Die Neuregelung der Betriebsratsvergütung
Am 25.07.2024 ist die gesetzliche Neuregelung der Betriebsratsvergütung in Kraft getreten. Auslöser für diese Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes war das sog. „Volkswagen-Urteil“ des Bundesgerichtshofs (BGH) im Januar 2023 (Az. StR 133/22). Darin hatten die Richter entschieden, dass der Straftatbestand der Untreue erfüllt sein kann, wenn Betriebsrät*innen eine überhöhte Vergütung gezahlt wird und dadurch gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot verstoßen wird.
Hintergrund zur Betriebsratstätigkeit und Vergütung
Die Betriebsratstätigkeit ist gesetzlich als unentgeltliches Ehrenamt ausgestaltet. Die Betriebsratsmitglieder sind für die Amtsausübung − soweit notwendig − von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien. Während der Freistellung erhalten sie ihr Arbeitsentgelt nach dem Lohnausfallprinzip fortgezahlt. Sie erhalten also die Vergütung, die sie ohne die Betriebsratstätigkeit erhalten hätten, wenn sie regulär gearbeitet hätten. Damit soll die Unabhängigkeit des Betriebsrats als Organ gewährleistet werden.
Gesetzliche Regelungen zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern
§ 78 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) schreibt vor, dass Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden dürfen. Dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung, einschließlich ihrer Vergütung. Daher existiert ein gesetzlicher Mindestvergütungsanspruch (§ 37 Absatz 4 Satz 1 BetrVG). Danach darf das Arbeitsentgelt einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer*innen mit betriebsüblicher Entwicklung. Für die Bestimmung der Höhe des Arbeitsentgelts sind Vergleichsgruppen zu bilden.
Vergleichsgruppen zur Bestimmung der Betriebsratsvergütung
Unzureichend ist der Mindestentgeltanspruch für die Fälle, in denen ein Betriebsratsmitglied geltend macht, dass es eine höhere Vergütung als jene der Vergleichsgruppe zu erwarten hätte, weil es sich beruflich besser als diese entwickelt hätte („hypothetische Karriere“). Hier kann sich ein Vergütungsanspruch aus § 611a Abs. 2 BGB i.V.m. § 78 Satz 2 BetrVG ergeben, wenn die Zahlung einer geringeren Vergütung eine Benachteiligung wegen der Betriebsratstätigkeit darstellt. Dafür muss das Betriebsratsmitglied darlegen, dass eine Bewerbung auf eine bestimmte Stelle gerade wegen der Betriebsratstätigkeit erfolglos war. Wenn sich das Betriebsratsmitglied auf eine Beförderungsstelle nicht beworben hat, kann es evtl. einen „fiktiven Beförderungsanspruch“ geltend machen. Das Betriebsratsmitglied muss dafür darstellen, dass die Bewerbung gerade wegen der Freistellung bzw. der Betriebsratstätigkeit unterlassen wurde und ansonsten erfolgreich gewesen wäre.
Auswirkungen des Volkswagen-Urteils auf die Vergütung von Betriebsräten
Das „Volkswagen-Urteil“ führte in der Praxis zu Rechtsunsicherheiten bei der Anwendung der oben benannten Grundsätze für die gesetzkonforme Vergütung von Betriebsräten. In der Folge haben einige Unternehmen zur Vermeidung strafrechtlicher Konsequenzen die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern präventiv gekürzt. Die betroffenen Betriebsräte haben in der Folge ihre ursprüngliche Vergütung vor den Arbeitsgerichten eingeklagt. Der Gesetzgeber sah sich daher gezwungen zu handeln. Ziel der Novelle des BetrVG ist es, die mit dem Urteil entstandene Rechtsunsicherheit zu beseitigen.
