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Wiedereingliederung : Der Krankheit zum Trotz!? Wie gelingt eine gesunde und glückliche Rückkehr?

Die medizinische, berufliche und soziale Rehabilitation stellt in Deutschland einen erheblichen Bestandteil des Sozialversicherungssystems und der Gesundheitsversorgung dar. Von allergrößter Bedeutung für das Gelingen sind dabei die Wahl des „Rehabilitationssettings“ und die Inanspruchnahme von möglichen Hilfen.

Lesezeit 10 Min.
Eine ruhige Holzpromenade, ein Meisterwerk persönlichen Managements, die sich durch Seegras schlängelt und zu einem malerischen Sonnenuntergang über dem Meer führt, mit anmutig fliegenden Vögeln am goldenen Himmel.

Für welches Modell man sich ent­scheidet, ist sowohl von der Art der Erkrankung wie auch vom Berufsbild (und dessen Belastbarkeits­merkmalen) abhängig. Genauso wich­tig sind aber die Gegebenheiten vor Ort und die personelle Struktur, in die der betroffene Mitarbeiter mit den pas­senden Reha-Maßnahmen (re-)integriert werden muss. Am Anfang steht die alles entscheidende Frage, ob sich die Beteiligten auf ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) oder die Wiedereingliederung in Form eines Stufenplans einigen.

Voraussetzungen für das BEM

Die Pflicht, einem arbeitsunfähigen Arbeitnehmer BEM – Maßnahmen an­zubieten, ist durch § 84 Abs. 1 und 2 im Sozialgesetzbuch (SGB) IX geregelt. Ist ein Mitarbeiter in einem Zeitraum von 12 Monaten länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt über mehrere Fehlzeiten verteilt arbeitsun­fähig bzw. krankgeschrieben, ist der Arbeitgeber verpflichtet, ein Betrieb­liches Eingliederungsmanagement durchzuführen.

Was die Sache nicht ganz einfach macht: Das Gesetz beinhaltet keine konkrete Vorschrift, wie das BEM durchzuführen ist. § 84 Abs. 2 SGB IX umschreibt die Rahmenbedingungen für das BEM-Gespräch als verlaufs-und ergebnisoffenen Klärungsprozess zwischen Arbeitnehmer und Arbeit­geber(-vertretern). In diesem Rah­men müssen die Ziele des BEM dem Betroffenen ganz klar kommuniziert werden.

Mögliche Hürden

Der betroffene Mitarbeiter sollte un­missverständlich ins Bild gesetzt werden, dass es hierbei um seine Wei­terbeschäftigung geht. Dabei sollten gemeinsam mit dem Betriebsarzt – sofern vorhanden – und allen Inte­grationsstellen Lösungen gefunden werden, um künftige Fehlzeiten zu re­duzieren und eine regelmäßige Arbeit zu ermöglichen.

Ganz wichtig: Es müssen hinrei­chende Hinweise auf die Datenerhe­bung und -verwendung im Rahmen des BEM-Prozesses erfolgen. Es muss dabei deutlich gemacht werden, dass ausschließlich solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um die Genesung zu fördern. Dabei sollte den Mitarbeitern klar sein, dass Betriebsärzte genauso der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen wie alle anderen Ärzte auch. Folgt man näm­lich Ratschlägen aus dem Netz, so wird dort empfohlen, „bloß nicht alles zu erzählen“, um seine Anstellung nicht zu gefährden. Dabei ist die Vertrau­ensgrundlage ein wesentlicher Bau­stein zum Genesungserfolg.

Wiedereingliederung als Alternative

Die Wiedereingliederung ist eine frei­willige Maßnahme und kann eine Alternative zum BEM darstellen, zu welcher der Arbeitgeber allerdings nicht gesetzlich verpflichtet ist. Aus medizinischer Sicht müssen eine aus­reichende Belastbarkeit des Patienten sowie eine positive Perspektive für die berufliche Wiedereingliederung beste­hen. Sie kommt deshalb für Arbeitneh­mer infrage, die ihre bisherige Arbeit zumindest zeitweise wieder ausüben können, und verläuft nach einem ärzt­lich betreuten Stufenplan.

Dabei kann die Arbeitszeit langsam im Wochen- oder Zweiwochentakt gestei­gert werden. Betroffenen sollte empfoh­len werden, sich am besten vorzeitig an ihre Krankenkasse zu wenden, damit diese eingehend informieren kann, wel­che weiteren Schritte veranlasst werden sollten, und damit sie gegebenenfalls die Koordination der Leistung übernehmen kann.

