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Das Schreckgespenst “Auslandseinsatz”

Lesezeit 5 Min.

Obwohl die A1-Bescheinigung in den letzten Monaten bereits für Schrecken in vielen Unternehmensabteilungen gesorgt hat, ist der Spuk noch nicht vorbei.

Nach wie vor stellt der Standardfall der grenzüberschreitenden Dienstreise innerhalb der EU Unternehmen vor ungeklärte Fragen. Einige davon werden nachfolgend beantwortet:

Ist eine Entsendung eine grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung?

Das ist möglich. Hierbei handelt es sich um eine wichtige, in der Praxis oft übersehene Frage. Diese ist jedoch von besonderer Bedeutung, da bei Vorliegen einer grenzüberschreitenden Arbeitnehmerüberlassung die Regelungen der beteiligten Länder beachtet und eingehalten werden müssen. Soll nun ein Mitarbeiter z. B. von Deutschland in die Schweiz verliehen werden, ist dies rechtlich bereits nicht möglich, da nach dem Schweizer Recht eine grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung verboten ist.

Auch das deutsche Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) gilt grundsätzlich für jede Überlassung von Arbeitnehmern, die in der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, selbst wenn der Verleiher seinen Sitz im Ausland hat. Grenzüberschreitender Personalverleih nach Deutschland hinein setzt damit grundsätzlich eine deutsche Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis voraus, andernfalls würde eine illegale Arbeitnehmerüberlassung vorliegen.

Worin unterscheidet sich eine Arbeitnehmerüberlassung von einer Entsendung?

Eine Entsendung liegt vor, wenn dem Auslandseinsatz ein Dienst- oder Werkvertrag zu Grunde liegt. Wichtig ist hierbei, dass es nicht darauf ankommt, welche Vertragsart gewählt wurde, sondern auf welche Art und Weise der Personaleinsatz tatsächlich erfolgt. Dabei sind alle Umstände des konkreten Einzelfalls heranzuziehen.

Hauptkriterien für die Abgrenzung sind das Weisungsrecht und die Eingliederung in den Betrieb.

Besteht damit auch ein Risiko bei dem Einsatz von ausländischen Subunternehmern?

Ja. Bei dem Einsatz von ausländischen Subunternehmern ist besonders darauf zu achten, dass es sich um eine Entsendung aufgrund eines Dienst- oder Werkvertrags und nicht um eine Arbeitnehmerüberlassung handelt.

Andernfalls besteht u. a. das Risiko, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen dem deutschen Unternehmen und dem Arbeitnehmer des ausländischen Subunternehmers als zustande gekommen gilt („fingiertes Arbeitsverhältnis“, § 10 Abs. 1 AÜG). Der „Leiharbeitnehmer“ hätte zwar die Möglichkeit, der Entstehung eines solchen Arbeitsverhältnisses zu widersprechen und zu erklären, dass er an seinem bisherigen Vertragsverhältnis des ausländischen Subunternehmers festhalten möchte — inwieweit von dieser Möglichkeit jedoch Gebrauch gemacht wird, erscheint fraglich.

Ändert sich für die Mitarbeiter das anwendbare Recht, wenn diese für eine Dienstreise verreisen?

Dies hängt von der Dauer der Dienstreise ab. In der Regel nein. Jedenfalls nach dem derzeitigen Stand. Nächstes Jahr wird sich dies durch die Umsetzung der Änderung der Entsenderichtlinie vermutlich ändern. Aber dann wird es sich auch arbeitsrechtlich nicht mehr um eine Dienstreise, sondern um eine Entsendung handeln, da hierfür vermutlich eine Einsatzdauer von zwölf Monaten notwendig sein wird.

Ist eine Dienstreise eine Entsendung?

Sozialversicherungsrechtlich gesehen ja. Daher ist selbst bei kurzen grenzüberschreitenden Dienstreisen innerhalb der EU nach dem derzeit geltenden Recht die Beantragung und Mitführung einer A1-Bescheinigung erforderlich. Arbeitsrechtlich gesehen nein. Insoweit unterscheidet sich eine Dienstreise von einer Entsendung dahingehend, dass eine Dienstreise keine Änderung des Arbeitsvertrags nach sich zieht. Vielmehr besteht der ursprüngliche Anstellungsvertrag unverändert fort.

Arbeitsrechtlich erfolgt eine Entsendung hingegen in der Regel auf der Grundlage einer sogenannten Entsendevereinbarung.

