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Aktuelles aus dem Arbeitsrecht

Lesezeit 15 Min.
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(Keine) Betriebsbedingte Kündigung wegen Corona

Arbeitsgericht Berlin vom 25.08.2020 – 34 Ca 6664/20, 34 Ca 6667/20, 34 Ca 6668/20

Auch zu Beginn des Jahres 2021 hat COVID-19 die Wirtschaft fest im Griff. Aufgrund weiterhin hoher Inzidenzwerte und schleppender Impfungen werden Verordnungen zum „Lockdown“ verlängert und sogar teilweise verschärft. Die finanziellen Folgen machen sich in nahezu allen Branchen bemerkbar, gleichbleibende Fixkosten stehen oft sinkenden Einnahmen gegenüber.

Der Einzelhandel ist weitgehend geschlossen, aber auch alle anderen Branchen sind von der Krise betroffen. Schon jetzt droht in der Automobilindustrie ein massiver Stellenabbau. Je länger die Krise dauert, desto klarer wird: Da dürfte noch einiges auf Arbeitgeber zukommen.

Es liegt scheinbar auf der Hand, Personalkosten durch den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen zu senken. Doch während bestimmte Gesetze und Vorschriften wegen der Corona-Krise „aufgeweicht“ und weniger streng gehandhabt werden, bleiben Gesetzgeber und Gerichte bei der Prüfung der Kündigungsvoraussetzungen hart. Das Zauberwort „Corona“ hat hier keine Wirkung, wie gleich drei Parallelentscheidungen des Arbeitsgerichts Berlin beispielhaft zeigen.

Sachverhalt

Die Arbeitgeberin beschäftigt ca. 30 Mitarbeiter. Mit Schreiben vom 30.04.2020 kündigte sie die Arbeitsverhältnisse mit zehn ihrer Arbeitnehmer jeweils mit Wirkung zum 31.07.2020. Begründet wurden diese Kündigungen damit, dass aufgrund der Corona-Pandemie viele Kundenverträge gekündigt wurden und Großkunden Insolvenz anmelden mussten. Dies habe zu erhebliche Umsatzeinbußen in Höhe von 43 Prozent geführt, sodass es für das Unternehmen notwendig geworden sei, die Zahl der Arbeitnehmer von 32 auf 22 zu verringern.

Gegen die Kündigung wehrten sich drei Arbeitnehmerinnen vor dem Arbeitsgericht Berlin durch Kündigungsschutzklage.

Die Entscheidung

Das Arbeitsgericht gab allen drei Klägerinnen Recht und erklärte in drei Parallelentscheidungen die betriebsbedingten Kündigungen für ungerechtfertigt.

Das Gericht war nicht vom Vorliegen dringender betrieblicher Gründe im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG), die einer Weiterbeschäftigung der Klägerinnen entgegenstünden, überzeugt. Hierfür ist grundsätzlich die Arbeitgeberin gem. § 1 Abs. 1 S. 4 KSchG beweisbelastet.

Die Arbeitgeberin begründete die Kündigung in allen drei Fällen mit dem erheblichen Umsatzrückgang. Das Gericht war jedoch der Ansicht, dass die Arbeitgeberin nicht hinreichend dargelegt hätte, inwieweit ihrer Reaktion auf den Umsatzrückgang durch die Kündigungen ein entsprechendes Konzept zugrunde lag. Die bloße Begründung der betriebsbedingten Kündigungen mit einem starken Umsatzrückgang kann für ein solches Konzept in keinem Fall genügen und stellt keine ausreichende plausible Begründung dar.

