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#digitaltransformation – Zukunftstreiber Payroll : Risikomanagement – Sozialversicherungsprüfung

Sämtliche Arbeitgeber werden im Rahmen der Sozialversicherung geprüft. Die Ankündigung zur Sozialversicherungsprüfung beinhaltet die Aufforderung, verschiedene Unterlagen (Lohnkonten, Nachweise etc.) am Prüfungstag vorzulegen. Nun gilt es, sich auf die anstehende Prüfung zielgerichtet vorzubereiten.

Lesezeit 6 Min.
digitaltransformation – Zukunftstreiber Payroll
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Umfang der Betriebsprüfung

Aufgabe des Betriebsprüfers ist es, alle mit der Beurteilung der Versi­cherungspflicht oder -freiheit ver­bundenen Abrechnungsvorgänge sowie alle mit der Beitragsberech­nung einschließlich der Erstattung nach dem Aufwendungsausgleichs­gesetz (AAG) erfolgten Abrechnungen zu prüfen. Dabei sind die Arbeitge­ber verpflichtet, auch die Bescheide und Prüfberichte der Finanzbehörden (Lohnsteuerhaftungsbescheide) vor­zulegen, weil eine steuerrechtliche Nachforderung in aller Regel eine so­zialversicherungsrechtliche Beitrags­nachforderung nach sich zieht. Die Prüfer sind gem. § 11 Abs. 2 Beitrags­verfahrensverordnung (BVV) berech­tigt, über den Bereich der Lohn- und Gehaltsabrechnung hinaus auch den Bereich des Rechnungswesens in die Prüfung einzubeziehen. Hier ist insbe­sondere die Kreditorenbuchhaltung im Fokus, denn dort sind die Rechnungen für Fremdleistungen erfasst.

Versicherungsrechtliche Haftungsfallen

Die Prüfschwerpunkte variieren von Jahr zu Jahr. Im Mittelpunkt der Be­triebsprüfung stehen häufig Status­fragen, regelmäßig bei der Frage, ob geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH als Arbeitnehmer oder Selbst­ständige anzusehen sind, in Ehegat­tenarbeitsverhältnissen, vorrangig aber im Zusammenhang mit dem Ver­dacht auf Scheinselbstständigkeit. Die­ses Gebiet ist in den letzten Jahren in vielen Facetten geprüft worden, sei es beim Fahrer ohne eigenes Fahrzeug, sei es bei Familienhelfern, Masseuren oder Pflegepartnern, Familienbetreu­ern sowie zuletzt bei Honorarkräften in Krankenhäusern und stationären Pflegeeinrichtungen.

Auch der Status als Werkstudent ist manchmal streitig, wenn die Imma­trikulationsbescheinigungen nicht lückenlos vorhanden sind oder die Einhaltung der arbeitswöchentli­chen Stundengrenze nicht eindeutig festzustellen ist. Die Versicherungs­pflicht ausländischer Saisonarbeitneh­mer, insbesondere, wenn sie aufgrund eines Werkvertrages beschäftigt wer­den, führt häufig zu Beitragsnachfor­derungen. Fragen im Zusammenhang mit geringfügigen Beschäftigungsver­hältnissen sind Gegenstand der Prü­fung, vor allem, ob die Entgeltgrenzen überschritten werden, bzw. bei § 8 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IV, ob die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird.

Beitragsrechtliche Haftungsfallen

Zahlreiche gesetzliche Änderungen rücken verstärkt in den Fokus der Betriebsprüfer der Deutschen Renten­versicherung. So riskieren Arbeitgeber den Wegfall der Sozialversicherungs­freiheit von steuerfreien oder pau­schal versteuerten Zusatzleistungen an Arbeitnehmer.

Die mögliche Beitragspflicht für Sach­zuwendungen trotz Pauschalversteu­erung wie auch die Problematik, was zum Arbeitsentgelt gehört und trotz Steuerfreiheit sozialversicherungs­pflichtig ist, bereiten erhebliches Kopf­zerbrechen in den Lohnbüros.

