Banner Online Kompaktkurse für fundiertes Wissen zu neuesten Gesesetzesänderungen und Abrechnungskriterien
Free

Der Leiter Entgeltabrechnung : Wenn nicht jetzt, wann dann?

Nicht Zusatzleistungen oder ein extrem hohes Gehalt sind derzeit hoch im Kurs bei Arbeitnehmern – sondern Homeoffice. Flexible Heimarbeit ist die neue Währung, um gute Fachkräfte auch in schwierigen Zeiten an Land zu ziehen.

Sabine KatzmairPraxis
Lesezeit 5 Min.
Ein ordentlich organisierter Arbeitsplatz mit einem leeren Blatt Papier für Ideen, umgeben von einer Tastatur, einem Stift, einem Notizblock, einer Tasse Kaffee und verschiedenen Büromaterialien.

Fast keine Stellenanzeige auf Stepstone.de ist derzeit ohne die Begriffe „Homeoffice“ oder „Remote-Arbeit möglich“ online. Wie viele Beschäftigte sich derzeit aufgrund der Pandemie wirklich im Homeoffice befinden, ist unklar. Laut einer Umfrage von web.de/gmx.de befinden sich derzeit ca. 50 Prozent der deutschen Beschäftigten im Homeoffice, die Mannheimer Corona-Studie spricht von mindestens 25 Prozent.

Doch was kommt nach der Corona-Krise? Drehen wir das Rad wieder zurück? Das wird kaum gehen, denn laut einem aktuellen Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung möchte ca. ein Drittel der Beschäftigten das Arbeiten von zu Hause aus auch nach der Krise gerne beibehalten. Unternehmen wie Twitter oder der Autokonzern PSA machen es schon vor: Sie haben beschlossen, den Mitarbeitern freizustellen, dauerhaft im Homeoffice oder vor Ort zu arbeiten. Der Mitarbeiter entscheidet selbst, wo er arbeiten möchte – ohne Begründung. Auch von Seiten des Gesetzgebers ist ein gesetzlicher Anspruch auf Homeoffice (analog zu den Niederlanden) im Gespräch.

Das Problem: Gut funktionierendes Remote-Arbeiten braucht nicht nur eine gutes WLAN, sondern benötigt vor allem einen hohen Grad an digitalisierten Prozessen im Unternehmen. Und hier haben deutsche Unternehmen einen gewaltigen Nachholbedarf.

Digitalisierung – bisher wichtig, aber nicht dringend

Wichtig, aber bisher nicht dringend – so sahen die meisten Unternehmen das Thema mit der Digitalisierung. Nur 66 Prozent der deutschen Firmen hatten 2019 Maßnahmen zur Umsetzung von Digitalisierungsprojekten in den nächsten zwei Jahren fest eingeplant (KfW-Umfrage 2019). Rund ein Drittel der Befragten hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal über Umsetzungspläne entschieden. Dies rächt sich nun gewaltig. Die Corona-Krise hebt das Thema Digitalisierung über Nacht in den höchsten Dringlichkeitsgrad.

Hoher Digitalisierungsgrad – hohe Krisenfestigkeit

Unternehmen mit einem schon hohen Digitalisierungsgrad vor der Pandemie („Digital Champions“) haben hier auch in und nach der Krise die Nase vorn. Laut einer neuen Studie der Beratungsfirma Deloitte aus diesem Jahr zum Thema Corona-Krise und Digitalisierung können sogenannte „Digital Champions“ flexibler auf die Veränderungen durch die Krise reagieren und das Beratungsunternehmen sieht diesen Digitalisierungsvorsprung auch langfristig als Wettbewerbsvorteil für diese Betriebe. „Digital Follower“ dagegen werden, wenn sie bis jetzt nicht mitgezogen haben, weiter abgehängt werden. Digitalisierung macht aus der Frage, ob digital oder ob nicht, eine Existenzfrage. Dem gilt es also gegenzusteuern.

E-Government – der Staat und die Digitalisierung – Deutschland im Vergleich

Ebenso meint die Beratungsfirma Accenture, dass es wichtig ist, dass der Staat hier als digitales Vorbild dient, um Anreize für Unternehmen zu schaffen. Jedoch waren bisher nicht nur viele deutsche Unternehmen „digital naiv“ unterwegs, sondern auch der deutsche Staat hinkt massiv der Zukunft hinterher. Statt als digitaler Vorreiter zu agieren, arbeiten, wie wir alle schon hörten, unsere Gesundheitsämter ja noch mit Faxen. Im Vergleich zu anderen Ländern ist auch hier Deutschland beim Thema E-Government – also bei der Digitalisierung von bürokratischen Prozessen – noch nach der Slowakei eines der Schlusslichter. Ganz vorne rangieren hier hingegen Spanien (!), die baltischen Länder sowie unser Nachbar Österreich, die die Krise bisher ebenso gut bewältigt haben. (Quelle: Accenture Research; Europäische Kommission).

E-Government – Einführung digitaler Meldeverfahren und neue gesetzliche Anforderungen Doch ganz schläft auch unser Staat nicht. Besonders im Bereich des Meldewesens standen auch schon vor der Corona-Krise weitere gesetzliche Digitalisierungsprojekte vor der Tür. Folgende Themen wären hier zu nennen:

Themen wären hier zu nennen: Einführung einer elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU)

Go-live geplant für Anfang 2022. Vor allem prozessual eine Herausforderung für Unternehmen. Wer hier kein System zum Enterprise Resource Planning (ERP) im Einsatz hat, wird sich schwertun.

