftsfahrzeug zur dienstlichen und privaten Nutzung nach Maßgabe der Vertragsergänzung vom Juni 2021 zur Verfügung zu stellen.

Argument:Die Überlassung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung ist grundsätzlich so lange geschuldet, wie der Arbeitgeber Arbeitsentgelt leisten muss. Denn sie ist Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung und damit Teil des geschuldeten Arbeitsentgelts. Der Anspruch des Klägers auf weitere Überlassung eines Geschäftsfahrzeugs wäre daher nur dann zu verneinen, wenn die Beklagte zur Rückforderung berechtigt wäre, namentlich eine wirksam vereinbarte auflösende Bedingung eingetreten oder von einem wirksam vereinbarten Widerrufsvorbehalt wirksam Gebrauch gemacht worden wäre.

Der Anspruch des Klägers ist allerdings nicht wegen des Eintritts einer auflösenden Bedingung gem. § 158 Abs. 2 BGB untergegangen. Die Klausel zur dienstlichen Notwendigkeit des Geschäftsfahrzeugs ist unter mehreren Aspekten intransparent und daher unwirksam. Unklar ist bereits, wann eine „dauerhaft hohe Mobilität“ zu verneinen ist. Der Wortlaut ist insoweit mehrdeutig, ohne dass unter Berücksichtigung des Vertragszwecks für rechtlich nicht vorgebildete Durchschnittsarbeitnehmer aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise einer Auslegungsvariante der Vorrang zu geben wäre. Des Weiteren ist unklar, welche Reisen mit dem Geschäftsfahrzeug überhaupt bei der Frage der dienstlichen Abwesenheit berücksichtigt werden. Auch ist unklar, wie die Quote von mind. 50 Prozent der Arbeitstage berechnet werden soll.

Ebenso ist der Widerrufsvorbehalt unwirksam, da die Klausel auch zum Widerruf des Geschäftsfahrzeugs aus Gründen berechtigt, die für den Kläger nicht zumutbar sind. Die gebotene Interessenabwägung muss zu einer Zumutbarkeit der Klausel für die Arbeitnehmer führen. Auch wenn der Arbeitgeber im Grundsatz ein anerkennenswertes Interesse daran hat, bestimmte Leistungen flexibel auszugestalten, darf das Wirtschaftsrisiko nicht auf die Arbeitnehmer verlagert werden. Eingriffe in den Kernbereich des Arbeitsvertrags sind nach der Wertung des § 307 Abs. 2 BGB nicht zulässig. So vermag nicht jede Änderung der Arbeitsaufgabe einen anzuerkennenden Sachgrund für den Entzug der Dienstwagennutzung und der damit verbundenen privaten Nutzungsmöglichkeit darzustellen, und zwar auch dann nicht, wenn der geldwerte Vorteil der Privatnutzung – wie hier – weniger als 25 Prozent der Gesamtvergütung ausmacht.

Kurz erklärt

  • Der verwendete Widerrufsvorbehalt hält einer AGB-Kontrolle nicht stand und die Klausel ist nach §§ 307 Abs. 1 Satz 1, 308 Nr. 4 BGB unwirksam. Die Unwirksamkeit resultiert in dem vorliegenden Fall aus den Widerrufsgründen, da insoweit auch Gründe genannt wurden, die für den Arbeitnehmer nicht zumutbar sind.
  • Die Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung ist grundsätzlich so lange geschuldet, wie der Arbeitgeber Arbeitsentgelt leisten muss. Nicht jede Änderung der Arbeitsaufgabe vermag einen anzuerkennenden Sachgrund für den Entzug der Dienstwagennutzung und der damit verbundenen privaten Nutzungsmöglichkeit darstellen, und zwar auch dann nicht, wenn der geldwerte Vorteil der Privatnutzung – wie hier – weniger als 25 Prozent der Gesamtvergütung ausmacht.

 

Praxistipp

Praxistipp

Die vorstehenden Formulierungen finden sich sicherlich in einer Vielzahl von Dienstwagenüberlassungsverträgen. Spätestens dann, wenn solche neu abgeschlossen werden, sollten Arbeitgeber ein Augenmerk auf die Formulierung und die verwendete Systematik legen – andernfalls besteht das Risiko, dass ein Dienstwagen nicht zurückverlangt werden kann.

