Vervielfältigungsregelung : Abfindungen in Altersversorgung einbringen
Die betriebliche Altersversorgung hält viele Varianten der Finanzierung parat. Besonders interessant wird es immer dann, wenn eine steuerliche Förderung genutzt werden kann. Dieser Artikel befasst sich mit den Möglichkeiten, Abfindungen bei Austritten einzubringen.
Unterscheidung in Altzusagen und Neuzusagen
Neuzusagen
Seit 2005 kennen wir den § 3 Nr. 63 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) und bei den meisten Entgeltumwandlungen wird er ganz automatisch und regelmäßig angewendet.
Kurz zur Erinnerung: Dieser Paragraf regelt den Ausnahmetatbestand für die steuerfreie Einzahlung in eine Direktversicherung, eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds, auch bekannt als versicherungsförmige Durchführungswege.
Hand aufs Herz: Schon mal selbst nachgelesen, was da so genau steht in dieser 63. Nummer des § 3 EStG?
Vermutlich ist bekannt, dass dort jährlich für erste Dienstverhältnisse bis zu acht Prozent der aktuellen Beitragsbemessungsgrenze (BBG) in der allgemeinen Rentenversicherung steuerfrei gestellt werden, sofern die Beiträge für eine Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung im Rahmen einer Kapitalbildung verwendet werden.
Aber dort steht noch mehr. Ein nicht so weit verbreiteter Inhalt verbirgt sich in Satz drei dieses Steuerparagrafen. Dieser zielt auf eine Sondersituation, nämlich die Beendigung des Dienstverhältnisses.
Was genau ist dort geregelt und in der Versicherungsbranche als „Vervielfältigungsregelung“ bzw. „Vervielfältiger“ bekannt?
Kurzform: Maximal 33.840 Euro (Wert gültig für das Jahr 2022) können als Beitragszahlung in eine Altersversorgung eingebracht werden und dieser Beitrag wird nicht versteuert.
In der Langform lässt sich feststellen, dass die Höhe der steuerfreien Einzahlungsmöglichkeit von der Betriebszugehörigkeit abhängt. Jedes Beschäftigungsjahr zählt und maximal zehn Jahre können angerechnet werden.
Die Berechnung erfolgt nicht in ganzen Jahren, sondern in Kalenderjahren, so dass ein unterjähriger Ein- bzw. Austritt jeweils wie ein ganzes Jahr zählt. Pro Beschäftigungsjahr können bis zu view Prozent der Beitragsbemessungsgrenze steuerfrei aufgewendet werden, so dass sich bei der aktuellen BBG ein jährlicher Beitrag von 3.384 Euro einbringen lässt. Weitere Regelungen oder Einschränkungen sind nicht formuliert.
Wer schon länger im Personalwesen tätig ist, kennt vielleicht noch die Methodik, bei der bestehende, nach § 3 Nr. 63 EStG versteuerte Einzahlungen gegengerechnet wurden. Damit war in der Vergangenheit der Spielraum häufig sehr begrenzt und die grundsätzliche Möglichkeit stellte sich in der Praxis als wenig attraktiv heraus. Das ist mit einer Neuregelung, die Bestandteil des Betriebsrentenstärkungsgesetzes war, entfallen. Welche Abgrenzungen es zu Altzusagen gibt, wird später im Text erläutert.
Welcher Nutzen ergibt sich für den Empfänger der Abfindung, wenn Gebrauch von der Vervielfältigungsregelung nach § 3.63 EStG über eine Neuzusage gemacht wird?
Die steuerfreie Beitragszahlung ermöglicht eine Investition in eine Rentenversicherung und damit die nachgelagerte Versteuerung. Diese Versteuerung erfolgt als sonstiges Einkommen (§ 22 Abs. 5 EStG) und bedeutet im Prinzip: volle Steuerlast.

Die vorschnelle Annahme, dass damit dann kein Vorteil erreicht werden kann, wenn doch vermeintlich nur die Steuern gespart werden, die am Ende wieder gezahlt werden müssen, verkennt das deutsche progressive Steuersystem. Höhere Einkommen werden mit einem höheren Steuersatz belegt als niedrige Einkommen. Laufende Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit plus Abfindung werden somit sehr hoch mit Steuern belastet.
