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Im Blick: Arbeitsrecht : Kündigung wegen Weiterleitung dienstlicher E‑Mails an private E‑Mail-Adresse

Immer häufiger kommt es zu einer Vermischung des Arbeitsrechts und des Datenschutzes. Ein beliebter Klassiker: das Weiterleiten von dienstlichen E‑Mails an den privaten E‑Mail-Account. Rechtfertigt dies aber gleich eine außerordentliche Kündigung?

Lesezeit 5 Min.

Oberlandesgericht (OLG) München, Urteil vom 31.07.2024 – 7 U 351/23 e

Immer häufiger kommt es zu einer Vermischung des Arbeitsrechts und des Datenschutzes. Ein beliebter Klassiker: das Weiterleiten von dienstlichen E‑Mails an den privaten E‑Mail- Account. Rechtfertigt dies aber gleich eine außerordentliche Kündigung? Ja, urteilte das OLG München gegen ein früheres Vorstandsmitglied, jedenfalls dann, wenn es sich um besonders sensible Daten handelt.

Verortung des Urteils

Datenschutz ist für Unternehmen insbesondere aus zwei Blickwinkeln wichtig – entweder, wenn es darum geht, Datenschutzverstöße von Mitarbeitenden arbeitsrechtlich zu sanktionieren, oder, wenn empfindliche Bußgelder durch die Aufsichtsbehörden gegen sie drohen.

Der vorliegende Fall beschäftigt sich mit der ersten Variante und ist ein Beispiel für einen datenschutzrechtlichen Exzess. Im Kern geht es um das Weiterleiten dienstlicher E‑Mails an einen privaten E‑Mail-Account und die Frage, ob dies einen wichtigen Grund zur Kündigung i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB darstellt.

Kurz zur Erinnerung: Das Weiterleiten und Speichern auf einem privaten Account stellt eine unzulässige Verarbeitung i. S. d. Art. 4 Nr. 2 Datenschutz-Grundverordnung (DS‑GVO) dar, allerdings begründet nicht jeder Verstoß gegen die DS‑GVO die Annahme eines wichtigen Grundes zur Kündigung i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB. In dem vorliegenden Fall war dies aber anders.

Der Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Abberufung des Klägers als Vorstand der Beklagten und um die Beendigung seines Vorstandsanstellungsvertrags.

Der Kläger war mehrere Jahre als Vorstandsmitglied der beklagten AG tätig. Der Vorstandsdienstvertrag verpflichtete ihn u. a. zur Geheimhaltung aller betrieblichen Angelegenheiten. Dabei war es ihm insbesondere untersagt, vertrauliche Informationen zu verbreiten oder an nicht berechtigte Dritte zu kommunizieren. Ungeachtet dessen leitete der Kläger über mehrere Monate verschiedene dienstliche E‑Mails an seine private E‑Mail-Adresse in Kopie (Cc) weiter. Die E‑Mails enthielten teils sensible
Informationen über Gehälter, Provisionsabrechnungen und Unternehmensvorgänge, z. B. eine geldwäscherechtliche Bankanfrage.

Im Mai 2021 versandte der Kläger solche Mails auch an ein Aufsichtsratsmitglied, wobei er seine eigene private Adresse wiederum sichtbar unter „Cc“ angab. Anlässlich der Durchsicht diverser Unterlagen bemerkte ein neu bestelltes Vorstandsmitglied Ende September 2021 diese Vorfälle und teilte es dem Aufsichtsrat in dessen Sitzung am 11.10.2021 mit. Nachdem der Aufsichtsrat hiervon Kenntnis erlangt hatte, berief er den Vorstand unverzüglich ab und kündigte den Anstellungsvertrag außerordentlich fristlos. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 13.10.2021 zu.

Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht München entschied, dass die außerordentliche fristlose Kündigung des Vorstandsdienstvertrags des Klägers wirksam ist und das Anstellungsverhältnis beendete.

