Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst
In dieser Rubrik werden aktuelle Entscheidungen, die für den Bereich des öffentlichen Dienstes relevant sind, wiedergegeben.
Ausbildungsvergütung; Kürzung bei Teilzeit
Aus der Pressemitteilung Nr. 44/20 zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 01.12.2020 – 9 AZR 104/20
Eine tarifliche Regelung, nach der sich die Ausbildungsvergütung von Auszubildenden in Teilzeit entsprechend der Anzahl wöchentlicher Ausbildungsstunden vergleichbarer Auszubildender in Vollzeit berechnet, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
Teilzeitauszubildenden ist nach den Regelungen des TVAöD eine Ausbildungsvergütung nur in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil ihrer Ausbildungszeit an der eines vergleichbaren Auszubildenden in Vollzeit entspricht. Nach § 8 Abs. 1 i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 1 des Besonderen Teils des TVAöD (TVAöDBT) ist die Höhe der Ausbildungsvergütung in Abhängigkeit von der Anzahl der wöchentlichen Ausbildungsstunden zu bestimmen. An Auszubildende, deren Berufsausbildung in Teilzeit durchgeführt wird, ist danach eine Ausbildungsvergütung zu zahlen, die dem Anteil ihrer Ausbildungszeit an der eines vergleichbaren Auszubildenden in Vollzeit entspricht. Bei der Ermittlung der Höhe der Ausbildungsvergütung bleiben Zeiten des Berufsschulunterrichts außer Betracht. Sind Auszubildende von der betrieblichen Ausbildung freigestellt, um ihnen die Teilnahme am Berufsschulunterricht zu ermöglichen, besteht nach § 8 Abs. 4 TVAöD-BT – entsprechend der Regelung in §§ 15, 19 Abs. 1 Nr. 1 BBiG aF – allein ein Anspruch auf Fortzahlung der Ausbildungsvergütung.
Mindestentgelt in der Pflegebranche; Verhältnis der 2. und 3. PflegeArbbV zum Mindestlohngesetz
Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 24.06.2020 – 5 AZR 93/19
- Zur schlüssigen Begründung einer auf Zahlung der Differenzvergütung zum gesetzlichen Mindestlohn gerichteten Klage ist für jeden einzelnen Monat ein konkret beziffertes Unterschreiten des gesetzlichen Mindestlohns darzulegen. Eine abschließende Gesamtklage, die sich auf Entgeltansprüche für mehrere Monate erstreckt, genügt diesen Anforderungen nicht (Rn. 23).
- Die in der 2. und 3. PflegeArbbV festgelegten Grundsätze zur Bemessung des Mindestentgelts gehen nach § 1 Abs. 3 MiLoG i. V. m. § 24 Abs. 1 MiLoG aF dem im Mindestlohngesetz geregelten Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn vor (Rn. 30). Soweit die in den vorrangigen Rechtsverordnungen festgesetzten Branchenmindestlöhne nach § 1 Abs. 3 Satz 1 MiLoG die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns nicht unterschreiten dürfen, betrifft dies nur die Höhe des Mindestentgelts selbst. Die in Rechtsverordnungen enthaltenen Bestimmungen zur Vergütungspflicht von Arbeitszeit und zur Bemessung der Arbeitsleistung als Arbeitszeit gehen dagegen dem Verständnis vergütungspflichtiger Arbeitsstunden nach dem Mindestlohngesetz vor (Rn. 32).

Eingruppierung einer Stationsleitung; Große Station
Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 13.05.2020 – 4 AZR 173/19
- Die Bestimmung der Arbeitsvorgänge i. S. v. § 12 Abs. 2 TVöD/ VKA ist eine Rechtsfrage und damit Aufgabe des Gerichts. Die Darlegungslast eines Beschäftigten im Eingruppierungsrechtsstreit umfasst deshalb nicht, seine Tätigkeit nach Arbeitsvorgängen gegliedert darzulegen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist, neben der Darstellung der Arbeitsinhalte Angaben insbesondere zu den Arbeitsergebnissen, zu den Zusammenhangstätigkeiten und zur Abgrenzbarkeit der verschiedenen Einzelaufgaben zu machen, die dem Gericht die Bestimmung von Arbeitsvorgängen ermöglichen (Rn. 17).