Konsequenzen für die Praxis

Das Arbeitsgericht Berlin stellt hiermit klar, dass die wirtschaftlichen Folgen, wie sie durch die Corona-Pandemie ausgelöst werden, nicht allein eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen können. Das Schlagwort „Corona“ genügt hierfür nicht. Vielmehr ist nach gefestigter Rechtsprechung auch des Bundesarbeitsgerichts darzulegen, weshalb nicht nur ein vorübergehender Arbeitsmangel vorliegt, sondern dauerhaft von sinkendem Auftragsvolumen und Umsatzrückgang auszugehen ist. Wird in dem Betrieb Kurzarbeit geleistet, so kommt erschwerend hinzu, dass dies als Indiz gegen einen dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf gewertet wird.

Good to know

Ist das Kündigungsschutzgesetz anwendbar, benötigt der Arbeitgeber für eine ordentliche Kündigung einen Kündigungsgrund nach § 1 Abs. 2 KSchG. Eine Kündigung ist nach dieser Norm gerechtfertigt, wenn sie personen-, verhaltens- oder betriebsbedingt begründet werden kann.

Einer betriebsbedingten Kündigung müssen „dringende betriebliche Gründe“ zugrunde liegen, „die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen“, § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG. Hierfür prüfen die Arbeitsgerichte schrittweise folgende Voraussetzungen: Es muss eine unternehmerische Entscheidung (1.) vorliegen, durch die der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers entfällt (2.). Dieser darf auch nicht anderweitig weiterbeschäftigt werden können (3.) und muss in einer Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern im Betrieb weniger schutzwürdig sein (4.).

Die unternehmerische Entscheidung unterliegt dabei nur einer gerichtlichen Missbrauchskontrolle dahingehend, ob sie offensichtlich unsachlich oder willkürlich ist. Deren Zweck- und Sinnhaftigkeit wird nicht überprüft. Jedoch muss sich aus dem Vortrag des Arbeitgebers ergeben, inwieweit einer betriebsbedingten Kündigung tatsächlich ein unternehmerisches Konzept zugrunde liegt, aus dem sich nachvollziehbar ergibt, welche Arbeitsplätze dadurch wegfallen.

Bei Auftragsrückgängen muss der Arbeitgeber somit darlegen können, inwiefern ihn dies veranlasst hat, seinen Betrieb umzustrukturieren und Arbeitsplätze zu streichen. Weiter muss diese Umstrukturierung dazu führen, dass die Arbeitsplätze dauerhaft und nicht nur vorübergehend wegfallen.

Während also betriebsbedingte Kündigungen ein Instrument sind, um einem langfristigen Auftragsrückgang entgegenzutreten, so zielt das Konzept der Kurzarbeit umgekehrt darauf, Arbeitsplätze bei kurzzeitigen Auftragsschwankungen zu erhalten. So ist auch für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld nach § 96 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB III Voraussetzung, dass der Arbeitsausfall nur „vorübergehend“ auftritt. Insofern lässt sich mit dem Verweis auf eine bestimmte wirtschaftliche Lage nur das eine oder das andere begründen.

Ausnahmsweise lässt sich jedoch eine betriebsbedingte Kündigung trotz Kurzarbeit rechtfertigen, und zwar dann, wenn über jene Gründe hinaus, die zur Einführung der Kurzarbeit geführt haben, weitergehende Umstände gegeben sind, die auf Dauer den Arbeitsplatz entfallen lassen. Dies ist entsprechend darzulegen.

Praxishinweise

Die gute Nachricht für Arbeitgeber: Betriebsbedingte Kündigungen sind auch während Kurzarbeit und Corona-Krise möglich. Jedoch wird hier von den Gerichten eine entsprechend nachvollziehbare Begründung verlangt, mit der der tatsächlich dauerhafte Wegfall des Arbeitsplatzes aufgrund einer unternehmerischen Konzeption dargelegt werden kann.

