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Im Blick: Sozialversicherungsrecht (Ausgabe 6/2023)

Lesezeit 8 Min.

Homeoffice im Ausland (EU-Staaten)

Corona hat es salonfähig gemacht: Workation, also arbeiten, wo man möchte. Insbesondere Grenzgänger nutzen die Möglichkeit, überwiegend von zu Hause aus zu arbeiten und nur gelegentlich im Büro vorbeizuschauen. Aber wie ist in diesen Fällen die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung vorzunehmen? Welches Sozialversicherungsrecht ist dann anzuwenden? Während der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Reisebeschränkungen hatten sich die EU-Staaten auf pragmatische Regelungen verständigt. Diese sind aber inzwischen ausgelaufen.

Zur jetzigen rechtlichen Situation hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ein Merkblatt herausgegeben. Die wesentlichen Aussagen:

Grundsätzlich gilt das sogenannte Territorialprinzip, was bedeutet, dass immer das Recht des Staates gilt, in dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird. Ausnahmen gibt es aber zum einen bei Entsendungen und dann, wenn der Beschäftigte Erwerbstätigkeiten in unterschiedlichen Mitgliedstaaten ausübt.

Arbeitet eine Person also ausschließlich von zu Hause aus für einen in einem anderen EU-Mitgliedstaat/EWR-Staat oder der Schweiz ansässigen Arbeitgeber, gilt das Recht des Wohnstaates, der gleichzeitig Beschäftigungsstaat ist.

Findet die Tätigkeit einer Person sowohl als mobile Arbeit von zu Hause aus als auch vor Ort bei ihrem Arbeitgeber statt, werden zwei Konstellationen unterschieden:

  • Arbeitet eine Person regelmäßig von zu Hause aus für einen Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat/EWR-Staat oder der Schweiz und ansonsten vor Ort bei ihrem Arbeitgeber (z. B. in dessen Büro), gilt sie als Person, die ihre Beschäftigung gewöhnlich in zwei Mitgliedstaaten ausübt.
  • Liegt der Anteil der mobilen Arbeit unter 25 Prozent, ist das Land zuständig, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
  • Liegt der Anteil des mobilen Arbeitens im Wohnstaat über 25 Prozent, ist in der Regel das Recht des Wohnstaates anzuwenden.

Zuständig für die Beurteilung der Zuständigkeit ist die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland.

Wird die Tätigkeit in einem anderen Staat nur gelegentlich und vorübergehend ausgeübt, wird es sich in der Regel um eine Entsendung handeln. In diesem Fall sollte der Arbeitgeber eine A1-Bescheinigung beantragen.

Künstlersozialabgabe bleibt für 2024 unverändert

Unternehmen, die Leistungen von selbstständigen Künstlern oder Publizisten in Anspruch nehmen, diese aber nicht als Arbeitnehmer beschäftigen, müssen eine Künstlersozialabgabe an die Künstlersozialkasse (KSK) entrichten.

Unternehmen sind abgabepflichtig, wenn sie für ihre eigenen Zwecke Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit betreiben und dazu nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten vergeben.

Beitragspflichtig sind alle Aufwendungen des Unternehmens, die erforderlich sind, um die Leistung zu erhalten oder zu nutzen. Dazu gehört in erster Linie das Honorar für den Künstler oder Publizisten, schließt aber auch den Ersatz von Kosten und andere Nebenleistungen, wie beispielsweise Telefon- und Frachtkosten, sowie Material- oder Personalkosten ein.

Nicht beitragspflichtig sind die an den Künstler ggf. gezahlte Umsatzsteuer, Zahlungen an Verwertungsgesellschaften (z. B. GEMA, VG Wort usw.) sowie Reise- und Bewirtungskosten (in den steuerlichen Grenzen) und andere steuerfreie Aufwandsentschädigungen.

Der Abgabesatz wird jährlich neu festgesetzt. Seit 2023 beträgt er fünf Prozent (davor 4,2 Prozent). Dieser Wert wird für 2024 unverändert bleiben. Grund ist die insgesamt gute Einnahmeentwicklung bei der Künstlersozialkasse.

Krankschreibung per Telefon bleibt weiterhin möglich

Während der Corona-Pandemie war es das Mittel der Wahl, um die Verbreitung von Infektionen zu vermeiden: die ärztliche Krankschreibung ohne Besuch in der Praxis, sondern nur aufgrund einer telefonischen Vorsprache beim Arzt. Diese coronabedingte Sonderregelung ist – wie alle anderen Ausnahmen auch – inzwischen ausgelaufen. Da sich die Regelung aber prinzipiell bewährt hat, wurde sie gesetzlich auf Dauer fixiert.