- Eine „große Station“ i. S. d. Entgeltgruppe P 13 Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA liegt regelmäßig vor, wenn der Stationsleitung mehr als zwölf Beschäftigte fachlich unterstellt sind. Dies ist ab einer Unterstellung von 12,01 Vollzeitäquivalenten i. S. d. Vorbemerkung Nr. 9 zur Anlage 1 zum TVöD/VKA der Fall. Sind hingegen lediglich bis zu zwölf Beschäftigte unterstellt, handelt es sich regelmäßig nicht um eine „große Station“ (Rn. 23 ff.).
- Bei der Zahl von zwölf unterstellten Vollzeitäquivalenten handelt es sich nicht um eine starre Grenze zwischen den Entgeltgruppen P 12 und P 13 TVöD/VKA. Es wird lediglich der Regelfall einer „großen“ Station bestimmt. Neben der Zahl fachlich unterstellter Beschäftigter kann es andere Faktoren geben, die im Ausnahmefall zu einer abweichenden Bewertung führen können. Dies kann beispielsweise die Anzahl unterstellter Teilzeitbeschäftigter, die Anzahl zu pflegende Patienten oder die räumliche Größe der Station sein (Rn. 29 ff.).
- Bei den der Stationsleitung fachlich unterstellten Beschäftigten i. S. v. Satz 2 der Vorbemerkung Nr. 1 zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 zum TVöD/VKA handelt es sich typischerweise um Pflegekräfte i. S. d. Ziffer 1 des Teils B Abschnitt XI der Anlage 1 zum TVöD/VKA. In Betracht kommen aber auch andere Beschäftigte, wie beispielsweise Stationsassistentinnen und -assistenten, wenn diese Aufgaben ausüben, die der fachlichen Zuständigkeit der Stationsleitung unterliegen, und dieser insoweit unterstellt sind (Rn. 33).
- Das Tarifmerkmal „mit einem höheren Maß an Verantwortlichkeit“ der Entgeltgruppe P 13 TVöD/VKA ist nur dann erfüllt, wenn in der auszuübenden Tätigkeit als Stationsleitung eine Verantwortung liegt, die die regelmäßig zu tragende Verantwortung, wie sie begriffsnotwendig schon in der Entgeltgruppe P 12 Fallgruppe 1 TVöD/VKA – „Beschäftigte als Stationsleiterinnen oder Stationsleiter“ – enthalten ist, deutlich wahrnehmbar übersteigt. Die Prüfung des Verantwortungsmaßstabs setzt daher einen wertenden Vergleich mit der nach der Entgeltgruppe P 12 TVöD/VKA geforderten Verantwortung voraus, für den die klagende Partei die tatsächlichen Grundlagen vorzutragen hat (Rn. 38).
- Vergleichsgruppe für das Maß der Verantwortlichkeit i. S. d. Entgeltgruppe P 13 TVöD/VKA sind nicht die anderen Stationsleitungen beim jeweiligen Arbeitgeber. Es kommt vielmehr auf die allgemeinen Anforderungen an die Verantwortung einer Stationsleitung unter Berücksichtigung der von den Tarifvertragsparteien nach der Vorbemerkung Nr. 1 zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 zum TVöD/VKA vorgesehenen regelmäßigen Organisationsstruktur an (Rn. 39).
- Das tarifliche Qualifizierungsmerkmal „mit einem höheren Maß von Verantwortlichkeit“ ist erfüllt, wenn Arbeitsvorgänge, die mindestens die Hälfte der gesamten Arbeitszeit des Beschäftigten in Anspruch nehmen, solche Tätigkeiten enthalten. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die für die Höherwertigkeit maßgebenden Einzeltätigkeiten innerhalb des Arbeitsvorgangs zeitlich überwiegend anfallen. Vielmehr genügt es, dass die Anforderungen in rechtlich nicht ganz unerheblichem Ausmaß anfallen und ohne sie ein sinnvoll verwertbares Arbeitsergebnis nicht erzielt würde (Rn. 41)
Claudia Czingon