Probezeit: Was ist angemessen?

Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.10.2023 – 3 Sa 81/23

Die Regeln für Probezeiten in befristeten Jobs sind oft unklar: Sie müssen lediglich zur Jobdauer passen. Jetzt zieht die Justiz klare Grenzen. Wie lang darf eine Probezeit sein? Was passiert, wenn Firmen sich nicht daran halten? Und: In welchen Fällen ist eine Verlängerung der Probezeit doch möglich?

Verortung des Urteils

Zusammen mit den Änderungen im Nachweisgesetz trat am 01.08.2022 auch eine weniger beachtete Änderung im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) in Kraft. Konkret geht es um § 15 Abs. 3 TzBfG. Darin heißt es:

„Wird für ein befristetes Arbeitsverhältnis eine Probezeit vereinbart, so muss diese im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen.“

Aber was heißt das konkret? Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat in seinem Urteil vom 18.10.2023 (3 Sa 81/23) Antworten für diesen Sachverhalt gegeben.

Der Sachverhalt

Der Beklagte betreibt ein Autohaus und stellte den Kläger mit Wirkung zum 01.09.2022 als Serviceberater/Kfz-Meister für ein Bruttomonatsgehalt i. H. v. 3.300 Euro ein. In dem Vertrag wurde u. a. Folgendes vereinbart:

„§ 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses, Probezeit

1. Der Arbeitnehmer wird ab 01.09.2022 als Serviceberater/ Kfz-Meister eingestellt.

2. Die Einstellung erfolgt zunächst zur Probe bis zum 28.02.2023. Das Probearbeitsverhältnis endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Wird das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Probezeit fortgesetzt, so gilt es als auf unbestimmte Zeit begründet. Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis beiderseits mit einer Frist von 2 Wochen schriftlich gekündigt werden.“

Außerdem gab es in § 2 eine Regelung zu den geltenden Kündigungsfristen.

Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit mit Schreiben vom 28.10.2022 zum 11.11.2022 mit dem folgenden auszugsweise zitierten Wortlaut gekündigt:

„[…] hiermit kündige ich das zwischen uns bestehende Arbeitsverhältnis während der Probezeit innerhalb der vertraglich vereinbarten zwei Wochen. Das Arbeitsverhältnis endet somit am 11.11.2022.“

Hiergegen wendete sich der Kläger und trägt vor: Mangels Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit im befristeten Arbeitsvertrag sei die Kündigung unwirksam. Es sei im Arbeitsvertrag gerade keine Probezeit vereinbart. Diese hätte im Übrigen gem. § 15 Abs. 3 TzBfG im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen müssen, also maximal zwei Monate betragen dürfen. Der Beklagte habe nicht ordentlich gekündigt, sondern eine Kündigung eigener Art in der Probezeit zum 11.11.2022 erklärt. Eine hilfsweise Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt habe der Beklagte nicht ausgesprochen, weshalb das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbestehe.

Die Entscheidung

Das LAG folgte dem nicht und kam zu folgenden Ergebnissen:

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden § 15 Abs. 3 und Abs. 4 TzBfG in der neuen Fassung Anwendung. Das befristete Arbeitsverhältnis der Parteien konnte gemäß § 15 Abs. 4 TzBfG ordentlich gekündigt werden, da Kündigungsmöglichkeiten arbeitsvertraglich vereinbart sind. Die im Kündigungsschreiben gewählte Kündigungsfrist von zwei Wochen in der Probezeit ist gemäß § 15 Abs. 3 TzBfG wirksam und beendete das Arbeitsverhältnis zum 11.11.2022.

Gemäß dem Wortlaut von § 1 Ziff. 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrags ist das Arbeitsverhältnis zur Probe bis zum 28.02.2023 befristet. Der Umstand, dass der Arbeitsvertrag auch Regelungen für die Zeit nach Fristablauf enthält, führt zu keiner anderen Bewertung. Im Arbeitsvertrag ist ausdrücklich in § 1 Ziff. 2 Abs. 3 eine Probezeitkündigung vereinbart. Außerdem ist in § 2 des Arbeitsvertrags eine weitere Kündigungsmöglichkeit vereinbart. Diese gilt bei gebotener Auslegung auch während des befristeten Arbeitsverhältnisses und nicht erst bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den Fristablauf hinaus.

Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit zutreffender Kündigungsfrist von zwei Wochen ab Zugang der Kündigung zum 11.11.2023 gekündigt.

(1) Im Arbeitsvertrag ist eine Probezeit vereinbart.

(2) Die Dauer der Probezeit ist nicht als unangemessen i. S. v. § 15 Abs. 3 TzBfG zu beanstanden.

(3) Unter Berücksichtigung des Kündigungszugangs und der vertraglichen Kündigungsfrist ist der Beendigungszeitpunkt 11.11.2022 zutreffend.

Hierzu im Einzelnen:

Zu (1): Zwar wurde dem Wortlaut des Vertrags nach eine Probezeit nicht ausdrücklich vereinbart. Eine solche ergebe sich aber in dem konkreten Fall durch Auslegung (u. a. Überschrift). Entscheidend war in diesem Zusammenhang die Regelung des § 1 Ziff. 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags. In Satz 2 gilt das Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit begründet, wenn es nach Ablauf der Probezeit fortgeführt wird. Wenn aber keine Probezeit geregelt wäre, könnte die Bedingung niemals eintreten und die auf die zeitliche Dauer gleichgesetzt werden: Mit Ablauf der Befristung endet die Probezeit.

Zu (2): Auch die Dauer der Probezeit ist angemessen i. S. d. § 15 Abs. 3 TzBfG. Da die Befristung und die Probezeit gleich lang laufen, wurde für den sechsmonatigen befristeten Arbeitsvertrag eine sechsmonatige Probezeit vereinbart. Gemäß § 15 Abs. 3 TzBfG muss eine Probezeitvereinbarung bei befristeten Arbeitsverhältnissen im Verhältnis zu der erwarteten Befristungsdauer und der Art der Tätigkeit stehen. Dabei ist klar, dass die Begrenzung des § 622 Abs. 3 BGB auch in befristeten Arbeitsverhältnissen gilt. Aus europarechtlichen Erwägungen ergebe sich Folgendes: In befristeten Arbeitsverhältnissen mit einer Dauer von zwölf Monaten und weniger soll eine Verhältnismäßigkeitsprüfung stattfinden, die zu Probezeiten führt, die ggf. von den grundsätzlich anerkannten – und teilweise sogar verlängerbaren – Probezeiten von sechs Monaten nach unten abweichen (Erwägung 28 der Richtlinie (EU) 2019/1152 vom 20.06.2019).

Kriterien für die Angemessenheitsprüfung sind die Relation zwischen Befristungsdauer und Probezeitdauer einerseits und die geschuldete Tätigkeit als solche andererseits.

Allerdings gelte dies nicht für den hier vorliegenden Sonderfall einer Probebefristung mit bereits von Anfang an bestehender vertraglicher Verschränkung mit einem unbefristeten Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Befristung. In diesen Fällen sei eine Probezeit von sechs Monaten angemessen. Zur Vermeidung einer Umgehung von § 15 Abs. 3 TzBfG ist aber Voraussetzung, dass erstens die Befristung im Vertrag als Probebefristung bezeichnet ist (oder als solche bewertet werden kann) und dass zweitens das nach Ablauf der Probefristung beabsichtigte un- Kündigungsregelungen mit den erweiterten Kündigungsfristen in § 2 Ziff. 2 des Arbeitsvertrags wären überflüssig. Aus der Zusammenschau von § 1 Ziff. 2 Satz 1 und 2 des Arbeitsvertrags ergibt sich vielmehr, dass Befristung und Probezeit im Hinblick befristete Arbeitsverhältnis bereits im Ausgangsvertrag konkret geregelt wird.

Zu (3): Entsprechend konnte das Arbeitsverhältnis zum 11.11.2022 gekündigt werden. Die vereinbarte Kündigungsfrist beträgt zwei Wochen ohne festgelegte Beendigungszeitpunkte.