Im Gesetz ist festgelegt, dass die Krankschreibung bei leichten Erkrankungen nach telefonischer Anamnese und Beratung erfolgen kann. Während der Corona-Pandemie war das Verfahren auf leichte Atemwegserkrankungen beschränkt. Die telefonische Krankschreibung gilt nur Patienten, die in der Arztpraxis bereits persönlich bekannt sind. Die Details muss der Gemeinsame Bundesausschuss bis Jahresende in der sogenannten Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie regeln.

Im Blick Sozialversicherungsrecht
Im Blick Sozialversicherungsrecht

Neues Meldeportal am Start

Wohl jeder kennt sv.net, die Ausfüllhilfe, die den Arbeitgebern von den Sozialversicherungsträgern zur Verfügung gestellt wird. Diese Ära geht zu Ende. sv.net wird abgelöst durch das neue Meldeportal, eine Online-Anwendung, die ausschließlich über den Internetbrowser genutzt wird. Eine Installation auf dem eigenen Rechner ist nicht mehr vorgesehen.

Der Praxistest läuft seit Juli 2023, ab Oktober wird das Portal allen Arbeitgebern zur Verfügung stehen. sv.net kann noch bis Ende des Jahres genutzt werden und wird dann abgeschaltet. Mit dem Meldeportal steht eine gesetzlich verbriefte Anwendung zur Verfügung – sv.net war bisher nur auf Initiative und Betreiben der Sozialversicherungsträger als Unterstützungsangebot für die Unternehmen ins Leben gerufen worden.

Neu ist die Funktion des Online-Datenspeichers (Cloud-Funktion). Insbesondere für kleine Arbeitgeber (bis zu zehn Beschäftigte) besteht damit die Möglichkeit, die Daten zentral zu speichern und sie damit auch dem Betriebsprüfdienst elektronisch zur Verfügung zu stellen (eine entsprechende Verpflichtung besteht seit Anfang 2023). Die für die Arbeitnehmer eingegebenen Daten bleiben erhalten und müssen nicht – wie bisher bei der Online-Version von sv.net – bei jeder Meldung neu eingegeben werden.

Neu sind zudem der Zugang und die Registrierung beim Meldeportal. Genutzt wird dafür das ELSTER-Zertifikat (ELSTER-ID), über das inzwischen jedes Unternehmen verfügen sollte.

Die Nutzung ist für die meisten Anwender kostenpflichtig, allerdings zu sehr moderaten Preisen, also eher eine Schutzgebühr. Die Nutzungsgebühr wird für zwei Anwendergruppen in unterschiedlicher Höhe erhoben:

  • Single-Mandant: Abgabe von Meldungen nur für eine Betriebsnummer = 36,00 Euro für drei Jahre (1,00 Euro pro Monat), netto zzgl. gültiger MwSt.
  • Multi-Mandanten: Abgabe von Meldungen für mehrere Betriebsnummern = 99,00 Euro für drei Jahre (2,75 Euro pro Monat), netto zzgl. gültiger MwSt.

Die Laufzeit ist auf 36 Monate beschränkt und kann danach (wiederum kostenpflichtig) verlängert werden.

Zugang zum Portal
Zugang zum Portal

Wer das Meldeportal als Selbstständiger im Rahmen des A1-Antragsverfahrens oder ausschließlich für die Beantragung von Zahlstellennummern oder gesonderten Absendernummern nutzt, für den ist das Portal kostenfrei.

Digitale Rentenübersicht jetzt online verfügbar

In der neuen digitalen Version der Rentenübersicht können sich Bürgerinnen und Bürger über ihre individuellen Rentenansprüche informieren. Darunter gibt es Informationen zu persönlichen Altersvorsorgeansprüchen aus der gesetzlichen, betrieblichen und privaten Alterssicherung. Sie können die Digitale Rentenübersicht ab sofort unter rentenuebersicht.de einsehen.

In dem neuen Online-Portal werden die individuellen Altersvorsorgeansprüche übersichtlich und verständlich dargestellt – das Wichtigste über alle Altersvorsorgeprodukte auf einen Blick, dazu Details zu jedem einzelnen Produkt. Das Angebot ist kostenlos. Die Digitale Rentenübersicht gibt einen Überblick über die voraussichtliche finanzielle Absicherung im Alter. Die gewohnten Informationsschreiben der gesetzlichen Rentenversicherung und der Anbieter der zusätzlichen Altersvorsorge erhalten Bürgerinnen und Bürger weiterhin. Die Digitale Rentenübersicht kann als Grundlage für die eigene Altersvorsorgeplanung oder eine weitergehende Beratung genutzt werden. Hierfür können die Informationen auch aus der Digitalen Rentenübersicht exportiert werden.