Wiedereingliederung
Wiedereingliederung

Eines der größten Probleme sind Sor­gen, Ängste und ernstzunehmende Nöte, dass bei weiterhin verminderten Lohnleistungen eine ausreichende Existenzsicherung nicht mehr gege­ben ist. Das Gefühl einer ungewissen Dauer bis zur Beendigung dieser Si­tuation kann dabei eine erhebliche Zusatzbelastung darstellen, die der Ge­sundung vielleicht sogar im Weg steht.

Natürlich ist ein Vorteil der stufenwei­sen Wiedereingliederung nach dem sogenannten Hamburger Modell, dass die Intervalle flexibel gestaltet wer­den können. Oft wird aber vergessen, bestimmte betriebliche Rahmenbe­dingungen und Anfahrtswege zu be­rücksichtigen. Wichtig sind auch hier folgende Punkte, die genau festgelegt werden müssen:

  • der Start und der Abschluss­zeitpunkt der stufenweisen Wiedereingliederung,
  • die Details zu den einzelnen Stufen (Anzahl der Tagesarbeitsstunden/ Steigerung),
  • Hinweis auf das Recht, die Maß­nahme bei Bedarf vorzeitig abbre­chen zu können,
  • genaue Angaben zu bestimmten Tä­tigkeiten – auch zu denen, die vorerst nicht ausgeübt werden dürfen,
  • Benennung der möglichen Gründe, derentwegen die Maßnahme vorzei­tig abgebrochen werden kann,
  • eine Bestätigung, dass die Bestim­mungen des Arbeitsvertrags ruhen bis zum Abschluss der Maßnahme,
  • sonstige Bestimmungen, die zu tref­fen sind, um einen Erfolg zu ermögli­chen (Arbeitsplatzanpassungen etc.).

Das Krankheitsbild entscheidet (mit)

Die gesundheitliche Arbeitseinschrän­kung hat viele Gesichter: Krebs, ein Unfall oder die Psyche, um hier mal ein paar markante und verschie­dene Erscheinungsmerkmale zu nen­nen. Entsprechend unterschiedlich sind jeweils die Vorgehensweisen und Voraussetzungen.

Jede Erkrankung stellt dadurch bei der Wiedereingliederung ihre ganz eigene Herausforderung dar – gleichzeitig gibt es aber auch verschiedene Möglichkei­ten, damit umzugehen. Entsprechend unterschiedlich gestaltet sich die Be­zahlung bei Arbeitsunfähigkeit in Form von Krankengeld, Übergangsgeld oder Verletztengeld über den Reha-Träger.

Was es grundsätzlich zu überprüfen gilt:

  • Liegen Funktionseinschränkungen vor?
  • Besteht ein Zusammenhang zwi­schen der Erkrankung und dem Arbeitsplatz?
  • Wie und wo sind die Ziele und Vor­stellungen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Einklang zu bringen?
  • Muss oder kann der Arbeitsplatz zu­sätzlich ausgestattet oder umgestal­tet werden?
  • Sind Angebote im betrieblichen Ar­beits- und Gesundheitsschutz vor­handen, die bereits in Anspruch genommen werden können?
  • Wo liegen Stärken und Qualifikati­onen des Arbeitnehmers und ist ein Arbeitsplatzwechsel eine künftige Option?
  • Wie sieht die Belastungssituation am Arbeitsplatz konkret aus und was muss geändert werden?

Krebsbetroffene, die ihre wöchentliche Arbeitszeit reduzieren möchten, haben einen Anspruch auf einen Teilzeitar­beitsplatz, wenn sie schwerbehindert oder Schwerbehinderten gleichge­stellt sind. Tarifverträge und das Teil­zeit- und Befristungsgesetz bieten dabei gute Möglichkeiten, die Arbeits­zeit zu verkürzen. Die dadurch entste­henden finanziellen Einbußen können durch eine Rente wegen teilweiser Er­werbsminderung aufgefangen wer­den. Voraussetzung hierfür ist, dass die Patienten mindestens drei, aber (noch) nicht mehr sechs Stunden täg­lich arbeiten.