So entsteht der Eindruck, als müssten sämtliche steuerfreien Zuwendungen (Sachleistungen bis 50 Euro monatlich) und Erstattungen (z. B. Reisekosten) über die monatliche Lohnabrechnung gesteuert werden, um die Beitrags­freiheit nicht zu gefährden. Tatsäch­lich genügt es hier – wie bisher – die gesetzlichen Vorgaben der Dokumen­tation für den einfachen Nachvollzug einzuhalten.

Sonderfall: Phantomlohn

Auch kommt es häufig zu unterschied­lichen Auffassungen über die Bei­tragspflicht des Differenzbetrages zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und den (höheren) Entgel­tansprüchen des Arbeitnehmers nach einem Tarifvertrag (sog. Phantom­lohn-Rechtsprechung), aber auch über die Umlagepflicht (U1, U2, Insolvenz­geldumlage) des Arbeitsentgelts eines Minijobbers oder (neuerdings häufi­ger) die Beitragspflicht von Zulagen z. B. auch im Erholungsurlaub. Hier ist die scharfe Unterscheidung zwischen laufenden Arbeitsentgelten (Grund­lohn, Vergütung für Mehrarbeit etc.) und einmalig gezahlten Arbeitsent­gelten (Sonderzahlungen, Urlaubsgeld etc.) relevant.

Tabelle digitaltransformation – Zukunftstreiber Payroll
Tabelle digitaltransformation – Zukunftstreiber Payroll

Denn der Arbeitgeber haftet nicht nur gegenüber dem Arbeitnehmer für die Zahlung der zu vergütende Arbeitszeit sowie der entsprechenden gesetzlichen Freistellungen. Nicht zu­letzt haftet der Arbeitgeber gegenüber den Sozialversicherungsträgern für die korrekte Abführung der Sozialver­sicherungsbeiträge nebst Umlagen für die vergütungspflichtigen Arbeitszei­ten. Diese Rechtsfolge trifft den Ar­beitgeber insbesondere auch dann, wenn Arbeitszeiten – egal ob vorsätz­lich, grob fahrlässig oder schlicht aus Unkenntnis – nicht vergütet werden.

Dieser Sachverhalt wird unter dem Begriff Phantomlohn im Sozialversi­cherungsrecht abgebildet. Die Vermitt­lung der gesetzlichen Vorgaben sowie der rechtssicheren Umsetzung bei Mandanten stellt für Fachanwälte im Arbeitsrecht und gleichermaßen für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer immer wieder eine große Herausfor­derung dar. Denn die Beitragspflicht entsteht in dem Moment, wo ein Be­schäftigter vergütungspflichtige Ar­beitszeit erbringt und in der Folge einen Rechtsanspruch auf die Auszah­lung von laufendem Arbeitsentgelt erhält.

Hier bereiten die arbeitsrechtlichen Varianten der Bereitschaftszeiten große Probleme. So ist die Rufbereit­schaft (Erreichbarkeit ohne örtliche Festlegung durch den Arbeitgeber) Freizeit und nicht zu vergüten. Da­gegen ist der Bereitschaftsdienst (mit Festlegung des Aufenthaltsortes durch den Arbeitgeber) stets vergütungs­pflichtige Arbeitszeit.

Summenbeitragsbescheid

Nach § 28f Abs. 2 SGB IV kann – nur – der Rentenversicherungsträger bei Verletzung der gesetzlichen Aufzeich­nungspflichten durch den Arbeitgeber die Beiträge zur Sozialversicherung und die Umlagen nach dem Aufwen­dungsausgleichsgesetz aus der Summe der gezahlten Arbeitsentgelte erhe­ben (§ 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Ist die Summe dieser Arbeitsentgelte jedoch nicht bekannt, können diese auch ge­schätzt werden (§ 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV).

