Eine Erfolgsgeschichte beginnt : Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab sofort elektronisch
Seit Jahren ist die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) als dreiseitiges und selbst¬durchschreibendes Papierformular bekannt: Die kleine Ausfertigung ist für den Arbeitgeber bestimmt, die größere für die Krankenkasse und eine weitere für den Versicherten. Doch seit dem 01.01.2022 ist alles anders, denn aus der Papier-AU wird die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU). Das erfordert zwar von allen Beteiligten eine Anpassung in ihren Systemen, doch wenn die erfolgt ist, wird das neue Verfahren eine Vereinfachung bedeuten.
Mit viel Kritik wurde in den letzten Wochen die Verlängerung der Vorlagepflicht der AU beim Arbeitgeber begleitet. In der Ausgabe 3/2022 habe ich die eAU und die damit verbundenen Schwierigkeiten in der Kolumne „Stier meint …“ humoristisch dargestellt, in diesem Beitrag berichte ich Ihnen über den aktuellen Stand zur Einführung der eAU. Ab dem 01.01.2023 ist die eAU verpflichtend und wird nur noch in wenigen Fällen von einer Papierbescheinigung begleitet (Versicherte in der privaten Krankenversicherung (PKV), Störfälle und Ärzte im Ausland).
eAU erfolgreich gestartet
Zuerst eine gute Nachricht: Die Pilotierungsphase ist erfolgreich gestartet. Nach Informationen des GKV-Spitzenverbandes sind eine Million Datensätze zwischen Krankenkassen und Arbeitgebern ausgetauscht worden. Alle 97 gesetzlichen Krankenkassen haben sich an der Digitalisierung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen beteiligt.

Laut GKV-Spitzenverband geht es um rund 500.000 Anfragen von Arbeitgebern und knapp 600.000 Rückmeldungen der Kassen. Alle Anfragen von Arbeitgebern konnten die Kassen beantworten, in 80 Prozent der Fälle auch mit eAU-Daten. „Wenn dies nicht möglich war, lag in den meisten Fällen keine eAU bei der Kasse vor, weil die ärztliche Praxis sie nicht übermittelt hat“, behauptet der Verband. Die Verantwortlichen appellieren an die Ärztinnen und Ärzte, die eAU kurzfristig umzusetzen und möglichst viele digitale Krankmeldungen auszustellen. Das sei die Voraussetzung für einen funktionierenden Regelbetrieb.
Am 31.12.2022 endet die Vorlagepflicht der Arbeitnehmer beim Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer muss – zunächst – weiterhin eine Ausfertigung der AU an den Arbeitgeber weiterleiten. Die Anbindung der Arbeitgeber an das elektronische Verfahren erfolgt spätestens zum 01.01.2023. Bis zum 31.12.2022 sind Arbeitnehmer weiterhin verpflichtet, die Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber mittels ärztlicher Bescheinigung nachzuweisen.
Prozesse anpassen
Auf den Abruf der eAU müssen sich Arbeitgeber intensiv vorbereiten. Der Gesetzgeber hat eine Änderung des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EntgFG) beschlossen: Durch das elektronische Meldeverfahren entfällt für gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer die Pflicht zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (bisher § 5 Abs. 1 Satz 2 bis 5 EntgFG).
Spätestens ab dem 01.01.2023 sind Arbeitnehmer nicht mehr verpflichtet, dem Arbeitgeber eine Bescheinigung über ihre ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit vorzulegen. Den Wegfall dieser Vorlagepflicht regelt der neue Absatz 1a Satz 1 EntgFG. Arbeitnehmer müssen sich zwar weiterhin unverzüglich bei ihrem Arbeitgeber arbeitsunfähig melden, den Nachweis darüber ruft der Arbeitgeber hingegen über sein Entgeltabrechnungsprogramm ab. Bereits heute ist dieser Abruf möglich.

Die AU ist bereits auf das elektronische Verfahren umgestellt und enthält einen QR-Code. Die Krankenkasse digitalisieren die Daten und übermitteln diese an die Arbeitgeber. Es ist daher nur sinnvoll und ratsam, die Pilotierungsphase zu nutzen, um die internen Prozesse anzupassen. Die ersten Erfahrungsberichte der Arbeitgeber zeigen, dass der Abruf der eAU in den meisten Fällen ohne große Probleme verläuft. Zwar übermitteln noch nicht alle Ärzte die Daten an die Krankenkasse, aber bereits die Digitalisierung der heutigen AU-Bescheinigungen mittels QR-Code trägt zum Erfolg bei.
