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Serie: ABC der Künstlersozialabgabe : Münchhausen – Erfinder des Storytellings? : Aktuelle Rechtsprechung des BSG 2020

Joachim ZacherPraxis
Lesezeit 4 Min.
Ein Stapel dreidimensionaler Buchstaben in verschiedenen Grün- und Grautönen, die auf einer ebenen Fläche verstreut sind und den Eindruck einer ungeordneten Buchstabensuppe erwecken.

Vor 300 Jahren wurde Freiherr von Münchhausen in Bodenwerder im Weserbergland geboren. Die NWZ vom 23./24. Mai 2020 würdigte ihn mit der Schlagzeile: „Seit 300 Jahren haben Lügen adlige Beine.“ Eine Nachfahrin behauptet: „Wenn man so will, war (…) Münchhausen der Erfinder des Storytellings.“

Aktuell jedoch hatte das Bundessozialgericht (BSG) in einer Entscheidung vom 7. Mai 2020 – B 3 KS 3/18 R – der Frage nachzugehen, ob im Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) die Versicherungspflicht der selbständigen Künstler und Publizisten und die unternehmerische Abgabepflicht – das Zahlen von Künstlersozialabgaben an die Künstlersozialkasse (KSK) für Leistungen und Werke eben solcher selbständiger Personenkreise – denselben Regelungskonzepten des KSVG folgen:

Der Kläger (Kl) war seit 2000 als selbständiger Publizist für eine GbR tätig. Die beklagte KSK hatte die Rentenversicherungspflicht mit Anspruch auf Beitragszuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung nach dem KSVG festgestellt. Die GbR wurde 2015 zur „GmbH & Co KG“ umgewandelt. Der Kl und der zweite geschäftsführende Mitgesellschafter der aufgelösten GbR wurden Kommanditisten der KG. Komplementärin der GmbH & Co KG wurde die GmbH, deren geschäftsführende Gesellschafter wiederum der Kl und der frühere Mitgesellschafter sind. Der Kl zeigte der KSK die Änderungen an und teilte dieser mit, dass er keine anderen Zahlungen als diejenigen aus seiner Gesellschafterstellung erhalte. Er übe zu 80 Prozent Tätigkeiten der Texterstellung und Textredaktion, Skriptkonzeption und Skripterstellung sowie die Konzeption und Umsetzung von Buchveröffentlichungen und zu 20 Prozent Tätigkeiten im Controlling und der Personalverwaltung aus. Daraufhin stellte die KSK das Ende der Versicherungspflicht und der Beitragszuschussberechtigung nach dem KSVG zum 31.03.2016 fest. Begründung: Der Kl erziele aus seiner publizistischen Tätigkeit keine Einkünfte mehr, sondern lediglich aufgrund seiner Gesellschafterstellung.

Das Sozialgericht hat den Bescheid der KSK und deren Widerspruchs- bescheid aufgehoben. Nach seiner Ansicht hat die Umwandlung der GbR in eine GmbH & Co KG zu keiner Änderung der Versicherungspflicht des Kl geführt, da er selbständiger Publizist geblieben sei und die persönlichen Voraussetzungen zur Versicherungspflicht weiterhin erfülle. Für ein Arbeitseinkommen aus selbständiger publizistischer Tätigkeit reiche ein lediglich mittelbarer Zusammenhang zu den erzielten Einnahmen aus. Es genüge, wenn das Arbeitseinkommen im weitesten Sinne eine Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft sei (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1, § 36a KSVG i. V. m. § 15 SGB IV). Dadurch werde die volle Parallelität von Einkommensteuer- und Sozialversicherungsrecht gewährleistet. Für die gegenteilige Ansicht könne sich die KSK nicht auf das Urteil des BSG vom 02.04.2014 – B 3 KS 3/12 R – berufen (sog. Costa-Cordalis-Urteil). Denn das erzielte Arbeitseinkommen des Kl sei mit dem „für künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen“ gezahlten Entgelt im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 KSVG nicht vergleichbar.

Eine Ansammlung dreidimensionaler grüner und weißer Alphabetbuchstaben auf einem einfachen Hintergrund, die eine wirre und abstrakte typografische Landschaft erzeugen.

Maßgebend für den Versichertenstatus sei ein weites Verständnis über das Vorliegen von Arbeitseinkommen im Sinne des § 3 Abs. 1 KSVG. Dazu zählen auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb wie Gewinnanteile, die ein Kommanditist als Mitunternehmer im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erziele.

Mit ihrer Sprungrevision rügte die KSK die Verletzung der §§ 1, 2 KSVG und stützte sich dabei auf das o. a. Urteil, wonach Gewinnzuweisungen an die Gesellschafter einer KG, die aus deren gesellschaftsrechtlicher Stellung resultieren, keine „Entgelte für künstlerische Leistungen“ im Sinne von § 25 KSVG seien. Das gelte auch, wenn der Gewinn der Gesellschaft ganz oder überwiegend aus einer künstlerischen Tätigkeit resultiere. Gewinnzuweisungen seien finanzielle Vorteile ohne Gegenleistungscharakter. Daher fehle es auch an dem sozialen Schutzbedürfnis für die Einbeziehung in die Versicherungspflicht nach dem KSVG.

Die Sprungrevision der KSK blieb erfolglos. Das Sozialgericht hat den Bescheid der KSK zu Recht aufgehoben, mit dem die Rentenversicherungspflicht und die Beitragszuschussberechtigung zur Kranken- und Pflegeversicherung des Kl zur Künstlersozialversicherung beendet werden sollten. Die Änderung der Gesellschaftsform des Unternehmens von einer GbR in eine GmbH § Co KG führte nicht zur Änderung der Versicherungspflicht in der Künstlersozialversicherung. Der Kl setzte seine erwerbsmäßige Tätigkeit als selbständiger Publizist oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze fort. Als geschäftsführender (Mit-)Gesellschafter der Komplementär-GmbH zu gleichen Teilen und als Kommanditist übte er (auch kapitalmäßig) maßgebenden Einfluss auf die Gesellschaft aus. Die steuerrechtliche Einordnung der Gewinnentnahmen des Kl als Einkünfte aus Gewerbebetrieb stellt den notwendigen mittelbaren Zusammenhang zum Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit her. § 15 SGB IV konkretisiert das Arbeitseinkommen systemübergreifend auch im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 KSVG und verweist auf die einkommensteuerrechtliche Bewertung. Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sind auch Gewinnanteile der Gesellschafter einer KG, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebes nach § 15 Abs. 1Satz 1 Nr. 2 EStG anzusehen ist. Das ist hier der Fall. Diesem Ergebnis steht die o. a. Rechtsprechung vom 02.04.2014 nicht entgegen. Dieses Urteil ist nicht zur persönlichen Versicherungspflicht eines Künstlers oder Publizisten nach den §§ 1 bis 3 KSVG ergangen, sondern zur Frage, welche Unternehmen als Kunstverwerter nach § 24 KSVG aufgrund typisierender Betrachtungsweise der Künstlersozialabgabepflicht unterliegen und welche Entgelte für künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen der Bemessung der Künstlersozialabgabe nach § 25 KSVG zugrunde zu legen sind. Die Versicherungspflicht und die Abgabepflicht folgen aber unterschiedlichen Regelungskonzepten des KSVG.

In der nächsten Ausgabe setzen wir das „ABC der Künstlersozialabgabe“ fort, beginnend mit dem Stichwort „Internetwerbung“, und bieten Ihnen weitere Entscheidungshilfen zur Künstlersozialabgabe an.

Joachim Zacher, Dipl.-Verwaltungswirt, Autor und Dozent, Oldenburg

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