Betriebsbedingte Kündigung in der unternehmensübergreifenden Matrixstruktur

Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 26.08.2020 – 2 Sa 119/20

Die Welt wird immer globaler und vernetzter, Ländergrenzen spielen immer weniger eine Rolle. Dies hat auch Auswirkungen auf die Arbeitswelt. In Konzerngesellschaften sind immer häufiger sogenannte Matrixstrukturen anzutreffen. Dabei werden Bereiche und Abteilungen mithilfe der zunehmenden technischen Vernetzungsmöglichkeiten vor allem in international organisierten Gesellschaftsstrukturen über Unternehmens- und Betriebsgrenzen hinweg nach inhaltlicher und thematischer Zugehörigkeit organisiert und aufgebaut. Arbeitnehmer sind dann „Business Units“ oder „Divisions“ zugeordnet und gehören meist zu internationalen Teams, was dazu führen kann, dass Vorgesetzte oft in einem anderen Land „sitzen“.

Was die Organisation und das weltweite Agieren für die Konzerne einfacher macht, wirft bei der Beurteilung der vertraglichen Beziehungen im Rahmen von arbeitsrechtlichen Streitigkeiten oftmals Fragen auf. Das Arbeitsrecht kennt keine speziellen gesetzlichen Regelungen für solche Organisationsstrukturen.

Das Hessische Landesarbeitsgericht hatte im Rahmen einer Kündigungsschutzklage u. a. zu entscheiden, ob ein Chief Commercial Officer (CCO) Kündigungsschutz genießt und in dem deutschen Betrieb eingegliedert war sowie ob die deutsche Gesellschaft verpflichtet gewesen wäre, dem CCO vor Ausspruch der Kündigung einen anderen Arbeitsplatz anzubieten.

Sachverhalt

Die Vertragspartei des Klägers ist die deutsche Tochtergesellschaft einer US-amerikanischen Konzernmuttergesellschaft und Teil eines internationalen, in 15 verschiedenen Ländern vertretenen Konzerns aus der kunststoffverarbeitenden Industrie.

Der Kläger war seit September 2013 bei der Tochtergesellschaft tätig, zuletzt als CCO. Während der Vertrag zwischen dem Kläger und der deutschen Tochtergesellschaft bestand, berichtete der Kläger direkt an den CEO der amerikanischen Muttergesellschaft. Von seiner Vertragsgesellschaft erhielt er keine direkten fachlichen Weisungen. Auch disziplinarische Anliegen, z. B. Urlaubswünsche, stimmte der Kläger direkt mit der amerikanischen Muttergesellschaft ab.

Der Kläger selbst war für die weltweiten Marketing-, Produktentwicklungs- und Vertriebsaktivitäten des gesamten Konzerns zuständig und führte fachlich das weltweite Marketing- und Vertriebsteam. Disziplinarisch war er zumindest im Hinblick auf Urlaubsanträge, Spesenabrechnungen und Zielvereinbarungen für das ihm direkt bei der deutschen Tochtergesellschaft unterstellte Team zuständig. Mehr als ein Drittel seiner Arbeitszeit verbrachte er auf Dienstreisen. Im Übrigen arbeitete er von den Büroräumen der Arbeitgeberin oder vom Homeoffice aus. Die deutsche Tochtergesellschaft rechnete sein Jahreszielgehalt von 312.500 Euro ab und zahlte es ihm aus. Einen Teil hiervon stellte sie der Muttergesellschaft in Rechnung. Nach vorsorglicher Anhörung des im Betrieb gewählten Betriebsrats kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis der Parteien betriebsbedingt mit Schreiben vom 29.03.2019 ordentlich zum nächstmöglichen Termin. Gegen diese Kündigung setzte sich der Kläger mit einer Kündigungsschutzklage zur Wehr.

Die Beklagte machte geltend, der Kläger sei gar kein Arbeitnehmer, und wenn, dann sei er jedoch nicht in ihrem deutschen Betrieb eingeordnet gewesen, die Arbeitgeberfunktion hätte vielmehr die amerikanische Muttergesellschaft übernommen. Weiter sei der Beschäftigungsbedarf auf dem Arbeitsplatz des Klägers weggefallen, auch habe der Kläger mangels entsprechender Ausbildung nicht auf anderen, zu dieser Zeit freien Stellen des Produktionscontrollers und des European Finance Director beschäftigt werden können.