A1-Bescheinigung

Die Änderung des Meldewesens bei A1-Bescheinigungen hat vielen Betrieben 2019 Kopfschmerzen bereitet und die Prozesse sind bei vielen Unternehmen hier noch nicht (ausreichend) umgesetzt. Besondere Problematik: outgesourcte Lohnabrechnungen z. B. zum Steuerberater. Digitales Meldesystem und die Information über die Reisetätigkeit beim Kunden klaffen hier weit auseinander. Die noch derzeit bestehenden Papierverfahren sollen spätestens Anfang 2021 ebenfalls in das digitale Meldeverfahren (Ausnahmeverfahren und Multi State Worker) überführt werden. Derzeit ist die berufliche, weltweite Reisetätigkeit zwar gen null gesunken. Dennoch gibt es auch eine Zeit nach Corona, in der wieder verstärkt gereist werden wird, und dann ist das Thema wieder aktuell.

rvBEA – E-Antrag für berufsständisch Versorgte und elektronische Übermittlung der Arbeitsbescheinigung ab 1. Januar 2021

Auch das Melde- und Antragsverfahren für berufsständisch Versorgte und die Übermittlung von Arbeitsbescheinigungen werden digital.

EuGH-Urteil zur Arbeitszeitaufzeichnung

Hier fehlt es noch an einer Umsetzung in der deutschen Gesetzgebung. Allerdings muss diese spätestens im Jahr 2021 Jahr erfolgen (innerhalb von zwei Jahren nach Urteil des Europäischen Gerichtshofs – EuGH). Doch eine Aufzeichnungspflicht wird kommen. Unternehmen mit Vertrauensarbeitszeit tun gut daran, sich schon jetzt mit verschiedenen digitalen Zeiterfassungssystemen zu beschäftigen und diese in ihre bisherige Systemlandschaft einzubinden, denn das Arbeitsgericht Emden hat durch ein Urteil dem Gesetzgeber schon einmal vorgegriffen – es sieht hier nämlich schon jetzt eine Pflicht des Arbeitgebers zur Errichtung eines Zeiterfassungssystems. (Arbeitsgericht Emden, Urteil vom 20.02.2020, Az: 2 Ca 94/19).

Digitale Personalakte – euBP – elektronische Betriebsprüfung (Rentenversicherung)

Sehr wichtig ist für mich die Umsetzung der digitalen Personalakte mit Hilfe eines Dokumentenmanagementsystems (DMS). Nicht allein der Zugriff auf digitale Daten während der Arbeit im Homeoffice ist ein Argument, sondern auch die bisher nur optionale Möglichkeit der Durchführung einer elektronischen Betriebsprüfung (euBP) durch die Deutsche Rentenversicherung. Eigentlich sollten bis 2026 bestimmte Entgeltunterlagen wie Krankenkassenmitgliedsbestätigungen oder der Nachweis der Elterneigenschaft nur noch in elektronischer Form vorgelegt werden.

Digitalisierung – was ist zu tun?

Analysieren Sie Ihre Prozesse und Systeme

Das, was Sie derzeit am besten tun können: Planen und analysieren Sie Ihre Prozesse und Systeme. Was läuft und was nicht?

Denken Sie groß und langfristig

Nur ein System zu ändern, bringt oft nicht viel. Denken Sie groß und langfristig. Wie wollen Sie als Unternehmen mittel- bis langfristig arbeiten?

Investieren Sie

Der größte Hemmschuh von Unternehmen bei Digitalisierungsprojekten – die Kosten. Aber ohne Investitionen in die Zukunft hinken Sie als sogenannter „Digital Follower“ hinterher

Neue Systeme – Lasten-/Pflichtenheft

Erstellen Sie ein Lasten- und Pflichtenheft für Ihre Anforderungen und für die Auswahl von Angeboten für eine neue Systemlandschaft.

Hosting, Outsourcing-Partner – Nutzung von bestehenden Produkten

Ziehen Sie auch System-Hosting, Outsourcing-Partner mit digitalen Add-ons (z. B. digitale Personalakte) in Betracht. Hier haben Sie eine Entlastung, da Sie nicht alles selbst machen müssen, sondern schon bestehende Digitalisierungsprodukte und Prozesse nutzen können.

Suchen Sie sich einen erfahrenen Projektmanager

Zu guter Letzt: Suchen Sie sich einen erfahrenen (externen) Projektmanager. Projektarbeit ist Zusatzarbeit und kann nicht neben einem operativen, am täglichen Geschäft orientierten Job gestemmt werden. Unerfahrene Projektmanager unterschätzen die Komplexität solcher Projekte und die Steuerung von externen Partnern.

FAZIT

Krisen sind auch immer Chancen. COVID-19 dient als Digitalisierungs-Beschleuniger. Firmen reagieren jetzt – endlich. Vieles geht, was vorher nicht ging, denn die Krise drückt nun auf den digitalen „Dringend-Knopf“. Das ist positiv. Nur braucht es hier auch ein langfristiges Bemühen. 77 Prozent der befragten Firmen wollen dies auch nach der Krise weiterhin tun. Krisenfestigkeit und Wettbewerbsvorteile sind gute Argumente. Es bleibt abzuwarten, ob diese Versprechen auch nach der Krise standhalten. Doch jetzt ist die Zeit, digitale Projekte anzugehen. Wenn nicht jetzt, wann dann?

Sabine Katzmair

Diesen Beitrag teilen: