Mitarbeiterbindung : Benefit – or not?
Wenn es um Benefits geht, dann muss spätestens jetzt noch einen Schritt weitergedacht werden, denn „Mitarbeiterbindung ist das neue Recruiting“. Dabei geht es nicht nur um Geld oder „Größe“ – auch kleine Benefits zeigen schon echte Wertschätzung, wenn sie richtig gewählt sind.
Organisationen, die eine inkludierende Kultur leben, punkten deshalb mit Maßnahmen, welche die Mitarbeiter wirklich erreichen und dabei gekonnt „ins Schwarze treffen“. Wer einfach nur denkt, dass ein Benefit etwas ist, dass eben mal „großzügig gewährt“ wird, bei dem ist noch nicht ganz angekommen, dass die Beschäftigten damit auch gesehen und verstanden und vor allem persönlich unterstützt werden wollen. Insbesondere im Dauerbrenner-Diskurs, ob vor allem die Jüngeren „mehr Bock auf Arbeit“ haben sollten, könnten Benefits zu einen entscheidenden Faktor werden, wie wir der sich verändernden Anspruchswelt künftig begegnen könnten.
Oller Obstkorb?
Während kaum noch einer vom einst so vielgepriesenen Kickertisch spricht (und das nicht nur coronabedingt), entfacht das Thema Obstkorb nicht nur eifrige Diskussionen, sondern zählt schon zahlreiche eigene Beiträge in den Medien. Mit der Kampagne „Ciao Obstkorb. Wir wollen echte Benefits“ wirbt eigens ein Recruiting-Unternehmen, das sich vor allem gezielt an Young Talents wendet. Wer hier gleich schimpfen möchte, dass es doch äußerst undankbar sei, die Obstofferte seines Arbeitgebers nicht zu würdigen, hat die aktuelle Debatte im Kern noch nicht verstanden.

Der Obstkorb ist zu einem Symbol geworden, weil er viel zu oft in den Jobofferten wie ein Ausgleich zu etwas gehandelt wurde – also als eine Art „anstatt“ zu guten und fairen Arbeitsbedingen –, wo es sonst an vielen grundlegenden Hardfacts gefehlt hatte, die eine Stelle wirklich attraktiv und lohnenswert gemacht hätten. Denn wer braucht dann noch einen Obstkorb, wenn „der Rest“ einfach nicht stimmt?
Schnell mal verwechselt?
Die Nennung eines angeblich „attraktiven Gehalts“ findet sich bei vielen Stellenausschreibungen auch immer wieder unter den „Top-Benefits“ – dabei stellt eine angemessene Bezahlung doch schlichtweg einen Hygienefaktor dar.

Klar ist natürlich, dass ein Startup nicht gleich so viel zahlen wird wie ein Konzern. Eine einfache Nennung der Zahl sollte dann beim Verdienst doch reichen – könnte man denken. Aber die Gehaltsgefüge sind eben nicht so einfach abzubilden. wie es bei einem festen Stundensatz für bestimmte Grundtätigkeiten der Fall sein kann. Zu oft fehlt es dann wohl noch am Grundverständnis, dass Arbeitgeber Mitarbeiter für ihre Arbeit angemessen entlohnen sollten (der Obstkorb lässt grüßen).
Manch einer empfindet eine solche Vorab-Formulierung, was als ausreichend an Entgelt zu bemessen ist, sogar als anmaßend. Denn woher sollte der Arbeitgeber die Lebensumstände des Bewerbers bzw. der Bewerberin (bereits) kennen und damit wissen, was ihm bzw. ihr „reichen sollte“? Einen Schritt weiter geht das Ganze sogar noch, wenn man bei einem mickrigen Lohn fröhlich damit winkt, der „unschlagbare Vorteil“ in dem zu besetzenden Job liege darin, „sich eine Perspektive erarbeiten zu können“. Ein Benefit darf also nie unter dem subsumiert werden, was eigentlich selbstverständlich sein müsste.
In Zeiten von zunehmenden Unsicherheiten braucht es zudem klare Angaben, zuverlässige Aussagen und erreichbare Ziele – auch in Bezug auf das, was es dann garantiert noch wirklich „on the top“ gibt. Nicht erst seit Corona ist es zudem für viele Mitarbeitende täglich eine Herausforderung, den Spagat zwischen Berufs- und Alltagsleben hinzubekommen. Hinzu kommt mehr Homeoffice, womit zudem eine Änderung der Gewohnheiten einhergeht, denen auch in den Details Rechnung getragen werden muss – mit einem echten Ausgleich der möglichen Nachteile. Dafür braucht es dann zusätzlich unbedingt gute und effektive Motivationsinstrumente, um die Produktivität und das Wohlbefinden der Beschäftigten nicht nur zu erhalten, sondern sie im besten Fall sogar zu erhöhen.
Ganz schöne Kleinigkeiten?
Wer seine Büropflanzen bewässert, aber die Mitarbeitenden ganz nebenbei „vertrocknen“ lässt, darf seinen Fokus generell mehr auf die Fürsorge richten. Gerade jetzt, wo die Sommer heißer werden, sollte die Versorgung mit Getränken längst mehr als nur eine gesetzliche Pflichtaufgabe sein. Die Grundabdeckung mit dem Benefit „kostenlos Wasser und Kaffee“ wird dabei auch nicht allen gerecht. Deshalb sollten Benefits nicht einfach nur stur oder ständig „von oben herab“ und viel zu oft als von einer Gnade gegeben praktiziert werden. Mitarbeiterbindung ist kein einmaliges Versprechen, sondern eine fortlaufende Entwicklung mit einer eigenen Dynamik, und da gehört auch eine regelmäßige Abstimmung mit Feedbackmöglichkeiten dazu, was eben die Benefits unbedingt miteinschließen sollte. Wer hier einen ordentlichen Prozess ins Leben ruft, hat begriffen, wie er ein „gesundes“ und wertschätzendes Verhältnis zu seinen Mitarbeitenden pflegt, und kann sein wahres Händchen dafür unter Beweis stellen, wie man möglichst alle glücklich macht. Schon mal überlegt, aus einem „ausgedienten“ Desinfektionsspender im Sommer eine Sonnencremestation zu machen? Darüber freuen sich sicher nicht nur die Frischluftfanatiker …
Vielleicht besser so (nicht)?
Wie man sieht, konnten inzwischen bereits bestimmte Benefits im Recruiting also sogar zu einem negativen Buzz-Word werden. Wer den Obstkorb verstanden hat, kann die Sache da schon entspannter angehen. Wenn man allerdings das Obst immer(hin) sporadisch unangekündigt „großzügig“ hinstellt, sollte man damit beginnen, darüber nachzudenken, was die Mitarbeitenden dann mit dem Selbstmitgebrachten machen (müssen). Zu den zusätzlich selbstgemachten Missverständnissen bei der Eigenbewerbung mit Benefits gehören dann auch die „falschen Versprechungen“ oder die Anwendung eines reinen effekthaschenden Marketing-Jargons. Ganz allgemein gesprochen wird diese „wahllose Wertschätzung“ als reine Pflichterfüllung wahrgenommen und erreicht statt „alle“ im Grund kaum jemanden wirklich und bringt dann auch letztlich nichts.
Wenn man beispielsweise „Workation“ in der Ausschreibung unter den Benefits wie „Urlaub“ aussehen lässt, sorgt man selbst dafür, dass Arbeit nicht wie erwartet ausgeführt und gelebt wird. Sagen, was Sache ist, ginge in diesem Fall so: Workation bedeutet (lediglich), von einem – meist sonnigen oder coolen – Ort im Ausland tätig sein zu können. Gearbeitet wird aber trotzdem wie gehabt, nur halt mit mehr Sonnenschein oder Ausflugs- und Ausgehmöglichkeiten nach „Feierabend“. Das ist auch nicht was für jeden und so ein anderes Arbeitsleben kann für den „Falschen“ sogar noch anstrengender sein.
Das Werben mit Benefits sollte also in keiner Weise zu einer falschen Beschönigungsmaßnahme werden. Denn dazu gibt es im Netz schon ganze Umfragen und Listen. Bei dem Versuch, sich nach außen als großzügiger Arbeitgeber zu präsentieren, sollte man deshalb dafür vielleicht nicht unbedingt das Abhalten einer Weihnachtsfeier als Beispiel wählen für ein „außerordentliches Investment“ in Sachen Mitarbeiterwürdigung. Heutzutage gilt es umso mehr, ein sehr sensibles Händchen dafür zu haben, was sogar ein echtes Benefit-No-Go sein könnte.