Was gilt für Aufsichtsräte und Vorstände?

Auch Aufsichtsräte und Vorstände benötigen eine A1-Bescheinigung. Die Frage ist nur, wer dafür verantwortlich ist. Soweit Aufsichtsräte nicht in ihrer Funktion als Arbeitnehmer in das Ausland verreisen, sondern in ihrer gesellschaftsrechtlichen Funktion, üben sie eine selbstständige Tätigkeit aus. Dem Grunde nach besteht daher für die Unternehmen keine Verpflichtung, die A1-Bescheinigung zu beantragen. Dennoch muss auch in diesem Fall eine A1 Bescheinigung aufgrund der selbstständigen Tätigkeit mitgeführt werden. Dies dient letztlich als Nachweis, dass das Aufsichtsrat-/Vorstandsmitglied grundsätzlich dem deutschen Sozialversicherungssystem (und eben nicht einem ausländischen) unterfällt. Entsprechend gelten die für selbstständige Tätigkeiten geltenden Regelungen, unabhängig von bestimmten Funktionen.

Der Unterschied bei Selbstständigen ist nur, dass das elektronische A1-Antragsverfahren hier nicht zulässig ist und die entsprechenden Antragsformulare ausgefüllt werden müssen.

Nachdem die A1-Bescheinigung jedoch letztlich auch den Arbeitgeber davor schützt, dass ausländische Sozialversicherungsbeiträger die Abführung von Beiträgen verlangen, macht es Sinn, die Aufsichtsräte jedenfalls auf die Beantragungspflicht hinzuweisen.

Was gilt bezüglich der Arbeitszeit auf einer Dienstreise?

Das Thema Arbeitszeit hat durch das EuGH-Urteil vom 14.05.2019 (C-55/18) an Bedeutung gewonnen. Danach müssen die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer gemessen werden kann. Aber vollkommen unabhängig hiervon stellt sich bei jeder Dienstreise die Frage danach, welche Zeit vergütet wird.

Bisher hatte das BAG die Auffassung vertreten, dass es keinen allgemeinen Rechtssatz gibt, nach dem Reisezeit außerhalb der regulären Arbeitszeit zu vergüten ist. Vielmehr war in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine Vergütung erwartet wurde oder nicht. Dies änderte sich bereits durch eine Entscheidung aus dem Jahr 2018 (17. Oktober 2018 — 5 AZR 553/17), wonach auch die erforderlichen Reisezeiten außerhalb der regulären Arbeitszeit zu vergüten sind. Führt man diesen Gedanken konsequent weiter, haben Arbeitnehmer bei einem dienstlich veranlassten zwölfstündigen Direktflug Anspruch, für zwölf und nicht nur für acht Stunden vergütet zu werden.

Gerade bei Auslandsreisen ist dies ein wichtiges Thema. Abweichende vertragliche Gestaltungen sind möglich! Das sollten Arbeitgeber nutzen und ihre betriebliche Handhabung in Bezug auf die Vergütung von Reisezeiten prüfen.

Was ist bei einem Auslandseinsatz sonst noch zu beachten?

Wichtig ist, die ausländerrechtlichen Aspekte im Blick zu haben. Ausländerrecht ist jeweils lokales Recht, so dass man nicht automatisch davon ausgehen kann, dass jemand, der rechtmäßigerweise im Ausland arbeitet, dies auch in Deutschland tun darf. Oder umgekehrt.

Zudem sind Registrierungspflichten zu beachten. In jedem Land müssen die Mitarbeiter vor dem Auslandseinsatz online registriert werden. Zudem sind noch weitere Unterlagen notwendig.

Werden Sie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Entsendung. Die Arbeitsgemeinschaft Entsendung wurde im Frühjahr 2019 ins Leben gerufen. Im Vordergrund steht der gemeinsame Austausch zwischen „Leidensgenossen“, die sich mit den unterschiedlichen Themen einer Entsendung befassen müssen. Unterschiedliche Referenten zu Arbeits-, Sozialversicherungs- und Steuerrecht liefern die notwendige Basis.

Ein professionelles Porträtfoto einer lächelnden Frau mit braunen Haaren vor grauem Hintergrund. Im orangefarbenen Textfeld neben ihr steht: „Dr. Michaela Felisiak, LL.M., Rechtsanwältin BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München.“

 

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