Wiedereingliederung 2
Wiedereingliederung 2

Die gute Nachricht: Etwa zwei Drit­tel aller Berufstätigen, die an Krebs erkrankt sind, schaffen es, zurück­zukehren in das Arbeitsleben. Die Motivation ist für die meisten hoch – wer wieder arbeitet, erobert sich ein Stück Normalität zurück.

Der Stufenplan empfiehlt sich auch bei von Depressionen Betroffenen. Stellt der behandelnde Arzt oder Psychothe­rapeut fest, dass der Patient wieder arbeitsfähig ist, kann er ihm die stu­fenweise Wiedereingliederung vor­schlagen. Entscheidet sich der Patient dafür, spricht er mit seinem Arzt und anschließend mit seinem Arbeitgeber einen Plan ab, um Schritt für Schritt wieder in den Beruf zurückzukehren.

Damit sich der Betroffene allmählich wieder an die Arbeitsbelastung ge­wöhnt, kann sich dies über mehrere Monate hinziehen, maximal jedoch ein halbes Jahr. Auch für den Arbeitgeber stellen die Krankheitsbilder Depres­sion und/oder Alkoholismus dar. Hier ist es oft sehr schwierig, eine offene und vertrauensvolle Gesprächsbasis zu erreichen.

Dabei ist Reden im Zusammenhang mit der tatsächlichen Arbeitsbelas­tung das A und O einer erfolgreichen Rehabilitation. Aber gerade die häu­fig damit einhergehende Kombination aus Angst, Scham und oft auch (Selbst-) Überforderung belastet nicht nur das Arbeitnehmer-/Arbeitgeberverhält­nis, sondern hat auch Auswirkun­gen auf die direkte Arbeitsumgebung. Hier müssen klare Entscheidungs- und Kommunikationsstrukturen her, wenn es um die Arbeitsverteilung und die Art der Entlastung geht.

Welche (Aus-)Wege kann es geben, wenn „nichts mehr“ geht?

Natürlich gibt es sie, die Fälle, in denen es nicht mehr möglich ist, den bishe­rigen Beruf auszuüben. So kann eine Chemotherapie eine Polyneuropathie (Erkrankungen des peripheren Ner­vensystems) hervorrufen, die wie­derum zu Gleichgewichtsstörungen führt. Damit können einige Tätigkeiten nicht mehr ausgeübt werden, ohne dass sie eine Gefahr für die Betroffe­nen oder Dritte darstellen – gerade im Handwerk.

Unter die sogenannten „Reha-Maß­nahmen“ fallen deshalb auch Aus- und Weiterbildungen. Das kann die Teil­nahme an kleineren Kursen umfas­sen oder eine vollständige Ausbildung bis hin zu einem Studium, sofern mit dem erfolgreichen Abschluss der dau­erhafte Wiedereinstieg ins Berufsle­ben gelingt.

Was, wenn es am Ende (doch) die Kündigung wird?

Wie damit umgehen, wenn der wei­tere Einsatz ohne Gesundheitsgefähr­dung gar nicht so leicht möglich ist? In der Theorie heißt es immer so schön, dass dann Alternativen gefunden wer­den müssen. Solche Stellen muss es aber auch erst einmal geben und der Bedarf muss da sein. Und nicht unbe­dingt immer glücken die getroffenen Reha-Maßnahmen, so sehr es sich alle Beteiligten wünschen und daran mitwirken.

Ein Unternehmen ist zudem keinesfalls gezwungen, hohe Krankenstände und Dauerausfälle zu tolerieren, auch wenn sich das Gerücht hartnäckig hält, dass Kranken nicht gekündigt werden kann.

Der Arbeitgeber darf seinen Beschäf­tigten zwar wegen Krankheit kündi­gen, er ist aber verpflichtet, zuvor ein Betriebliches Eingliederungsmanage­ment (BEM) durchführen. Dabei muss er dem Betroffenen vor allem klar mit­teilen, welches die Ziele des BEM sind, und dies auch nachweisen können. Das ist neben der ordnungsgemäßen Durchführung eines BEM der Punkt, der die Gerichte mit am meisten be­schäftigt. Außerdem müssen dabei die Rehabilitationsträger einbezogen werden. Das sind dann die Kranken­kassen, die Rentenversicherung und in speziellen Fällen auch die Berufs­genossenschaft sowie die Agentur für Arbeit. Geschieht dies nicht, ist die BEM – Maßnahme fehlerhaft und die Kündigung unwirksam.