Mit einer Verschiebung der Auszahlung in die Zeit nach dem Arbeitsleben ist davon auszugehen, dass die Steuerlast insgesamt geringer sein wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Auszahlung nicht als Einmalbetrag, sondern als lebenslange Rente erfolgt. Der Hauptgrund für diese Annahme ist, dass die steuerpflichtige gesetzliche Rente nicht mehr als 36.000 Euro p. a. erreichen kann. Diese Höhe zu erreichen, ist ziemlich unrealistisch, da eine 45-jährige Versicherungsdauer mit Einkommen in Höhe der jeweils gültigen BBG angenommen werden muss.
Für eine individuelle Betrachtung ist eine steuerliche Beratung zu empfehlen. Tatsache ist jedoch, dass die wenigsten Rentnerinnen und Rentner über so hohe steuerpflichtige Einkünfte verfügen, dass sie in die höchste Progression kommen.
Mit der Verschiebung der Einkünfte aus dem hoch versteuerten Aktivenzeitraum in die Rentenphase wird also über das Steuergefälle ein positiver Effekt erzielt. Durch die Erträge aus der Versicherung, die auch fondsgebunden erfolgen kann, kommt eine zusätzliche Wertschöpfung zustande.
Altzusage
Nicht nur in § 3 Nr. 63 EStG ist eine Regelung für Abfindungen enthalten. Auch der § 40b des Einkommenssteuergesetzes sieht eine solche Möglichkeit vor. In Abgrenzung zu der Neuzusage setzt dies jedoch neben dem Ausscheiden noch eine weitere Voraussetzung voraus: Vor dem 01.01.2018 muss mindestens einmalig eine korrekte, pauschale Versteuerung einer Altersversorgung durchgeführt worden sein und dies auch nachgewiesen werden. Dies ist üblicherweise der Fall, wenn eine „alte Direktversicherung“ vor 2015 abgeschlossen wurde.
Die Prüfung der Anwendung dieser Möglichkeit ist auf jeden Fall empfehlenswert, denn die Besteuerungslogik ist etwas anders. Zunächst wird der Beitrag pauschal versteuert. Unter der Voraussetzung, dass noch eine Vertragslaufzeit von mindestens fünf Jahren erfüllbar ist, sind Rentenleistungen nur mit dem sogenannten Ertragsanteil zu versteuern.
Sollte statt der Rente eine Kapitalabfindung gewünscht sein, ist eine Versteuerung nach dem Halbeinkünfteverfahren möglich. Diese steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass nach der Beitragszahlung noch mindestens 12 Vertragsjahre liegen und die Vertragsvollendung nicht vor dem 62. Lebensjahr erfolgt.
Für die Berechnung des möglichen Vervielfältigungsbetrags nach § 40b EStG sind bereits pauschal versteuerte Beitragszahlungen zu berücksichtigen. So sind grundsätzlich für jedes zurückgelegte Dienstjahr 1.752 Euro Volumen möglich. Dieser Betrag vermindert sich jedoch um die pauschal versteuerten 40b-Beiträge für das laufende sowie für die sechs vorangegangenen Jahre.

Kombination von Alt- und Neuzusage
Wird die Möglichkeit der Altzusage genutzt, gibt es eine Besonderheit zu beachten: Der zur Verfügung stehende Rahmen für die Ausschöpfung des steuerfreien Rahmens nach § 3.63 EStG reduziert sich um den pauschal versteuerten Vervielfältigungsbetrag.
Nicht nur die steuerlichen Möglichkeiten machen ein Einbringen in eine Altersversorgung zu einer lohnenden Sache. Auch Sozialabgaben werden für die Beiträge in die Vervielfältigungsdirektversicherung nicht fällig.
Allerdings ist zu beachten, dass die Leistungen wie jede bAV verbeitragt werden müssen, sofern keine private Krankenversicherung vorliegt.
Martin Stolzenburg, „Mister bAV®“