Die Kündigung erfolgte innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB, da der Aufsichtsrat der Beklagten erst in seiner Sitzung vom 11.10.2021 von den maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erlangte. Für den Beginn der Ausschlussfrist ist maßgeblich, wann der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat, § 626 Abs. 2 BGB. Kenntnis der AG liegt erst dann vor, wenn der für die Tatsachenkenntnis maßgebliche Sachverhalt dem Aufsichtsrat als Kollegialorgan unterbreitet wurde.

Auch lagen die weiteren Voraussetzungen für eine außerordentliche, fristlose Kündigung vor. Die Weiterleitung von dienstlichen E‑Mails an den privaten E‑Mail-Account des Klägers stellte eine schwerwiegende Verletzung der Datenschutz- Grundverordnung (DS‑GVO) dar und begründete einen wichtigen Grund für die Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB.

Das OLG München bejahte vorliegend den wichtigen Grund mit Verweis darauf, dass die in den E‑Mails enthaltenen Daten besonders sensibler Natur gewesen seien und der Kläger wiederholt und damit im Ergebnis schwerwiegend gegen die DS‑GVO verstoßen habe. Die Argumentation des Klägers, die Weiterleitung der E‑Mails habe der eigenen Absicherung in einem etwaig späteren Haftungsfall dienen sollen, ließ das OLG München u. a. mit Verweis auf das Einsichtsrecht nach § 810 BGB ebenso wenig gelten wie den Umstand, dass er seine private E‑Mail-Adresse in „Cc“ gesetzt hatte und die Weiterleitung somit für die anderen Personen im Verteiler ersichtlich gewesen sei.

Das OLG München bestätigte zudem – neben der außerordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrags – auch die sofortige Abberufung des Klägers als Vorstand. Ein wichtiger Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB für die außerordentliche fristlose Kündigung des Anstellungsvertrags stelle immer auch einen wichtigen Grund für die Abberufung des Vorstands i. S. d. § 84 Abs. 4 S. 1 Aktiengesetz (AktG) dar. So seien die Grenzen, unter denen eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB ausgesprochen werden dürfe, enger gezogen als der Kreis der Gründe, die die Abberufung aus der Organstellung erlaubten.

Konsequenzen für die Praxis

Zum Bestehen eines außerordentlichen Kündigungsgrunds hält das OLG fest, dass die gesetzliche Geheimhaltungspflicht gemäß § 93 Abs. 1 S. 3 AktG nicht durch den Vorstandsdienstvertrag beschränkt oder erweitert werden kann.

Das bloße Weiterleiten betrieblicher E‑Mails an die eigene private E‑Mail-Adresse stellt grundsätzlich keine Verletzung der gesetzlichen Geheimhaltungspflicht dar. Damit ist in der Regel gerade keine Offenlegung von Informationen gegenüber einem Dritten verbunden.

In dem vorliegenden Fall wiegte aber besonders schwer, dass die betreffenden E‑Mails u. a. sensible Daten von Arbeitnehmern enthielten. Der Kündigungsgrund ergab sich daher aus einer mangels Einwilligung unrechtmäßigen Verarbeitung von Daten, welche einen Verstoß gegen die Legalitätspflicht des Vorstands darstellt.

Praxistipps

Praxistipps

Dass das Thema Datenschutz für Arbeitgeber unter Compliance- Gesichtspunkten nicht mehr wegzudenken ist, dürfte sich langsam herumgesprochen haben – spätestens seit dem jüngsten Referentenentwurf zum Beschäftigtendatenschutzgesetz. Datenschutzrechtliche Exzesse, in denen Mitarbeiter besonders schwerwiegend gegen die datenschutzrechtlichen Regelungen verstoßen, nehmen zu. Der aktuelle Fall zeigt, dass dies auch auf klassische arbeitsrechtliche Aspekte durchschlagen kann.

In der Praxis geschieht ein datenschutzrechtlicher Exzess teilweise auch in umgekehrter Reihenfolge, nämlich nach Zugang einer Kündigung. Wenn dann Daten gelöscht oder von dem dienstlichen auf den privaten E‑Mail-Account versandt werden, kann dies u. U. eine (weitere) außerordentliche Kündigung rechtfertigen

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