Die Teilnahme am Datenaustausch zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist für die Krankenkassen seit dem 01.01.2022 verpflichtend. Sofern Arbeitgeber Meldungen über Arbeitsunfähigkeitszeiten von den Krankenkassen anfordern, müssen sie dafür den Datenaustausch eAU verwenden.
Die Anforderung von AU-Zeiten darf nur über eine gesicherte und verschlüsselte Datenübertragung aus systemgeprüften Programmen gestellt werden. Ein Abruf der Daten mit einem Zeiterfassungssystem ist wünschenswert und wird bereits heute durch die Zertifizierungsstellen in Betracht gezogen. In Zukunft dürfte ein Abruf der Daten mittels Zeiterfassungssystem möglich sein.
Prozesse und Abläufe anpassen
Für Arbeitgeber bedeutet die Umstellung auf die eAU auch gleichzeitig eine Anpassung ihrer Prozesse und Abläufe. Denn nach der Anzeige des Arbeitnehmers müssen Arbeitgeber beachten, dass sie kein ärztliches Attest durch ihren Arbeitnehmer spätestens nach dem dritten Tag der Arbeitsunfähigkeit bekommen. Die Information über die tatsächliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit erhalten Arbeitgeber erst nach dem Abruf bei der gesetzlichen Krankenkasse des Arbeitnehmers. Die Krankenkasse hat nach Eingang der Arbeitsunfähigkeitsdaten eine Meldung zum Abruf für den Arbeitgeber zu erstellen, die insbesondere die folgenden Daten enthält:
- den Namen des Beschäftigten,
- den Beginn und das Ende der Arbeitsunfähigkeit,
- das Datum der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit,
- die Kennzeichnung als Erst- oder Folgemeldung und
- die Angabe, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Arbeitsunfähigkeit auf einem Arbeitsunfall oder sonstigen Unfall oder auf den Folgen eines Arbeitsunfalls oder sonstigen Unfalls beruht.
Im Ergebnis bedeutet dies für Arbeitgeber:
Ohne einen Abruf aus dem Entgeltabrechnungsprogramm oder mittels einer Ausfüllhilfe werden keine Daten durch die Krankenkasse übermittelt. Erst durch den aktiven Abruf übermittelt die Krankenkasse die Daten der eAU. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nur ein Abruf für einzelne Arbeitnehmer zulässig ist. Ein Abruf für alle Beschäftigten im Unternehmen, ohne dass diese arbeitsunfähig sind, ist nicht zulässig.
Die eAU bringt für viele Beteiligten Änderungen im Ablauf mit sich: Meldet sich der Arbeitnehmer bei seinem Vorgesetzten arbeitsunfähig, muss dieser z. B. entweder die Entgeltabrechnung darüber informieren oder im Zeiterfassungssystem eine Fehlzeit „krank ohne AU“ hinterlegen. Der Datensatz muss aus dem Zeiterfassungssystem in die Entgeltabrechnung übertragen werden, denn nur dort kann der Abruf der eAU erfolgen. Allerdings muss dann der Datensatz aus dem Entgeltabrechnungsprogramm mit der Fehlzeit „krank mit AU“ und der Dauer der Erkrankung zurück an die Zeiterfassung übertragen werden. Zumindest erfolgt diese Information in Zukunft erst nach dem Abruf und der Übermittlung der eAU.
Nur so sind alle Beteiligten im Unternehmen über die Dauer der Erkrankung informiert. Häufig erfasst der Vorgesetzte die Fehlzeit und korrigiert diese im Zeiterfassungssystem nach der Vorlage der Papierbescheinigung. Da diese in Zukunft entfällt, muss die Erfassung neu organisiert werden.