Dies setzt voraus, dass die personen­bezogene Feststellung der Versiche­rungspflicht, der Beitragspflicht oder der Beitragshöhe wegen der Verlet­zung der Aufzeichnungspflichten nicht oder nur mit unverhältnismä­ßig großem Aufwand möglich ist. Ein Summenbeitragsbescheid reduziert gleichzeitig in nicht unerheblichem Maße den Dokumentationsaufwand beim Arbeitgeber. Bezieht sich ein Summenbeitragsbescheid auf Arbeits­entgelte gemeldeter Arbeitnehmer, ist bezogen auf die vom Summenbei­tragsbescheid erfassten Kalenderjahre eine Quotierung der beim Arbeitgeber am 01.07. vertretenen Krankenkassen vorzunehmen.

Verjährung von Beitragsansprüchen

Ansprüche auf Sozialversicherungs­beiträge verjähren vier Jahre nach Ab­lauf des Kalenderjahres der Fälligkeit. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthal­tene Beiträge verjähren 30 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind (§ 25 Abs. 1 SGB IV).

Strafrechtliche Folgen der Beitragsvorenthaltung

digitaltransformation – Zukunftstreiber Payroll 2
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Die Beitragsvorenthaltung ist straf­bar gemäß § 266a Abs. 1 Strafgesetz­buch (StGB). Gleichzeitig entsteht auch ein Schadensersatzanspruch der Ein­zugsstelle gemäß § 823 Abs. 2 Bür­gerliches Gesetzbuch (BGB) in Höhe der Arbeitnehmerbeitragsanteile zur Sozialversicherung. Der Schadens­ersatzanspruch ist nach der Rechtspre­chung selbst dann gegeben, wenn der Arbeitgeber, ohne Lohn bzw. Gehalt an seine Arbeitnehmer gezahlt zu haben, die Arbeitnehmerbeitragsanteile zur Sozialversicherung bei Fälligkeit nicht an die Einzugsstelle abführt, obwohl es ihm möglich gewesen wäre.

Rückforderungen beim Ar­beitnehmer max. drei Monate

Gemäß § 28 g SGB IV kann der Ar­beitgeber jedoch den auf den Ar­beitnehmer entfallenden Anteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags von diesem zurückverlangen. Dieses ist indes nur dann möglich, wenn der unterbliebene Abzug bei den nächsten drei Entgeltzahlungen auch nachge­holt werden kann. Später kann er nur dann nachgeholt werden, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitge­bers unterblieben ist. Die Arbeitneh­meranteile, die von dem Arbeitgeber nicht zurückgefordert werden können, stellen einen geldwerten Vorteil dar, sodass sie lohnsteuerpflichtig sind. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Be­schäftigte seinen Pflichten nach § 28o Abs. 1 SGB IV vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.

Risiken vermeiden – Prüfung erfolgreich bestehen

Die Änderung der Prüfschwerpunkte hat Folgen. So ist die Kenntnis der je­weiligen gesetzlichen Bestimmun­gen mindestens jährlich abzusichern und die gesetzlichen Vorgaben sind in die laufenden Prozesse einzupflegen. Durch praxisbezogene Schulungen sind die betroffenen Führungskräfte zu sensibilisieren. Die operativ befass­ten Mitarbeiter sind durch standar­disierte Checklisten und Prüfhilfen in die Lage zu versetzen, die gesetz­lich vorgeschriebenen Arbeiten effizi­ent auszuführen und die notwendigen Aufzeichnungen und Dokumentatio­nen für Prüfzwecke zu gewährleisten.

Die weitere Digitalisierung der Pro­zesse wird die professionelle Arbeit im Lohnbüro keinesfalls ersetzen. Sie wird sich vielmehr weg von der rei­nen Lohnsachbearbeitung hin zu einem vernetzten Lohnmanagement entwickeln. Dabei werden die Fach- und Führungskräfte von internen und externen Beratern und Referenten unterstützt. Das ist notwendig, denn der Beratungsbedarf durch die immer komplexer werdenden gesetzlichen Bestimmungen wird deutlich steigen. Die Kenntnis der jeweiligen gesetzli­chen Bestimmungen sowie deren Um­setzung in der betrieblichen Praxis können nur noch im Team erfolgreich bewerkstelligt werden.

Raschid Bouabba, MCGB GmbH

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