Die Entscheidung

Das Hessische Landesarbeitsgericht bestätigte das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main und gab der Klage statt.

Auch wenn es an den typischen Weisungsrechten des deutschen Vertragsarbeitgebers (= Gesellschaft, die den Arbeitsvertrag geschlossen hat) fehlt, nahm das Gericht das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses an. Das Weisungsrecht wurde in Stellvertretung durch den CEO der amerikanischen Muttergesellschaft ausgeübt. Dieses Auseinanderfallen von fachlichen und disziplinarischen Weisungsrechten ist für Matrixstrukturen charakteristisch.

Auch stehe dem Kläger der allgemeine, betriebsbezogene Kündigungsschutz nach § 1 KSchG zu. Die hierfür notwendige Eingliederung in den Betrieb der Beklagten nahm das Gericht an, da der Kläger fachlicher Vorgesetzter im Betrieb der Beklagten beschäftigter Mitarbeiter war und er die dortigen Betriebsmittel nutzte. So stand ihm dort beispielsweise eine Assistentin zur Seite und die Personalabteilung in Deutschland war für seine Gehaltsabrechnung sowie das Buchen von Krankheits- und Urlaubstagen zuständig. Zudem hatte er sich mit der Personalabteilung in Deutschland zu Themen wie Personaleinsatz und Resturlaubstagen abgestimmt.

Dass der Kläger große Teile seiner Arbeitszeit nicht im Betrieb der Beklagten anwesend war und auch den Betriebszweck anderer Konzerngesellschaften förderte, hindert nach Ansicht des Gerichts diese Zuordnung nicht. Es gibt keine Mindestaufenthaltszeit. Vielmehr sei in einer Matrixstruktur möglich, mehreren Einheiten zugeordnet zu sein.

Das Arbeitsverhältnis war aber nicht durch die ausgesprochene Kündigung beendet worden. Die Rechtfertigung scheiterte daran, dass die Kündigung nicht durch „dringende betrieblichen Erfordernisse“ im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG „bedingt“ war, da dem Kläger unter Umständen ein anderer freier Arbeitsplatz angeboten hätte werden müssen. Zum Verhängnis wurde dem Arbeitgeber, dass er nicht ausreichend dargelegt hatte, dass der Kläger für die Stellen als Produktionscontroller oder als European Finance Director – evtl. mit einer entsprechenden Einarbeitungszeit – gänzlich ungeeignet wäre.

Konsequenzen für die Praxis

Das Landesarbeitsgericht hatte es in der vorliegenden Entscheidung mit einer immer häufigen auftretenden Frage zu tun: Wenn die Unternehmensgrenzen verschwimmen – wie wirkt sich das auf die an den Unternehmens- und Betriebsbegriff anknüpfenden arbeitsrechtlichen Normen aus? Die Gerichte lösen solche Probleme, wie vorliegend das Hessische Landesarbeitsgericht, mit den auch bisher geltenden Kriterien. Maßgeblich ist dabei insbesondere die Eingliederung.