Die echte Kirsche auf dem Obstkorb?
Wer allgemeine Arbeitsumstände nicht mit den angebotenen Benefits vermischt in seinen Jobbeschreibungen, hat also gute Chancen, dass diese „Extras“ auch als solche ihre Wirkung entfalten können. Auch wenn die Vorstellungen der in der Arbeitswelt nachrückenden zunehmend in Richtung mehr Berücksichtigung von Spaß, Spannung und eingebauter Entspannung gehen, so lassen sich diese nicht immer (in allen Details) mit den Stellenanforderungen verbinden. Wahrlich nicht jedes Anforderungsprofil gibt das in seiner Umsetzung her und es existieren nun einmal die pflichtmäßigen Alltagsanforderungen, die schlichtweg erfüllt sein müssen.

Das bedeutet aber gleichzeitig, dass einige Attraktivitätsanreize „nach außen“ verlagert werden müssen – und genau da kommen die Benefits ganz groß ins Spiel: Der unschlagbare.
Vorteil liegt unbestritten in der Möglichkeit der individuellen Ausgestaltung, während an gewissen Grundgegebenheiten der Arbeitsgestaltung irgendwann einfach nicht mehr zu rütteln ist. Und nicht jede Firma kann oder wird versprechen können, zu Weltruhm zu gelangen, so gern gerade viele Jüngere beruflich vorzugsweise bei den „Big Playern“ mitmischen wollen. Am Ende ist es der gesamte Arbeitsalltag im Einklang mit dem jeweiligen Leben, der in der Summe aufgehen und funktionieren muss. „Egal“ also, wie groß die Wünsche zunächst auch sein mögen: Am Ende wird es die realistische Mischung aus allem machen. Für ein positives „Plus“ auf dem Zufriedenheits- und Wohlfühlkonto kann ja trotzdem und darüber hinaus auf unterschiedlichste Weise gesorgt werden.

Also: „Butter bei die Benefits“!?
Immer noch viele Mitarbeitende wären im Grunde sogar schon zufrieden mit einer flexiblen Benefit-Karte, mit einem ordentlichen Guthaben zum Essen, Einkaufen, Tanken etc., wobei auch für einen besonderen Bedarfsfall angespart werden kann. Beliebt und immer häufiger „im Angebot“ ist eine Art von „Pick & Choose“ aus Bereichen wie z. B. Mobilität, Sport und Gesundheit, Kinderbetreuung und mehr.
Aber auch „alte Bekannte“ wie Weiterbildungsangebote stehen (immer noch) hoch im Kurs, wobei sich Mitarbeitende hier mehr Freiheiten bei der Wahl ihrer Angebote wünschen. Manche plädieren außerdem dafür, dass Firmen sogar das „Lesen im Allgemeinen“ fördern sollten mit einem eigenen Jahresbudget für individuelle Anschaffung zum persönlichen Verbleib. Immer weiter in den Hintergrund rückt das Thema betriebliche Altersfürsorge. Denn sich hier eine Anwartschaft für die ferne Zukunft aufzubauen, verliert zunehmend den Anreiz, da häufigere Arbeitsplatzwechsel immer üblicher werden und das damit „Angesparte“ bei ohnehin Wechselwilligen sicherlich keinen auschlaggebenden Bleibegrund mehr darstellen wird. Will man über eine Alternative nachdenken, die mehr als ein Zeichen des guten Willens der Absicherungsbereitschaft darstellt, so könnte eine hundertprozentige Lohnfortzahlung bei Krankheit oder Unfall (je nach Beruf und Branche) ein wirklich guter und großer Ansatz sein, den absoluten und dauerhaften Bleibewunsch deutlich zu erhöhen.