Neuregelungen zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern im BetrVG
Die Neuregelungen sollen die aktuelle Rechtslage präzisieren und das Risiko von Verstößen redlich handelnder Arbeitgeber*innen gegen das betriebsverfassungsrechtliche Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot reduzieren. Dabei wird das Ehrenamtsprinzip fortgeschrieben. Neue oder zusätzliche Entgeltansprüche werden nicht geschaffen. Im Einzelnen:
§ 37 Abs. 4 BetrVG neue Fassung
Die Vorschrift wird um folgende Sätze ergänzt:
„Zur Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer nach Satz 1 ist auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamtes abzustellen, soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neubestimmung vorliegt. Arbeitgeber und Betriebsrat können in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln. Die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in einer solchen Betriebsvereinbarung kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden; Gleiches gilt für die Festlegung der Vergleichspersonen, soweit sie einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt und in Textform dokumentiert ist.“
Konkretisierung der Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern und Betriebsräten
In Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird der Zeitpunkt für die Bestimmung der Vergleichsgruppe der vergleichbaren Arbeitnehmer*innen auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts festgeschrieben, soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neubestimmung vorliegt. Das Gesetz selbst führt zu den sachlichen Gründen nicht weiter aus. In der Gesetzesbegründung wird entsprechend der bisherigen Rechtsprechung als Beispiel angeführt, dass das Betriebsratsmitglied die Anforderungen einer höher dotierten Stelle erfüllt und einen entsprechenden Änderungsvertrag mit dem Arbeitgeber schließt. Nach der Gesetzesbegründung soll die Wiederwahl des Betriebsratsmitglieds oder eine spätere Freistellung nach wie vor keinen sachlichen Grund für eine Neubestimmung der Vergleichsgruppe darstellen. Die Gesetzesbegründung hält zudem fest, wie vorzugehen ist, wenn im betreffenden Betrieb Vergleichspersonen fehlen. In diesen Fällen sollen vergleichbare Arbeitnehmer eines anderen Betriebs herangezogen werden. Wenn auch dort keine Vergleichspersonen vorhanden sind, ist die nächstvergleichbare Arbeitnehmergruppe heranzuziehen und das Mindestentgelt unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu schätzen.
Betriebsvereinbarungen zur Festlegung der Betriebsratsvergütung
Neu ist, dass die Betriebsparteien das Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmerinnen mithilfe einer Betriebsvereinbarung regeln können. Anhaltspunkte für die konkreten Kriterien der Vergleichbarkeit bietet der Gesetzestext nicht. Die Gesetzesbegründung gibt die ständige Rechtsprechung wieder. Danach sind diejenigen Arbeitnehmerinnen vergleichbar, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben und dafür in gleicher Weise wie das Betriebsratsmitglied fachlich und persönlich qualifiziert waren.
Neu gesetzlich geregelt ist zudem, dass die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in einer Betriebsvereinbarung von den Gerichten nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann. Auch die Festlegung der Vergleichspersonen kann nach dem Gesetz lediglich auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden, wenn diese einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat in Textform erfolgt ist. Den Betriebsparteien wird somit ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Nach der Gesetzesbegründung können nun nur sachwidrige Kriterien, eine verfehlte Gewichtung der jeweiligen Kriterien oder eine Festlegung der Vergleichspersonen anhand anderer als der in der Betriebsvereinbarung identifizierter Kriterien einen Verstoß gegen das Benachteiligungs- oder Begünstigungsverbot begründen.
§ 78 BetrVG neue Fassung
In dieser Vorschrift wird folgender Satz 3 ergänzt:
„Eine Begünstigung oder Benachteiligung liegt im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vor, wenn das Mitglied […] in seiner Person die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.“
Hiermit gibt das Gesetz Kriterien an die Hand, anhand derer sich die benachteiligungs- und begünstigungsfreie Entgeltzahlung orientieren kann. Nach der Gesetzesbegründung dürfen bei einer Stellenbesetzung während der Amtstätigkeit erworbene Kenntnisse, Fähigkeiten und Qualifikationen berücksichtigt werden, soweit sie im Unternehmen auch außerhalb des Betriebsratsamts für die jeweilige Stelle karriere- und vergütungsrelevant sind. Die Gesetzesbegründung hält im Sinne des Volkswagen-Urteils fest, dass durch die Betriebsratstätigkeit erworbene Kompetenzen wie beispielsweise ein „Verhandeln auf Augenhöhe“ oder eine „komplexe Aufgabenwahrnehmung“ nicht berücksichtigungsfähig sind, da sie unzulässigerweise an die Betriebsratstätigkeit anknüpfen.
Fazit: Rechtliche Unsicherheiten bei der Betriebsratsvergütung
Es ist sehr zu begrüßen, dass die geltende Rechtsprechung nun Gesetz wurde. Die rechtmäßige Vergütung von Betriebsrät*innen ist jedoch weiterhin unternehmensindividuell zu ermitteln. Damit verbleiben trotz der Neuregelungen rechtliche Unsicherheiten. Abzuwarten ist vor allem, ob sich die Rechtsprechung an den aufgezählten Auslegungsanweisungen, Beispielen und Erläuterungen in der Gesetzesbegründung orientieren wird. Es sollte nun jedem Arbeitgeber klar sein, dass überhöhte Betriebsratsvergütungen den Straftatbestand der Untreue auslösen können. Daher sollte die gesetzlich geschaffene Möglichkeit, Betriebsvereinbarungen abzuschließen, um das Verfahren für die Betriebsratsvergütung festzulegen, unbedingt genutzt werden. Hierbei stehen wir mit unseren Erfahrungswerten gerne zur Seite.