Stier meint …!
Nun ist es amtlich. Die Arbeitszeit muss elektronisch erfasst werden. Es ist ja nicht so, als hätte man es nicht schon ahnen können, aber wenn es in einem Gesetzesentwurf steht, dann ist es plötzlich doch ganz real.
Ich bin ehrlich: Wäre ich Arbeitsminister, ich hätte es nicht anders gemacht. Keine Sorge, ich strebe kein politisches Amt an – schon gar nicht das des Arbeitsministers –, aber Hand aufs Herz: Im Jahr 2023 ist das elektronische Aufzeichnen von Arbeitszeit auch kein Hexenwerk. Wir wollen doch nicht wirklich in diesen Zeiten noch mit Listen und Tabelle oder mit Handnotizen arbeiten.

Es zeigt sich bei diesem Thema erneut, die Entgeltabrechnung ist bei der Digitalisierung nicht von gestern. Wie schon so oft, geht die Entgeltabrechnung moderne Wege. Auch wenn viele uns das nicht zutrauen, sind wir es letztendlich, die gerade im Bereich der Digitalisierung vorangehen. Schließlich waren wir es, die mit der Datenerfassungs- und übermittlungsverordnung (DEÜV) einen großen Schritt in Richtung digitale Welt unternommen haben.
Aber kommen wir zurück auf das eigentliche Thema der Arbeitszeitenerfassung. Nachdem bereits der Europäische Gerichtshof und ihm folgend das Bundesarbeitsgericht (BAG) den Arbeitgebern die Pflicht auferlegt haben, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeitenden zu erfassen, liegt nun ein Referentenentwurf aus der Feder des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil (SPD) vor. Mit den Neuregelungen soll diese Pflicht konkretisiert und auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden.
Der Arbeitgeber wird nach den Plänen aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gemäß § 16 Abs. 2 S. 1 ArbZG-E verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer*innen aufzuzeichnen. Diese Aufzeichnung muss bereits jeweils am Tag der Arbeitsleistung erfolgen. Nach § 16 Abs. 2 S. 1 ArbZG-E hat die Erfassung der Arbeitszeit elektronisch zu erfolgen. Hiervon soll durch einen Tarifvertrag oder aufgrund eines solchen in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung abgewichen werden können, § 16 Abs. 7 Nr. 1 ArbZG-E. Der Entwurf geht mit der elektronischen Arbeitszeitenerfassung über das BAG-Urteil hinaus, aber wie würde schon unsere Altkanzlerin und Ordensträgerin Dr. Angela Merkel (CDU) sagen: Es ist alternativlos. Wenn der jetzige Entwurf nicht genutzt wird, um auch bei der Arbeitszeitenerfassung moderner zu werden, dann wird eine Chance vertan.
Ich will damit nicht sagen, dass ich dem Entwurf in allen seinen Punkten zustimme, aber ich habe ja auch keine politischen Ambitionen.

Nach den Planungen des BMAS hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer*innen gemäß § 16 Abs. 5 ArbZG-E auf Verlangen über die aufgezeichnete Arbeitszeit zu informieren und ihnen eine Kopie der Aufzeichnungen zur Verfügung zu stellen. Allerdings ist es ausreichend, wenn die Arbeitnehmer*innen die sie betreffenden elektronischen Aufzeichnungen selbst einsehen und Kopien fertigen können. Auch wenn dies nicht die primäre Intention des Gesetzes ist, wird dadurch ein weiterer Effekt erzeugt, da sich damit für Arbeitnehmer*in die Geltendmachung von Überstunden gegenüber dem Arbeitgeber erheblich vereinfachen wird. Ein Nebeneffekt, der sicherlich auch nicht unbeabsichtigt war.
Interessant sind die im Referentenentwurf in § 16 Abs. 8 ArbZG-E genannten Übergangsregelungen. Denn schließlich stehen gerade kleine und mittelständische Unternehmen vor einer Herausforderung bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben. So soll zwar die Aufzeichnungspflicht sogleich mit Inkrafttreten der gesetzlichen Neufassung gelten, wobei die Neufassung auf den ersten Tag des auf die Verkündung folgenden Quartals festgeschrieben werden soll. Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung in elektronischer Form gilt aber erst ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes, und somit ist auch bis dahin die handschriftliche Aufzeichnung zulässig. Für Arbeitgeber mit weniger als 250 Arbeitnehmern verlängert sich diese Übergangsregelung auf zwei Jahre, für Arbeitgeber mit weniger als 50 Arbeitnehmern auf fünf Jahre.
Es ist wenig überraschend, was wir im Entwurf finden. Es bleibt spannend, was die politische Beratung bringt. Für unseren Bundesarbeitsminister wird eines im Fokus stehen: Wir haben die Arbeitnehmerrechte gestärkt und verpflichten die Arbeitgeber zu mehr Transparenz. Der Arbeitgeber setzt um und schweigt.
In diesem Sinne … weitermachen.
Markus Stier