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Eine Erfolgsgeschichte beginnt : Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab sofort elektronisch

Seit Jahren ist die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) als dreiseitiges und selbst¬durchschreibendes Papierformular bekannt: Die kleine Ausfertigung ist für den Arbeitgeber bestimmt, die größere für die Krankenkasse und eine weitere für den Versicherten. Doch seit dem 01.01.2022 ist alles anders, denn aus der Papier-AU wird die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU). Das erfordert zwar von allen Beteiligten eine Anpassung in ihren Systemen, doch wenn die erfolgt ist, wird das neue Verfahren eine Vereinfachung bedeuten.

Lesezeit 7 Min.

Mit viel Kritik wurde in den letzten Wochen die Verlänge­rung der Vorlagepflicht der AU beim Arbeitgeber begleitet. In der Ausgabe 3/2022 habe ich die eAU und die damit verbundenen Schwierig­keiten in der Kolumne „Stier meint …“ humoristisch dargestellt, in diesem Beitrag berichte ich Ihnen über den aktuellen Stand zur Einführung der eAU. Ab dem 01.01.2023 ist die eAU verpflichtend und wird nur noch in wenigen Fällen von einer Papierbe­scheinigung begleitet (Versicherte in der privaten Krankenversicherung (PKV), Störfälle und Ärzte im Ausland).

eAU erfolgreich gestartet

Zuerst eine gute Nachricht: Die Pilotie­rungsphase ist erfolgreich gestartet. Nach Informationen des GKV-Spitzen­verbandes sind eine Million Datensätze zwischen Krankenkassen und Arbeit­gebern ausgetauscht worden. Alle 97 gesetzlichen Krankenkassen haben sich an der Digitalisierung der Arbeits­unfähigkeitsbescheinigungen beteiligt.

Eine Erfolgsgeschichte beginnt
Eine Erfolgsgeschichte beginnt

Laut GKV-Spitzenverband geht es um rund 500.000 Anfragen von Arbeit­gebern und knapp 600.000 Rückmel­dungen der Kassen. Alle Anfragen von Arbeitgebern konnten die Kassen beantworten, in 80 Prozent der Fälle auch mit eAU-Daten. „Wenn dies nicht möglich war, lag in den meisten Fällen keine eAU bei der Kasse vor, weil die ärztliche Praxis sie nicht übermittelt hat“, behauptet der Verband. Die Ver­antwortlichen appellieren an die Ärz­tinnen und Ärzte, die eAU kurzfristig umzusetzen und möglichst viele digi­tale Krankmeldungen auszustellen. Das sei die Voraussetzung für einen funktionierenden Regelbetrieb.

Am 31.12.2022 endet die Vorlagepflicht der Arbeitnehmer beim Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer muss – zunächst – weiterhin eine Ausfertigung der AU an den Arbeitgeber weiterleiten. Die Anbindung der Arbeitgeber an das elektronische Verfahren erfolgt spä­testens zum 01.01.2023. Bis zum 31.12.2022 sind Arbeitnehmer weiter­hin verpflichtet, die Arbeitsunfähig­keit dem Arbeitgeber mittels ärztlicher Bescheinigung nachzuweisen.

Prozesse anpassen

Auf den Abruf der eAU müssen sich Arbeitgeber intensiv vorbereiten. Der Gesetzgeber hat eine Änderung des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EntgFG) beschlossen: Durch das elektronische Meldeverfahren entfällt für gesetz­lich krankenversicherte Arbeitnehmer die Pflicht zur Vorlage einer Arbeits­unfähigkeitsbescheinigung (bisher § 5 Abs. 1 Satz 2 bis 5 EntgFG).

Spätestens ab dem 01.01.2023 sind Arbeitnehmer nicht mehr verpflichtet, dem Arbeitgeber eine Bescheinigung über ihre ärztlich festgestellte Arbeits­unfähigkeit vorzulegen. Den Weg­fall dieser Vorlagepflicht regelt der neue Absatz 1a Satz 1 EntgFG. Arbeit­nehmer müssen sich zwar weiterhin unverzüglich bei ihrem Arbeitgeber arbeitsunfähig melden, den Nachweis darüber ruft der Arbeitgeber hinge­gen über sein Entgeltabrechnungs­programm ab. Bereits heute ist dieser Abruf möglich.