Good to know

  • Durch Matrixstrukturen fallen das disziplinarische und das fachliche Weisungsrecht gegenüber einem Arbeitnehmer auseinander: Oft ist der Vertragsarbeitgeber (= Gesellschaft, die den Arbeitsvertrag geschlossen hat) für Urlaubsanträge und Gehaltszahlungen zuständig, während die inhaltlichen Anweisungen von Vorgesetzten anderer Gesellschaften, oft auch aus dem Ausland, erteilt werden.
  • Das Gesetz knüpft in vielen Regelungen an „das Unternehmen“ oder „den Betrieb“ an. Arbeitnehmer müssen zur Bestimmung ihrer Rechte diesen festen Grenzen zugeordnet werden. Dies führt zu zahlreichen Fragen des Kündigungsschutz- und Betriebsverfassungsrechts.
  • Hieraus ergeben sich in der Praxis zahlreiche schwierig zu beurteilende Konstellationen, wie z. B. im Hinblick auf betriebsbedingte Kündigungen. Hierzu zählt u. a.: Sind freie Arbeitsplätze außerhalb des Vertragsarbeitgebers, aber innerhalb der Konzerngesellschaft zu berücksichtigen? Wer fällt in die Sozialauswahl? Ist der Betriebsrat überhaupt zuständig? Wenn ja, welcher?
  • Auch im Zusammenhang mit dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats stellen sich verschiedene Rechtsfragen: Ist die Übertragung von Weisungsrechten an einen Arbeitnehmer für Mitarbeiter eines anderen Betriebs/Unternehmens als Einstellung im Sinne des § 99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zu werten? Bedeutet dieser Wechsel des Vorgesetzten für untergebene Mitarbeiter in dem anderen Betrieb/Unternehmen eine mitbestimmungspflichtige Versetzung im Sinne des § 99 BetrVG? Das Bundesarbeitsgericht hatte sich bereits mit solchen Fragen zu beschäftigen (vgl. BAG, Beschluss vom 12.10.2019, 1 ABR 13/18).

Praxishinweise

Arbeitgeber müssen sich bei der Organisation ihres Unternehmens bzw. ihres Betriebs solcher Folgeprobleme bewusst sein und sie im täglichen Arbeitsleben berücksichtigen. Soweit möglich, sollten schon im Voraus vertragliche Regelungen getroffen und tatsächliche Verhältnisse geschaffen werden, die den Bedürfnissen und Vorstellungen der Arbeitgeber dann auch im Rahmen einer rechtlichen und gerichtlichen Beurteilung standhalten.

Kein Anspruch des Betriebsrats auf Verständigung ausschließlich auf Deutsch

Landesarbeitsgericht Nürnberg, Beschluss vom 18.06.2020 – 1 TaBV 33/19

Ein Betriebsrat kann nicht verlangen, dass der Arbeitgebervertreter Deutsch spricht, wenn eine Übersetzung bei Bedarf zur Verfügung gestellt wird. Dies hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg am 18.06.2020 entschieden. Es müsse nur sichergestellt sein, dass Erklärungen wechselseitig verstanden werden könnten. Etwaige „Erschwerungen“ sind hinzunehmen. Eine Behinderung der Betriebsratsarbeit liegt in diesem Fall nicht vor. Gleiches gilt für die Kommunikation mit den Mitarbeitern.

Sachverhalt

Der Betriebsrat und der Arbeitgeber streiten über die Frage, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, mit Betriebsratsmitgliedern und Mitarbeitern in deutscher Sprache zu kommunizieren. Der Arbeitgeber, ein Unternehmen in der Modebranche, gehört zu einem Konzern mit Sitz in Spanien. In Deutschland gibt es etwa 80 Filialen mit circa 4.500 Mitarbeitern. In der betreffenden Filiale sind etwa 64 Mitarbeiter beschäftigt.

Streitpunkt war die eingesetzte Filialleiterin, die zunächst kaum, später bessere Kenntnisse in deutscher Sprache hatte. Der Arbeitgeber und der Betriebsrat vereinbarten am 20.12.2018 eine „Regelungsabsprache zur Betriebssprache Deutsch“. Darin heißt es auszugsweise wie folgt:

„Die Betriebssprache in den Betrieben des Unternehmens ist Deutsch. Die Kommunikation zwischen Mitarbeitern und Kunden hat in der Betriebssprache Deutsch zu erfolgen. Zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern wird in Einzelgesprächen wie zum Beispiel

  • Personalgesprächen,
  • Vorstellungsgesprächen,
  • Beurteilungsgesprächen,
  • Schulungen

ebenfalls die Betriebssprache Deutsch verwendet. Erklärungen in anderen Sprachen außer der Landessprache erfolgen nicht. Die Regelungsabsprache gilt befristet ab dem 20.12.2018 bis zum 03.03.2019.“

Der Betriebsrat macht – aufgrund der Kommunikation der Filialleiterin – geltend, dass der Arbeitgeber gegen das Gebot zur Verwendung der deutschen Sprache verstoßen habe und darin eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr.1 BetrVG zu sehen sei.

