Mehraufwand für Personaler : Zeitwirtschaft in der Cloud schafft Abhilfe
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat vor Kurzem eine generelle Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bestätigt. Es stellte dabei klar, dass ein bereits im Mai 2019 gefälltes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) diese Pflicht begründet. Bislang waren Unternehmen nicht dazu angehalten, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter zu dokumentieren. Ausnahmen gab es nur für Mindestlohnbeschäftigte laut Mindestlohngesetz und in Branchen wie dem Bau- oder Gastgewerbe, um Schwarzarbeit zu verhindern. Mitarbeiter mussten bislang nur Feiertags- und Sonntagsarbeit sowie Überstunden dokumentieren, sobald es mehr als acht Stunden waren.
Angestellte befürchten vor allem, dass ihnen die durch die Pandemie gewonnene Freiheit zum flexiblen Arbeiten im Homeoffice durch die verpflichtende Dokumentation wieder genommen werden könnte. Doch das ist nicht der Fall. Es ist ihnen weiterhin möglich, ihre Arbeitszeit ihren Bedürfnissen und Wünschen entsprechend über den Tag hinweg zu verteilen. Schlussendlich dient die Arbeitszeiterfassung auch ihrem Vorteil: Denn erst mit einer konsequenten Zeiterfassung ist Unternehmen ersichtlich, wie viele Arbeitsstunden jeder einzelne Mitarbeiter leistet. Und erst auf dieser Basis können Maßnahmen zur Reduzierung von Überstunden oder in Bezug auf eine angemessene Abteilungs- und Schichtplanung entsprechend dem anfallenden Workload erfolgen.
Stundenzettel: Excel-Liste oder doch eine Cloud-Lösung?
Damit sind Unternehmen, die bislang nicht über eine Lösung für die Zeiterfassung verfügen, angehalten, ein neues System einzuführen. Vorschriften über das Vorgehen gibt es bislang jedoch keine, nur unveränderlich muss die Dokumentation sein. Unternehmen können die Arbeitszeit also handschriftlich, mit Stechuhr, in einem selbst betriebenen Zeiterfassungstool (On-Premises-System) oder in der Cloud vornehmen lassen. Für einige Betriebe bedeutet das einen bürokratischen Mehraufwand. Daher kann es von Vorteil sein, die neue gesetzliche Regelung für eine Überarbeitung der Betriebsvereinbarungen und für eine Digitalisierung der Zeiterfassung zu nutzen. Vor allem Lösungen aus der Cloud bieten dabei viele Vorteile.

Agilität bis in die HR-Prozesse hinein
In vielen Branchen ist es wichtig, agil zu sein. Damit die Personalabteilung Schritt halten kann, müssen auch HR-Abläufe den Agilitätsansprüchen entsprechen. Gerade digitale Time- und Attendance-Systeme bieten nicht nur eine mobile und damit flexible Zeiterfassung via App, sie schaffen auch die Vorteile eines ortsunabhängigen Zugriffs auf Daten wie die Urlaubs- und Schichtplanung oder auf Informationen zu Arbeits- und Gleitzeitkonten. Gleichzeitig werden in Cloud-Lösungen gesetzliche und tarifliche Änderungen bei regelmäßigen Software-Updates schnell und ohne weiteres Zutun des Unternehmens mitgeliefert, die in eigenen Systemen oft erst aufwendig von internen Teams umgesetzt werden müssen.
Auch die Wartung und Pflege des Systems muss nicht das eigene IT-Team zusätzlich stemmen. Der Cloud-Provider kümmert sich darum, Ressourcen up to date und konstant verfügbar zu halten. Branchen, die häufig Marktveränderungen unterliegen, bietet die Cloud außerdem die Möglichkeit, die HR-Lösung den Anforderungen entsprechend zu skalieren und schnell an die geschäftliche Entwicklung anzupassen – egal, ob dabei die Mitarbeiterzahl erhöht oder verringert werden muss.
Da die Zeiterfassung in vielen Fällen unmittelbare Auswirkungen auf die Entgeltabrechnung hat, können Personalverantwortliche die Zeitwirtschaft und die Gehaltsabrechnung als Einheit in die Cloud migrieren. Gleichzeitig können die Payroll-Prozesse verschlankt und beschleunigt werden, indem Routineaufgaben, Genehmigungsverfahren oder andere Funktionen automatisiert werden. Wird der gesamte Employee Lifecycle von Hire bis Retire in der Cloud abgebildet, kommen die Vorteile in allen HR-Bereichen zum Tragen. Unternehmen können beispielsweise den Einstellungsprozess beschleunigen und sicherstellen, dass die richtigen Gehaltsvereinbarungen hinterlegt sind, und zudem die Boni-, Prämien- und Reisekostenabrechnung sowie die Entwicklungs- und Nachfolgeplanung managen.
Fokus auf das Kerngeschäft durch HR-Outsourcing
Ein weiteres Problem vieler Arbeitgeber ist, dass sie inhouse über zu geringe Kapazitäten verfügen, um eine Zeitwirtschaftslösung einzuführen und nötige Veränderungen darin durchzuführen. Lagern sie diese Prozesse wie die Payroll oder die Zeitwirtschaft an einen externen Dienstleister aus, können sich die Mitarbeiter auf wichtigere Tätigkeiten konzentrieren. Denn gerade komplexe Regelungen zu neuen Gehalts- und Zeitmodellen rund um Remote Work, flexible Arbeitszeiten, eine mögliche vier-Tage-Woche oder auch Workation stellen Personaler vor neue Herausforderungen. Branchen wie Fertigung, Handel, Konsumgüter oder Finanzen setzen bereits seit einigen Jahren wieder verstärkt auf das Outsourcing verschiedener HR-Bereiche.