Wenn der Betroffene einem BEM zustimmt, müssen die Interessen­vertretung (Betriebsrat oder Personal­vertretung) sowie gegebenenfalls das Integrationsamt und die Schwerbe­hindertenvertretung mit einbezogen werden. Erfolgt nur eine Zustellung, aber keine Zustimmung des Arbeit­nehmers, wird es ebenfalls schwierig.

Wie die Rechtsprechung zeigt, sichert aber auch ein durchgeführtes BEM die Kündigung nicht in jedem Fall ab. Der Arbeitgeber muss im Zweifel vor Ge­richt beweisen können, dass das BEM auch formell völlig ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Eine solche per­sonenbedingte Kündigung wegen Krankheit kann durch vier besondere Gründen gerechtfertigt sein: wenn die Krankheits- und Fehltage lange an­dauern, sich häufen oder dauerhaft sind oder wenn krankheitsbedingte Leistungsmängel vorliegen.

Grundpfeiler des Gelingens

Was ist erforderlich, um den Betroffe­nen nicht nur die nötige Unterstützung bzw. Entlastung zu geben, sondern auch das entscheidende gute Gefühl zu vermitteln? Folgende Aspekte sind wichtig: Vertrauen, Optimismus, ent­sprechende Hilfsmittel und eine an­gepasste Arbeitsumgebung sowie Flexibilität für einen sanften Start und einen erfolgreichen Auf- und Ausbau der Arbeitstätigkeit. Eine Atmosphäre von Rückhalt ist umso wichtiger, da der Körper und/ oder die Psyche den Betroffenen bereits „im Stich gelassen haben“ oder schlichtweg das Pech in einer sehr harten Form zugeschlagen hat. Sensibilität erfordert auch die Art der Erkrankung, weswegen die Hilfe von „außen“ von großer Bedeutung ist.

In der Realität scheint es häufig so zu sein, dass Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Kollegen einfach versuchen, das Beste daraus zu machen. Die Ärzte und Krankenkassen scheinen dabei nicht immer in dem Maße involviert zu sein, es die Theorie von außen den An­schein erweckt.

In der Umsetzung bedeutet die Entlas­tung meist konkret: Die Arbeit wird von anderen (zusätzlich) mit über­nommen und neu verteilt. Das führt – vor allem wenn es über längere Zeit geht – nicht selten zu Unzufriedenheit und auch dazu, dass andere Mitarbei­ter durch die Zusatzdauerbelastung abspringen. Für die verantwortlichen Personaler stellt es eine nicht uner­hebliche Verantwortung dar und be­nötigt viel Geschick, das Gefüge für alle angemessen neu auszurichten – ohne, dass sich der Betroffene (bereits) als überflüssig oder gar selbst noch als zusätzliche Belastung fühlt.

Hier kann man leider nicht immer auf die zusätzliche psychologische Zusatz­betreuung setzen, die es sehr oft noch bräuchte. Wie kooperationswillig und -fähig Betroffene sind, ist dabei so­wohl eine Frage der Erkrankung wie auch generell eine Typ-Frage.

Darüber hinaus ist nicht immer ein­fach, den zuständigen Reha-Träger für die gewünschte Leistung zu finden, bestimmt das Gesetz (§ 14 SGB IX) doch, dass der Antrag auf eine Reha-Leis­tung bei jeder Renten-, Kranken- oder

Unfallversicherung oder bei der Agen­tur für Arbeit gestellt werden kann. Innerhalb von 14 Tagen wird dann entschieden, welcher Reha-Träger für die Entscheidung über die gewünschte Reha-Leistung zuständig ist. Dabei kann es regionale Unterschiede geben.

Viele Betroffene wissen gar nicht, welche Unterstützungsmöglichkeiten bestehen. Dies kann auch für den Ar­beitgeber wichtig sein, da gerade die Anschaffung von (technischen) Hilfs­mitteln entscheidend zum Reha-Erfolg beitragen kann und unter Umständen von einem der Träger übernommen werden müsste. Hier heißt es: Dran­bleiben! Je früher die richtigen Maß­nahmen möglichst vollumfänglich in die Wege geleitet werden, desto besser sind die Chancen für den größtmögli­chen Erfolg und die glückliche und ge­sunde Rückkehr ins Arbeitsleben.

Dr. Silvija Franjic, Onlineredakteurin + Jobcoach

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