Zum Start der Digitalen Rentenübersicht können zunächst Informationen der gesetzlichen Rentenversicherung, der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder sowie von Union Invest abgerufen werden. Im weiteren Verlauf werden weitere Anbieter von Altersvorsorgeprodukten angebunden. Eine Liste der jeweils angebundenen Vorsorgeeinrichtungen steht im öffentlichen Bereich des Portals zur Verfügung. Bis Ende des Jahres 2023 wird das Angebot in einer öffentlichen Testphase erprobt und evaluiert.

Die Digitale Rentenübersicht wird angeboten von der Zentralen Stelle für die Digitale Rentenübersicht unter dem Dach der Deutschen Rentenversicherung Bund.

Meldeverfahren

Das Meldeverfahren zwischen Arbeitgebern und Sozialversicherungsträgern ist in stetigem Fluss (siehe auch Hinweise zum neuen Meldeportal). An einige Neuerungen sei hier erinnert:

Das Bestandsprüfungsverfahren mit der Änderung von Meldungen durch die Krankenkassen gibt es nicht mehr. Künftig müssen fehlerhafte Meldungen in jedem Fall storniert und neu

abgegeben werden. Das Verfahren mit der Abänderung von Daten und der anschließenden Information des Arbeitgebers hatte sich in der Praxis nicht bewährt und zu vielerlei Problemen geführt.

Wenn Sie die Rentenversicherungsnummer eines neuen Mitarbeiters nicht kennen, müssen Sie jetzt zwingend eine elektronische Abfrage vornehmen. Die Vorlage des Sozialversicherungsausweises gibt es nicht mehr, neue Ausweise werden nicht mehr ausgestellt.

Arbeitgeberstammdaten werden inzwischen ebenfalls elektronisch angefragt, abgegeben und auch geändert. So wird die Krankenkasse eine digitale Anfrage stellen, wenn bei ihr eine Anmeldung für einen Beschäftigten oder ein Beitragsnachweis eingeht und diese von einem dort bisher nicht bekannten Arbeitgeber stammen. Tipp: Über dieses Verfahren können Sie auch ein SEPA-Mandat für den Abruf vom Bankkonto erteilen, ändern oder beenden.

Meldung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten wird digitalisiert

Die Meldungen von Arbeitsunfällen, Wegeunfällen, Schülerunfällen und Berufskrankheiten an Berufsgenossenschaften und Unfallkassen werden ab dem 01.01.2028 nur noch digital möglich sein. Das ist die Konsequenz der Novellierung der Unfallversicherungs-Anzeigeverordnung (UVAV). In einer Übergangsfrist bis zum 31.12.2027 können Anzeigen weiterhin per Post abgegeben werden.

Neben der Digitalisierung der Meldungen wurden mit der Novellierung der UVAV weitere Änderungen umgesetzt. Es kommen neue Meldeinhalte hinzu wie zum Beispiel:

  1. die Ergänzung der Angaben zum Geschlecht um die Einträge „divers“ und „keine Angabe“,
  2. die Angabe, ob der Unfall während einer Homeoffice-Tätigkeit oder während des Distanzunterrichts eingetreten ist,
  3. die Angabe, ob eine geringfügige Beschäftigung vorliegt
  4. die Angabe, ob ein Gewaltereignis vorgelegen hat.

Die in der Übergangsfrist noch gültigen Musterformulare der vormaligen UVAV werden nicht um alle neuen Meldeinhalte ergänzt. Sie nehmen lediglich die Inhalte 1 und 2 neu auf. Diese Musterformulare wurden zum 01.10.2023 im Internet bereit gestellt.

Für die digitale Meldung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten stehen bereits vollumfänglich die für Unternehmen erforderlichen digitalen Formulare im Serviceportal der gesetzlichen Unfallversicherung oder über das Onlineangebot des jeweiligen Unfallversicherungsträgers zur Verfügung.

Für die ärztliche Anzeige über den Verdacht auf eine Berufskrankheit wird derzeit an einem digitalen Übertragungsweg gearbeitet.

Die digitalen Meldeformulare werden schrittweise erweitert, seit 01.10.2023 sind die Inhalte 1 und 2 aktiviert, gefolgt von der vollständigen Integration des neuen UVAV-Datensatzes ab dem 01.01.2024.

 

Jürgen Heidenreich

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