Mitarbeiter stärker in HR-Prozesse einbinden
Weitere HR-Ressourcen können Unternehmen von administrativen Aufgaben entlasten, indem sie das People Engagement in HR-Abläufen durch sogenannte Self-Services verstärken. Das betrifft vor allem Prozesse zur Erfassung, Nutzung und Verarbeitung von Personaldaten. Es erspart Zeit bei Personalverantwortlichen, wenn die Mitarbeiter ihre Arbeitszeit oder Abwesenheiten direkt selbst online im Cloudsystem beantragen können. Das Tool verarbeitet diese dann automatisiert und prüft, ob der Mitarbeiter noch über genügend Resturlaubstage verfügt, und sendet eine Freigabebenachrichtigung an den jeweiligen Vorgesetzten. Gerade in großen Betrieben ist dies sinnvoll, da nicht alle Hierarchien und Vorgesetztenverhältnisse jedes einzelnen Mitarbeiters auf Anhieb bekannt sind. Das entlastet die Recherche und Prüfung der Daten beim HR-Verantwortlichen auf ein Minimum, sodass sich dieser wichtigeren Aufgaben, wie zum Beispiel dem Recruiting, widmen kann. Gleichzeitig agieren Mitarbeiter selbstbestimmter und sind nicht abhängig von Verfügbarkeiten der HR-Kollegen. Auch in Bezug auf Lohnerhöhungen können Führungskräfte freier handeln und diese selbst im System bestätigen, wenn dort zuvor Vorgaben definiert worden sind.
Verjüngung und Erneuerung von Altsystemen
Bereits lange implementierte On-Premises-Systeme oder Einzellösungen sind oftmals nicht mehr auf dem neuesten Stand der Möglichkeiten von modernen HR-Lösungen. Ein höherer Pflege- und Wartungsaufwand ist die Folge, um die Systeme aktuell zu halten oder gar neue Funktionen einzubauen. Letzteres ist mitunter sogar unmöglich, wenn zum Beispiel Schnittstellen fehlen. Moderne Cloud-Lösungen minimieren hingegen den eigenen IT-Aufwand und sind flexibler bei der Integration neuer Funktionen. Viele Hersteller haben ihre alten Lösungen bereits vom Markt genommen oder supporten diese nur noch ein paar Jahre. Für Tätigkeitsfelder wie Recruiting, Personaladministration oder Talent Management wurden in den vergangenen Jahren bereits verstärkt Cloud-Lösungen realisiert. Abrechnung und Zeitwirtschaft ziehen jetzt nach.
Automatisierte HR-Prozesse gegen den HR-Fachkräftemangel
Des Weiteren macht der Fachkräftemangel auch vor der Personalabteilung nicht halt. Vor allem Stellen in Zeitwirtschaft und Abrechnung gelten, als schwer zu besetzen, da diese ein erhebliches Fachwissen erfordern, das nur mit einer flachen Lernkurve erworben werden kann.

Durch die Auslagerung bestimmter Prozesse und ein stärkeres Einbeziehen der Mitarbeiter beim Datenmanagement fallen große Bereiche dieser lästigen Prozesse weg und komplexe Bereiche werden durch externe Experten übernommen, sodass interessantere Aufgaben auch auf Berufseinsteiger warten.
Cloud-Anbieter für Zeitwirtschaft als Sparringspartner
Insgesamt kann der Wechsel von HR-Systemen in die Cloud viele Personalvorgänge intelligenter und schlanker gestalten – vor allem in der Zeitwirtschaft und der Abrechnung. Das macht den Beruf sowohl für Berufseinsteiger als auch für langjährige Personaler wieder interessanter, da sie sich nicht mehr mit ungeliebten Routineaufgaben, wie dem Personaldaten-Abgleich, beschäftigen müssen. Außerdem schont es die internen Ressourcen und es werden keine zusätzlichen Arbeitskräfte in HR und IT benötigt, um Vorgänge zu bearbeiten und Altsysteme am Laufen zu halten. Denn der Cloud-Provider kümmert sich umgehend um die Aktualisierung aller HR-Abläufe, vor allem auch in Bezug auf die jeweiligen Gesetzesänderungen. Gleichzeitig können durch die genaue Dokumentation Maßnahmen ergriffen werden, um erhöhte Arbeitszeiten langfristig zu senken und gegebenenfalls durch zusätzliches Personal in den Abteilungen auszugleichen. Zu bedenken ist jedoch: Durch das neue Urteil und die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zum Jahreswechsel werden viele Unternehmen externe Partner einbeziehen, die diesen Beratungs- und Implementierungsbedarf leisten können. Es ist zu erwarten, dass diese Anfragenflut kaum abzudecken ist, da schon jetzt entsprechende Ressourcen bei den Dienstleistern auf Monate im Voraus verplant sind. Unternehmen sollten sich also rechtzeitig darum bemühen, einen entsprechenden HR-IT-Partner zu finden, der im besten Fall auch Fragestellungen rund um die Payroll mit abdecken kann und über freie Ressourcen verfügt.
Dirk Burkamp, Regional Director bei Alight