Vier gewinnt : Situativ Führen im New Normal
Die einzige Konstante ist Veränderung, lautete 2020 eine Headline dieses Magazins. Sich wie ein Chamäleon auf die durch die Corona-Pandemie veränderte Arbeitssituation einzulassen, fiel jedoch nicht jedem Mitarbeitenden leicht. Vor allem Führungskräfte waren gefragt, ihrem Team Struktur und Sicherheit zu geben – und das auch über die Distanz hinweg. Viele führten intuitiv, situativ.
Die Praxis zeigt: Wer sich ganz bewusst für einen situativen Führungsstil entscheidet, kann die Leistungsfähigkeit seines Teams maßgeblich beeinflussen und erhält im Idealfall produktivere sowie zufriedenere Mitarbeitende.
Es ist die Idealvorstellung eines jeden Unternehmens: Mitarbeitende, die an einem Strang ziehen. Die ihre Aufgaben zielsicher abarbeiten. Die glücklich mit ihrem Arbeitsumfeld sind und die in Stresssituationen resilient zu agieren. Um aus diesem Ideal Realität werden zu lassen, können Führungskräfte einiges tun – beispielsweise ihren Führungsstil adäquat der Situation anpassen.
Den Mitarbeiter richtig einschätzen
Den Mitarbeiter in seinen Fähigkeiten und in seinem Engagement hinsichtlich einer Aufgabe richtig einzuschätzen: Darum geht es beim situativen Führen. Dementsprechend legt die Führungskraft fest, welches Führungsverhalten zu der jeweiligen Situation passt. Dabei gibt es einige Hinweise, durch die der Teamleiter einschätzen kann, in welcher Lage sich der Mitarbeitende aktuell befindet.
Diese sind:
Hinweise auf mangelnde Kompetenz, Unsicherheit und fehlendes Engagement Der Mitarbeiter wirkt durch die Aufgabe eingeschüchtert. Das Arbeitsergebnis lässt zu wünschen übrig oder der Angestellte stellt das To-do erst gar nicht fertig. All das sind Hinweise darauf, dass sich der Mitarbeitende unsicher fühlt und ihm die Kompetenz zur Bewältigung dieser Aufgabe fehlt. Er stellt banale und abwehrende Fragen oder versucht, die Aufgabe ohne stichhaltige Argumente umgehend abzuschieben.
Hinweise auf mangelnde Kompetenz, aber Engagement
Ist der Mitarbeitende ängstlich oder aufgeregt, gleichzeitig aber interessiert und aufgeschlossen, zeigt dieses Verhalten zwar Engagement, aber mäßige Kompetenz. Der Mitarbeitende ist empfänglich, für Input, aufmerksam oder gar begeistert, häufig fehlt ihm aber gerade bei neuen Aufgaben die Erfahrung.
Hinweis auf Kompetenz, aber kein oder mäßiges Engagement
Hat der Mitarbeitende Wissen und Kompetenz demonstriert, aber wirkt er im nächsten Atemzug zögerlich, deutet das auf Unsicherheit hin. Hinter häufig eingefordertem Feedback steckt Angst, Überforderung oder gar Verwirrung. Dass der Mitarbeitende die Aufgabe allein bewältigen muss, scheint bei ihm in diesem Stadium Widerwillen hervorzurufen.
Hinweis auf Kompetenz und hohes Engagement
Der Angestellte hält seinen Vorgesetzten über jeden Arbeitsschritt auf dem Laufenden. Er arbeitet autonom und ist ergebnisorientiert. Negative sowie positive Entwicklungen teilt er eigenständig mit. Er ist sich seines Sachverstandes bewusst, trifft wirksame Entscheidungen und führt die Aufgabe mit guten Arbeitsergebnissen eigenständig aus. All das deutet auf einen kompetenten sowie engagierten Angestellten hin.
Die vier Führungsstile
Hat die Führungskraft den Mitarbeitenden richtig eingeschätzt, gilt es den dazu passenden Führungsstil zu demonstrieren. Zur Wahl stehen:
Der Dirigent
Der Dirigent arbeitet mit Mitarbeitenden, denen es an Kompetenz und gleichzeitig an Engagement mangelt. Er gibt strikte Vorgaben – sowohl zu Inhalten als auch zur Vorgehensweise. Er kontrolliert und räumt wenig Freiraum ein. Dabei gibt er Lösungen sowie Entscheidungen klar vor und ist wenig offen für Ideen.
Wirksam sind:
- Befehle
- Anordnungen
- klare Strukturen
Nicht wirksam sind:
- Forderungen
- Erniedrigungen
- Dominanz

Der Trainer
Der Trainer befähigt Mitarbeitende, die zwar engagiert sind, denen es aber an Kompetenz mangelt, ihre Aufgaben ergebnisorientiert auszuführen. Er bietet Unterstützung – gibt beispielsweise Vorgehensweise zur Problemlösung vor – und zeigt Zuversicht. Er ist offen für die Ideen und Gedanken des Mitarbeitenden.
Wirksam sind:
- Wertschätzung
- Erklärungen
- offene Diskussionen
Nicht wirksam sind:
- Manipulation
- Rechtfertigungen
- Predigten
Der Coach
Der Coach befähigt Mitarbeitende, die zwar kompetent sind, aber dennoch unsicher agieren. Der Coach hört zu, ermutigt, lässt den Angestellten eigenständig entscheiden. Bei Unsicherheit beantwortet er Fragen und klärt strittige Punkte.
Wirksam sind:
- Beteiligung
- Ermutigung
- Unterstützung
Nicht wirksam sind:
- Beschwichtigungen
- herablassende Verhaltensweisen
- gönnerhaftes Auftreten
Der Delegierende
Der Delegierende arbeitet mit Mitarbeitenden, die engagiert und gleichzeitig kompetent sind. Hierbei überträgt die Führungskraft Verantwortung und lässt das Teammitglied selbst entscheiden. Gemeinsam legen beide Parteien Ziele fest. Die Führungskraft übt keine Kontrolle aus und muss den Mitarbeitenden in der Regel nicht unterstützen
Wirksam sind:
- Delegation
- Beobachtung
- Vertrauen
Nicht wirksam sind:
- zurückziehen
- unerwünschte Aufgaben abladen
- ausweichen
Mitarbeiterentwicklung – alles eine Frage des Führungsstils
Das Ziel der Führungskraft sollte sein: Mitarbeitende als Delegierender anzuleiten. Sprich: Sie als Dirigent, Trainer oder Coach in die Stufe „kompetent und engagiert“ zu überführen. Führen heißt Befähigen, die entsprechenden Führungsstile geben dabei Orientierung.
Mitarbeitende im „New Normal“ weiterzuentwickeln, kann bedeuten, die jeweiligen Rollen noch stärker wahrzunehmen. Denn gerade über die Distanz sind vor allem Dirigenten, Trainer und Coaches mehr gefragt denn je.
Philipp R. Kinzel