Der Betriebsrat wurde unter anderem darüber informiert, dass Personalgespräche mit Mitarbeitern auf Englisch geführt worden seien. Jedenfalls habe die Filialleiterin in einem auf Deutsch geführten Personalgespräch ergänzend Englisch mit der betreffenden Mitarbeiterin gesprochen. Auch bei anderer Gelegenheit hätte die Filialleiterin Gespräche in Englisch geführt – so beispielsweise bei der Mitarbeiterversammlung.

Hierdurch sieht sich der Betriebsrat in seinen Mitbestimmungsrechten verletzt, als es sich hierbei um die Fragen der Ordnung des Betriebs handle, und verlangt mit seinem Antrag, dass die Kommunikation von Arbeitgeberseite ausschließlich auf Deutsch geführt wird. Dabei beruft er sich unter anderem auf die obenstehende Regelungsabrede, die als Betriebssprache zwar Deutsch vorsieht, jedoch insbesondere nicht die Kommunikation zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat zum Gegenstand hat, sondern vielmehr die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern und den Vorgesetzten regelt.

Der Arbeitgeber führte an, dass das Begehren des Betriebsrats zur Folge hätte, dass nur noch deutschsprachige Mitarbeiter als Führungskräfte eingesetzt werden könnten. Dies sei ein unzulässiger Eingriff in die unternehmerische Freiheit. Im Übrigen sei eine solche Entscheidung eine Diskriminierung in Bezug auf die Herkunft. Im Übrigen seien Übersetzungen jederzeit gewährleistet gewesen.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg entschied, dass der Betriebsrat nicht verlangen kann, dass der Arbeitgeber oder dessen Vertreter mit dem Betriebsrat ausschließlich in deutscher Sprache kommunizieren. Entscheidend ist hierbei, dass sämtliche Erklärungen in einer für die Betriebsratsmitglieder verständlichen Form abgegeben werden. Das heißt, sollten Betriebsratsmitglieder der Fremdsprache nicht ausreichend mächtig sein, bedarf es entsprechender Übersetzungen.

Das LAG Nürnberg sah keine Verletzung des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG gegeben, sondern allenfalls eine Behinderung der Betriebsratsarbeit nach § 78 S. 1 BetrVG oder eine Verletzung des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG. Der Verstoß gegen § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG schied bereits deshalb aus, da es nicht um allgemeine Ordnungsregeln im Betrieb ging. Auch die Rechte aus § 78 BetrVG oder § 2 Abs. 1 BetrVG waren vorliegend nicht verletzt, da der Betriebsrat keinen einzigen Fall genannt hat, in dem eine Übersetzung gefehlt oder jedenfalls die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Übersetzers verwehrt wurde.

Der Betriebsrat kann daher nicht verlangen, dass der Arbeitgeber nur in einer gewissen Weise mit ihm kommuniziert. Ausreichend ist es, wenn gewährleistet ist, dass sämtliche Erklärungen der Filialleiterin in verständlicher Form gegenüber den Betriebsratsmitgliedern abgegeben und die Erklärungen auch entsprechend wahrgenommen werden können. In dem entschiedenen Fall war es so, dass bei sämtlichen Gesprächen mit Betriebsratsmitgliedern eine Übersetzerin zur Verfügung stand.