Eine bunt gemischte Gruppe von Menschen steht in einer Reihe, gekleidet in Uniformen verschiedener Berufe wie Bauarbeiter, Krankenschwester, Arzt, Koch, Geschäftsmann, Anwalt und andere. Sie lächeln in die Kamera.
Foto: grinny/stock.adobe.com

Kurz erklärt

  • Für die Praxis können Leitplanken zur Frage der Angemessenheit einer Probezeit im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses abgeleitet werden. Danach ist in erster Linie die zeitliche Relation (= 1. Stufe) maßgeblich, also die Länge der Befristung im Verhältnis zur Länge der Probezeit.
  • Es spricht viel dafür, dass eine Probezeit, die die Hälfte der Befristungsdauer umfasst, angemessen ist. Das heißt konkret: Ab einer Befristungsdauer von einem Jahr kann die höchstmögliche Probezeit von sechs Monaten vereinbart werden. Bei einer Befristungsdauer von sechs Monaten wäre eine Probezeit von drei Monaten angemessen.
  • Darüber hinaus sei als zweites Kriterium auch immer die Art der Tätigkeit (= 2. Stufe) zu berücksichtigen. Dieses Kriterium solle nur dann korrigierend eingreifen, wenn die Dauer der Probezeit nach dem ersten Kriterium (Hälfte der Befristungsdauer) nicht ausreiche. Im Klartext: Die Hälfte der Befristungsdauer ist immer angemessen. Aufgrund der besonderen Art der Tätigkeit sei ausnahmsweise auch eine längere Befristung möglich. Welche Arten von Tätigkeiten dies sein könnten, lies das LAG offen – daher sollte in der Praxis hiervon nur ausnahmsweise Gebrauch gemacht werden.
  • Noch steht die diesbezügliche Einschätzung des BAG aus. Das Verfahren ist bereits anhängig (2 AZR 275/33).
  • Sollte die Probezeit entgegen § 15 Abs. 3 TzBfG zu lang sein, greift die verkürzte zweiwöchige Kündigungsfrist der Probezeit von zwei Wochen gemäß § 622 Abs. 3 BGB nicht mehr. Dies führt allerdings nicht (wie eine meiner Meinung nach unzutreffende Rechtsansicht meint) dazu, dass Arbeitnehmer dadurch in den Genuss eines speziellen Kündigungsschutzes gelangen. Die Regelungen des § 1 Abs. 1 KSchG werden durch eine unwirksame Probezeit nicht ausgehebelt bzw. eine unangemessene Probezeit führt nicht zur Unwirksamkeit der Vereinbarung der ordentlichen Kündbarkeit des befristeten Arbeitsverhältnisses. Das Kündigungsschutzgesetz ist allerdings auch in diesem Fall erst nach einer Wartezeit von sechs Monaten anwendbar.
Praxistipp

Praxistipp

Arbeitgeber sollten in der Praxis sehr restriktiv mit der Länge der Probezeit umgehen und maximal sechs Monate vereinbaren. Bei einer Verlängerung einer zunächst unter einem Jahr liegenden Befristung können Arbeitgeber natürlich auch die Probezeit entsprechend dieser „50-Prozent- Regel“ bis zur maximalen Dauer von sechs Monaten verlängern. Um die Probezeit im Falle einer Befristungsverlängerung nicht noch einmal aufgreifen zu müssen, könnte man im Vertrag vorsehen, dass sich die Probezeit bei einer Befristungsverlängerung ebenfalls entsprechend der „50-Prozent-Regel“ bis zur Höchstdauer von sechs Monaten verlängert. Außerdem könnten Arbeitgeber das Problem „umschiffen“, indem sie statt einer Befristung mit dem sachlichen Grund der Erprobung eine Befristung ohne sachlichen Grund nach § 14 Absatz 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes vereinbaren.

Eine bunt gemischte Gruppe von Fachleuten steht zusammen, darunter Personen in Business-Kleidung, Arztkitteln, Bauuniformen und Freizeitkleidung. Sie lächeln und schauen direkt in die Kamera und repräsentieren verschiedene Berufe und Hintergründe.
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