Und „Arbeitsliebe“ geht einfach auch weiterhin durch den Magen. Denn wenn es um das Thema Essen geht, ist gerade in Zeiten von Home Office und „Remote Work“ der völlig flexible Essenszuschuss ein hervorragendes Mittel, wenn es keine Rolle spielt, ob nun Restaurant, Lieferservice, Supermarkt – oder ganz einfach das nette Café von nebenan. Ein Benefit fühlt sich nur dann richtig gut an, wenn man es auch voll auskosten kann. Bei vielen wird zudem der Wunsch immer lauter und deutlicher, dass Familie kein „Vielleicht?“ oder „Entweder-oder! “ mehr bedeuten darf. Konkret könnte sich das dann ausdrücken in:
100 Prozent Lohnfortzahlung bei Elternzeit, 20 Wochen Elternzeit (Mutter) plus vier Wochen Vaterschaftsurlaub – bei (gleichzeitiger) großzügiger Familienzulage. Das wären dann wohl die neuen „Familienbetriebe der Zukunft“.
Wohin noch mit den Werten?
Unter dem Motto „Karma, Klima und Karriere“ wurde kürzlich in Stuttgart eigens ein Jobfestival für Klimaschutz initiiert. Das Event war rund um Zukunftsberufe und eine nachhaltige Arbeitswelt ausgerichtet. Nicht aus jeder Tätigkeit jedoch kann heutzutage geradezu eine „Mission“ werden und es lassen sich auch nicht alle Visionen, die man im Kopf und Herzen trägt, genau und jederzeit bei der Arbeit umsetzen, auch wenn es das HR-Marketing nun immer öfter so schön vollmundig verspricht. Wenn bei aller Selbstverwirklichung letztlich wirklich „die beste Idee entscheidet“, muss das längst nicht die eigene sein. So viel Realitätssinn muss auch hier bleiben. Wie viel „Weltverbesserer“ in einem Job tatsächlich stecken kann und darf, entscheiden am Ende immer noch die Budgets, da wird nicht dran zu rütteln sein.
Weil trotz allem immer da begonnen wird, wo jeder etwas im Rahmen seiner Möglichkeiten „im Kleinen tut“, können Benefits künftig sogar noch enger mit Werten (ganz nach eigenem Geschmack) verbunden werden. Bei aller Umweltliebe wird nämlich trotzdem nicht jeder mit dem E-Bike fahren wollen – auch die Wahl der umweltschonenden Fortbewegung sollte (weiterhin) der persönlichen Freiheit unterliegen. Aber die Benefits können in anderen Bereichen nachhaltiger gestaltet werden: Wenn es zunächst „einfach um Geld geht“, wäre es möglich, eine Art „Umwelt- oder Klimakonto“ einzurichten. So würde das Motto „da haben alle was davon“ eine zusätzliche schöne neue Bedeutung in Form eines Benefits gewinnen.
Fazit
Nie wieder Obstkorb?
Benefits sollten niemals eine Art von Ersatz für angemessene Bezahlung sein – oder als etwas vorgeschoben werden, was ihrem Zweck überhaupt nicht entspricht. Sie werden (weiterhin) als eine Art von Leistungen gesehen, die Mitarbeitende zufrieden(er) machen sollen, damit sie motiviert sind und bleiben – und sich wohlfühlen. Daraus kann dann auch – emotional und durchaus erfolgsfördernd – mehr werden als ein reines „Tauschgeschäft“, wenn das richtig angegangen wird. Und dem Ganzen liegt dabei immer noch zusätzlich der Steuervorteil für das Unternehmen zu Grunde, um etwas möglich zu machen. Den gewünschten Effekt erzielt man allerdings keinesfalls, wenn man mit Nice-to-haves wirbt und dabei wichtige Must-haves unter den Tisch fallen lässt. Clevere und empathisch gewählte Corporate Benefits steigern die Mitarbeiterzufriedenheit und die Arbeitsattraktivität für andere nach außen und stärken das Employer Branding äußerst effektiv – und nachhaltig.
Eines der größten Missverständnisse bei der Benennung von Benefits liegt in der „Vermischung“ von grundsätzlichen Arbeitsbedingungen, von denen alle Arbeitnehmende sich nicht nur wünschen, sondern auf angemessene Weise erwarten dürfen, dass sie gut sind. Benefits sollten die Bereiche betreffen, die für die Mitarbeitenden ihr (alltägliches) Arbeitsleben noch besser, sie im besten Fall (ganz) glücklich und zufrieden machen. Als eine Art „Geschenk auf Bestellung“ – und dazu vielleicht sogar noch so manche andere unverhoffte und schöne Überraschung.
Dr. Silvija Franjic, Onlineredakteurin + Recruiting-Spezialistin