Eine Erfolgsgeschichte beginnt 2-min
Eine Erfolgsgeschichte beginnt 2-min

Die AU ist bereits auf das elektroni­sche Verfahren umgestellt und enthält einen QR-Code. Die Krankenkasse digi­talisieren die Daten und übermitteln diese an die Arbeitgeber. Es ist daher nur sinnvoll und ratsam, die Pilotie­rungsphase zu nutzen, um die inter­nen Prozesse anzupassen. Die ersten Erfahrungsberichte der Arbeitgeber zeigen, dass der Abruf der eAU in den meisten Fällen ohne große Probleme verläuft. Zwar übermitteln noch nicht alle Ärzte die Daten an die Kranken­kasse, aber bereits die Digitalisierung der heutigen AU-Bescheinigungen mittels QR-Code trägt zum Erfolg bei.

Die Teilnahme am Datenaus­tausch zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist für die Krankenkassen seit dem 01.01.2022 verpflichtend. Sofern Arbeitgeber Meldungen über Arbeits­unfähigkeitszeiten von den Kranken­kassen anfordern, müssen sie dafür den Datenaustausch eAU verwenden.

Die Anforderung von AU-Zeiten darf nur über eine gesicherte und ver­schlüsselte Datenübertragung aus sys­temgeprüften Programmen gestellt werden. Ein Abruf der Daten mit einem Zeiterfassungssystem ist wün­schenswert und wird bereits heute durch die Zertifizierungsstellen in Betracht gezogen. In Zukunft dürfte ein Abruf der Daten mittels Zeiterfas­sungssystem möglich sein.

Prozesse und Abläufe anpassen

Für Arbeitgeber bedeutet die Umstel­lung auf die eAU auch gleichzei­tig eine Anpassung ihrer Prozesse und Abläufe. Denn nach der Anzeige des Arbeitnehmers müssen Arbeit­geber beachten, dass sie kein ärztli­ches Attest durch ihren Arbeitnehmer spätestens nach dem dritten Tag der Arbeitsunfähigkeit bekommen. Die Information über die tatsächliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit erhal­ten Arbeitgeber erst nach dem Abruf bei der gesetzlichen Krankenkasse des Arbeitnehmers. Die Krankenkasse hat nach Eingang der Arbeitsunfähigkeits­daten eine Meldung zum Abruf für den Arbeitgeber zu erstellen, die insbeson­dere die folgenden Daten enthält:

  1. den Namen des Beschäftigten,
  2. den Beginn und das Ende der Arbeitsunfähigkeit,
  3. das Datum der ärztlichen Feststel­lung der Arbeitsunfähigkeit,
  4. die Kennzeichnung als Erst- oder Folgemeldung und
  5. die Angabe, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Arbeitsunfähig­keit auf einem Arbeitsunfall oder sonstigen Unfall oder auf den Folgen eines Arbeitsunfalls oder sonstigen Unfalls beruht.

Im Ergebnis bedeutet dies für Arbeitgeber:

Ohne einen Abruf aus dem Entgeltabrechnungsprogramm oder mittels einer Ausfüllhilfe werden keine Daten durch die Krankenkasse übermittelt. Erst durch den aktiven Abruf über­mittelt die Krankenkasse die Daten der eAU. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nur ein Abruf für einzelne Arbeit­nehmer zulässig ist. Ein Abruf für alle Beschäftigten im Unternehmen, ohne dass diese arbeitsunfähig sind, ist nicht zulässig.

Die eAU bringt für viele Beteiligten Änderungen im Ablauf mit sich: Meldet sich der Arbeitnehmer bei sei­nem Vorgesetzten arbeitsunfähig, muss dieser z. B. entweder die Ent­geltabrechnung darüber informieren oder im Zeiterfassungssystem eine Fehlzeit „krank ohne AU“ hinterlegen. Der Datensatz muss aus dem Zeiter­fassungssystem in die Entgeltabrech­nung übertragen werden, denn nur dort kann der Abruf der eAU erfolgen. Allerdings muss dann der Datensatz aus dem Entgeltabrechnungspro­gramm mit der Fehlzeit „krank mit AU“ und der Dauer der Erkrankung zurück an die Zeiterfassung übertra­gen werden. Zumindest erfolgt diese Information in Zukunft erst nach dem Abruf und der Übermittlung der eAU.

Nur so sind alle Beteiligten im Unter­nehmen über die Dauer der Erkran­kung informiert. Häufig erfasst der Vorgesetzte die Fehlzeit und korrigiert diese im Zeiterfassungssystem nach der Vorlage der Papierbescheinigung. Da diese in Zukunft entfällt, muss die Erfassung neu organisiert werden.