Sofern keine arbeitgeberseitigen Vorgaben zu einer allgemeinen, vorgegebenen oder erwarteten Sprachregelung bestehen, hat der Betriebsrat entsprechend kein Recht, eine ausschließliche Kommunikation mit den Mitarbeitern in deutscher Sprache zu verlangen.

Eine Person, die an einem Schreibtisch mit juristischen Dokumenten und Personalakten arbeitet, symbolisiert durch ein markantes rotes Absatzzeichen, das darauf hindeutet, dass der Schwerpunkt auf Recht, Rechtsangelegenheiten und persönlichem Management liegt.

Konsequenzen für die Praxis

Mit Blick auf die Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ist – soweit es keine Regelung bezüglich der Unternehmenssprache gibt – zur Gewährleistung der vertrauensvollen Zusammenarbeit dafür zu sorgen, dass durch fremdsprachige Kommunikation keine Verhandlungshindernisse aufgebaut werden. In der Praxis lassen sich solche gegebenenfalls durch kostenlose Online-Übersetzungsprogramme verhindern.

Außerdem ist zu bedenken, dass Arbeitgeber gerade in Betriebsratsverhandlungen oft ein Interesse daran haben, dass die Betriebsratsmitglieder die jeweilige Kommunikation gut verstehen, da dies andernfalls häufig zu ihren Lasten geht.

Good to know

Soweit es um die Kommunikation zwischen Arbeitgebern und Mitarbeitern (Arbeitssprache) geht, handelt es sich um einen mitbestimmungsfreien Bereich. Nur wenn der Arbeitgeber eine Betriebssprache, also eine einheitliche Sprachregelung für die innerbetriebliche Kommunikation, einführen will, ist dies eine Frage der Ordnung des Betriebs, die nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist. Dies entspricht auch der Auffassung des LAG Nürnberg in dem dargestellten Fall.

Das LAG Nürnberg hat jedoch zu Recht festgestellt, dass § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG im konkreten Fall nicht verletzt wurde, weil der Arbeitgeber keine einheitliche Sprachregelung vorgegeben hatte. Außerdem hat der Arbeitgeber Englisch gerade nicht als faktische Betriebssprache eingeführt, sondern vielmehr war das Gegenteil der Fall. Es wurde überwiegend Deutsch gesprochen und bei Bedarf die englische Kommunikation ins Deutsche übersetzt.

Auch wenn das LAG Nürnberg keine Stellung zu der Frage genommen hat, ob der Betriebsrat selbst die Initiative ergreifen darf, dass Deutsch als Betriebssprache eingeführt wird, ist ein Initiativrecht nach wohl einhelliger Ansicht anzunehmen. Das heißt, der Betriebsrat könnte jedenfalls einen Vorschlag für die Einführung einer Betriebssprache machen. Durchsetzungsfähig wäre ein solcher Vorschlag jedoch nur, wenn dies unter Beachtung der entsprechenden Grundsätze (§§ 2 Abs. 1, 75 BetrVG) verhältnismäßig wäre. Auch hierbei ist der Aspekt des Verbots der Benachteiligung wegen der ethischen Herkunft zu berücksichtigen. Es wäre in dem entschiedenen Fall nicht verhältnismäßig gewesen, dass die Filialleiterin oder auch andere Mitarbeiter, die zum Beispiel nach Deutschland entsandt werden, sofort unmittelbar auf Deutsch kommunizieren müssen.

Praxishinweise

Gerade für Unternehmen mit einer internationalen Belegschaft kann das Urteil wichtig sein. Arbeitgeber können durch interne Regelungen festlegen, was für Sprachregelungen gelten sollen. Sollte in einer anderen Sprache als Deutsch mit dem Betriebsrat kommuniziert werden, empfiehlt es sich aus Arbeitgebersicht, darauf zu achten, dass die Betriebsratsmitglieder die betreffende Kommunikation verstehen. Andernfalls kann dies zulasten der Arbeitgeber gehen.

Dr. Michaela Felisiak, Rechtsanwältin, LL.M. BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

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