Eine umfangreiche Verfahrensbeschreibung vom GKV-Spitzenverband unterstützt Krankenkassen, Softwarehäuser, Arbeitgeber und Minijobzentrale bei der Einrichtung und dem laufenden Betrieb des Verfahrens (Verfahrensbeschreibung für die Erstattung der Meldung im Rahmen des Datenaustausches elektronische Arbeitsunfähigkeit (eAU) nach § 109 SGB IV i. V. m. § 125 SGB IV in der ab 01.01.2022 geltenden Fassung, Version 1.1 vom 09.08.2021).
Für Arbeitgeber ist eine rechtzeitige Vorbereitung wichtig, um die Einführung der eAU in den Prozess zu integrieren und alle Beteiligten frühzeitig in die Änderungen einzubeziehen.
Vorerkrankungsanfragen
Im Rahmen des „Gesetzes zur Verlängerung von Sonderregelungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie beim Kurzarbeitergeld und anderer Leistungen“ wurde die Pilotierung der eAU bis zum 31.12.2022 verlängert. Das Gesetz tritt mit Wirkung zum 01.07.2022 in Kraft. Dies hat der GKV-Spitzenverband zum Anlass genommen, die Grundsätze für die Meldung der Arbeitsunfähigkeitszeiten im Rahmen des Datenaustausches (eAU – § 109 Abs. 1 SGB IV i. V. m. § 125 Abs. 5 SGB IV) zu aktualisieren und dem Bundesarbeitsministerium (BMAS) zur Genehmigung vorzulegen. Die Version 1.1. ist gültig ab dem 01.07.2022. Zum Zeitpunkt der Drucklegung ist der Entwurf veröffentlicht.

Mit der Änderung wird auch das Vorerkrankungsverfahren angepasst. Die Umsetzung des Vorerkrankungsverfahrens ist grundsätzlich zum 01.01.2023 vorgesehen. Das Regelwerk des § 107 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) V besteht ebenfalls weiterhin fort, weshalb eine Umsetzung des Vorerkrankungsverfahrens gesetzlich sowohl im Datenaustausch Entgeltersatzleistungen als auch in einem Verfahren nach § 109 Abs. 2 SGB IV vorgesehen ist.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat sich mit Schreiben vom 01.09.2021 im Kontext der vorgenannten bestehenden zwei gesetzlichen Grundlagen für das Vorerkrankungsverfahren (§ 107 Abs. 2 SGB IV und § 109 Abs. 2 SGB IV) in Abstimmung mit den Arbeitgebervertretern dafür ausgesprochen, im Ergebnis nur ein Vorerkrankungsverfahren abbilden zu wollen. Es wurde klargestellt, dass das bisherige Verfahren nach § 107 Abs. 2 SGB IV weiterhin als Regelprozess genutzt werden soll, während die Neuregelung des § 109 Abs. 2 SGB IV und Übertragung der erforderlichen Änderungen im Rahmen der weiteren Gesetzgebung zurückgeführt wird.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass alle Anfragen der Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Prüfung von anrechenbaren Vorerkrankungen weiterhin ausschließlich im Rahmen des § 107 Abs. 2 SGB IV zu stellen sind.
Eine weitere Ergänzung wurde im Zusammenhang mit der Stornierung einer Anfrage von eAU-Daten durch den Arbeitgeber mit aufgenommen.
Fazit
Für Arbeitgeber ist die Teilnahme am Pilotprojekt freiwillig, gleichzeitig eröffnet sich damit die Chance, die internen Abläufe auf die eAU-Tauglichkeit zu testen. Der Austausch läuft über Prozesse, die bereits seit Jahrzehnten zwischen Arbeitgebern und Kassen etabliert sind. Alle Beteiligten müssen die Zeit nutzen: Ärzte zur Übermittlung der Daten, Arbeitgeber zum Anpassen der Prozesse und Arbeitnehmer, um sich an das neue Verfahren zu gewöhnen. Die Berichte der Arbeitgeber geben Hoffnung, dass die Einführung der eAU am Ende ein Erfolg werden kann.
Bereits heute rufen viele Arbeitgeber und Dienstleister eAU-Daten bei der Krankenkasse ab. Dabei überwiegt durchweg eine positive Resonanz auf das neue Verfahren. Allerdings wird auch immer darauf hingewiesen, dass die Anpassung der Prozesse und die Testphase dazu beitragen, Fehlerquellen und Störfälle abzustellen.
Markus Stier