Eine umfangreiche Verfahrensbe­schreibung vom GKV-Spitzenverband unterstützt Krankenkassen, Soft­warehäuser, Arbeitgeber und Mini­jobzentrale bei der Einrichtung und dem laufenden Betrieb des Verfah­rens (Verfahrensbeschreibung für die Erstattung der Meldung im Rahmen des Datenaustausches elektronische Arbeitsunfähigkeit (eAU) nach § 109 SGB IV i. V. m. § 125 SGB IV in der ab 01.01.2022 geltenden Fassung, Version 1.1 vom 09.08.2021).

Für Arbeitgeber ist eine rechtzeitige Vorbereitung wichtig, um die Einfüh­rung der eAU in den Prozess zu integ­rieren und alle Beteiligten frühzeitig in die Änderungen einzubeziehen.

Vorerkrankungsanfragen

Im Rahmen des „Gesetzes zur Ver­längerung von Sonderregelun­gen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie beim Kurzar­beitergeld und anderer Leistungen“ wurde die Pilotierung der eAU bis zum 31.12.2022 verlängert. Das Gesetz tritt mit Wirkung zum 01.07.2022 in Kraft. Dies hat der GKV-Spitzen­verband zum Anlass genommen, die Grundsätze für die Meldung der Arbeitsunfähigkeitszeiten im Rahmen des Datenaustausches (eAU – § 109 Abs. 1 SGB IV i. V. m. § 125 Abs. 5 SGB IV) zu aktualisieren und dem Bundesar­beitsministerium (BMAS) zur Geneh­migung vorzulegen. Die Version 1.1. ist gültig ab dem 01.07.2022. Zum Zeit­punkt der Drucklegung ist der Ent­wurf veröffentlicht.

Arbeitsunfähigkeit2022-4
Arbeitsunfähigkeit2022-4

Mit der Änderung wird auch das Vorerkrankungsverfahren ange­passt. Die Umsetzung des Vorerkran­kungsverfahrens ist grundsätzlich zum 01.01.2023 vorgesehen. Das Regel­werk des § 107 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) V besteht ebenfalls weiterhin fort, weshalb eine Umsetzung des Vorerkrankungsverfahrens gesetz­lich sowohl im Datenaustausch Ent­geltersatzleistungen als auch in einem Verfahren nach § 109 Abs. 2 SGB IV vorgesehen ist.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat sich mit Schrei­ben vom 01.09.2021 im Kontext der vorgenannten bestehenden zwei gesetzlichen Grundlagen für das Vorerkrankungsverfahren (§ 107 Abs. 2 SGB IV und § 109 Abs. 2 SGB IV) in Abstimmung mit den Arbeitgeber­vertretern dafür ausgesprochen, im Ergebnis nur ein Vorerkrankungsver­fahren abbilden zu wollen. Es wurde klargestellt, dass das bisherige Verfah­ren nach § 107 Abs. 2 SGB IV weiter­hin als Regelprozess genutzt werden soll, während die Neuregelung des § 109 Abs. 2 SGB IV und Übertragung der erforderlichen Änderungen im Rahmen der weiteren Gesetzgebung zurückgeführt wird.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass alle Anfragen der Arbeitgeber im Zusam­menhang mit der Prüfung von anrechenbaren Vorerkrankungen wei­terhin ausschließlich im Rahmen des § 107 Abs. 2 SGB IV zu stellen sind.

Eine weitere Ergänzung wurde im Zusammenhang mit der Stornierung einer Anfrage von eAU-Daten durch den Arbeitgeber mit aufgenommen.

Fazit

Für Arbeitgeber ist die Teilnahme am Pilotprojekt freiwillig, gleichzeitig eröffnet sich damit die Chance, die internen Abläufe auf die eAU-Tauglichkeit zu testen. Der Austausch läuft über Prozesse, die bereits seit Jahrzehnten zwischen Arbeitgebern und Kassen etabliert sind. Alle Beteiligten müssen die Zeit nutzen: Ärzte zur Übermittlung der Daten, Arbeitgeber zum Anpassen der Prozesse und Arbeitnehmer, um sich an das neue Verfahren zu gewöhnen. Die Berichte der Arbeitgeber geben Hoffnung, dass die Einführung der eAU am Ende ein Erfolg werden kann.

Bereits heute rufen viele Arbeitgeber und Dienstleister eAU-Daten bei der Krankenkasse ab. Dabei überwiegt durchweg eine positive Resonanz auf das neue Verfahren. Allerdings wird auch immer darauf hingewiesen, dass die Anpassung der Prozesse und die Testphase dazu beitragen, Fehlerquellen und Störfälle abzustellen.

Markus Stier

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