#digitaltransformation – Zukunftstreiber Payroll : Risikomanagement – Sozialversicherungsprüfung
Sämtliche Arbeitgeber werden im Rahmen der Sozialversicherung geprüft. Die Ankündigung zur Sozialversicherungsprüfung beinhaltet die Aufforderung, verschiedene Unterlagen (Lohnkonten, Nachweise etc.) am Prüfungstag vorzulegen. Nun gilt es, sich auf die anstehende Prüfung zielgerichtet vorzubereiten.

Umfang der Betriebsprüfung
Aufgabe des Betriebsprüfers ist es, alle mit der Beurteilung der Versicherungspflicht oder -freiheit verbundenen Abrechnungsvorgänge sowie alle mit der Beitragsberechnung einschließlich der Erstattung nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) erfolgten Abrechnungen zu prüfen. Dabei sind die Arbeitgeber verpflichtet, auch die Bescheide und Prüfberichte der Finanzbehörden (Lohnsteuerhaftungsbescheide) vorzulegen, weil eine steuerrechtliche Nachforderung in aller Regel eine sozialversicherungsrechtliche Beitragsnachforderung nach sich zieht. Die Prüfer sind gem. § 11 Abs. 2 Beitragsverfahrensverordnung (BVV) berechtigt, über den Bereich der Lohn- und Gehaltsabrechnung hinaus auch den Bereich des Rechnungswesens in die Prüfung einzubeziehen. Hier ist insbesondere die Kreditorenbuchhaltung im Fokus, denn dort sind die Rechnungen für Fremdleistungen erfasst.
Versicherungsrechtliche Haftungsfallen
Die Prüfschwerpunkte variieren von Jahr zu Jahr. Im Mittelpunkt der Betriebsprüfung stehen häufig Statusfragen, regelmäßig bei der Frage, ob geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH als Arbeitnehmer oder Selbstständige anzusehen sind, in Ehegattenarbeitsverhältnissen, vorrangig aber im Zusammenhang mit dem Verdacht auf Scheinselbstständigkeit. Dieses Gebiet ist in den letzten Jahren in vielen Facetten geprüft worden, sei es beim Fahrer ohne eigenes Fahrzeug, sei es bei Familienhelfern, Masseuren oder Pflegepartnern, Familienbetreuern sowie zuletzt bei Honorarkräften in Krankenhäusern und stationären Pflegeeinrichtungen.
Auch der Status als Werkstudent ist manchmal streitig, wenn die Immatrikulationsbescheinigungen nicht lückenlos vorhanden sind oder die Einhaltung der arbeitswöchentlichen Stundengrenze nicht eindeutig festzustellen ist. Die Versicherungspflicht ausländischer Saisonarbeitnehmer, insbesondere, wenn sie aufgrund eines Werkvertrages beschäftigt werden, führt häufig zu Beitragsnachforderungen. Fragen im Zusammenhang mit geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen sind Gegenstand der Prüfung, vor allem, ob die Entgeltgrenzen überschritten werden, bzw. bei § 8 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IV, ob die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird.
Beitragsrechtliche Haftungsfallen
Zahlreiche gesetzliche Änderungen rücken verstärkt in den Fokus der Betriebsprüfer der Deutschen Rentenversicherung. So riskieren Arbeitgeber den Wegfall der Sozialversicherungsfreiheit von steuerfreien oder pauschal versteuerten Zusatzleistungen an Arbeitnehmer.
Die mögliche Beitragspflicht für Sachzuwendungen trotz Pauschalversteuerung wie auch die Problematik, was zum Arbeitsentgelt gehört und trotz Steuerfreiheit sozialversicherungspflichtig ist, bereiten erhebliches Kopfzerbrechen in den Lohnbüros.
So entsteht der Eindruck, als müssten sämtliche steuerfreien Zuwendungen (Sachleistungen bis 50 Euro monatlich) und Erstattungen (z. B. Reisekosten) über die monatliche Lohnabrechnung gesteuert werden, um die Beitragsfreiheit nicht zu gefährden. Tatsächlich genügt es hier – wie bisher – die gesetzlichen Vorgaben der Dokumentation für den einfachen Nachvollzug einzuhalten.
Sonderfall: Phantomlohn
Auch kommt es häufig zu unterschiedlichen Auffassungen über die Beitragspflicht des Differenzbetrages zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und den (höheren) Entgeltansprüchen des Arbeitnehmers nach einem Tarifvertrag (sog. Phantomlohn-Rechtsprechung), aber auch über die Umlagepflicht (U1, U2, Insolvenzgeldumlage) des Arbeitsentgelts eines Minijobbers oder (neuerdings häufiger) die Beitragspflicht von Zulagen z. B. auch im Erholungsurlaub. Hier ist die scharfe Unterscheidung zwischen laufenden Arbeitsentgelten (Grundlohn, Vergütung für Mehrarbeit etc.) und einmalig gezahlten Arbeitsentgelten (Sonderzahlungen, Urlaubsgeld etc.) relevant.

Denn der Arbeitgeber haftet nicht nur gegenüber dem Arbeitnehmer für die Zahlung der zu vergütende Arbeitszeit sowie der entsprechenden gesetzlichen Freistellungen. Nicht zuletzt haftet der Arbeitgeber gegenüber den Sozialversicherungsträgern für die korrekte Abführung der Sozialversicherungsbeiträge nebst Umlagen für die vergütungspflichtigen Arbeitszeiten. Diese Rechtsfolge trifft den Arbeitgeber insbesondere auch dann, wenn Arbeitszeiten – egal ob vorsätzlich, grob fahrlässig oder schlicht aus Unkenntnis – nicht vergütet werden.
Dieser Sachverhalt wird unter dem Begriff Phantomlohn im Sozialversicherungsrecht abgebildet. Die Vermittlung der gesetzlichen Vorgaben sowie der rechtssicheren Umsetzung bei Mandanten stellt für Fachanwälte im Arbeitsrecht und gleichermaßen für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer immer wieder eine große Herausforderung dar. Denn die Beitragspflicht entsteht in dem Moment, wo ein Beschäftigter vergütungspflichtige Arbeitszeit erbringt und in der Folge einen Rechtsanspruch auf die Auszahlung von laufendem Arbeitsentgelt erhält.
Hier bereiten die arbeitsrechtlichen Varianten der Bereitschaftszeiten große Probleme. So ist die Rufbereitschaft (Erreichbarkeit ohne örtliche Festlegung durch den Arbeitgeber) Freizeit und nicht zu vergüten. Dagegen ist der Bereitschaftsdienst (mit Festlegung des Aufenthaltsortes durch den Arbeitgeber) stets vergütungspflichtige Arbeitszeit.
Summenbeitragsbescheid
Nach § 28f Abs. 2 SGB IV kann – nur – der Rentenversicherungsträger bei Verletzung der gesetzlichen Aufzeichnungspflichten durch den Arbeitgeber die Beiträge zur Sozialversicherung und die Umlagen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz aus der Summe der gezahlten Arbeitsentgelte erheben (§ 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Ist die Summe dieser Arbeitsentgelte jedoch nicht bekannt, können diese auch geschätzt werden (§ 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV).
Dies setzt voraus, dass die personenbezogene Feststellung der Versicherungspflicht, der Beitragspflicht oder der Beitragshöhe wegen der Verletzung der Aufzeichnungspflichten nicht oder nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich ist. Ein Summenbeitragsbescheid reduziert gleichzeitig in nicht unerheblichem Maße den Dokumentationsaufwand beim Arbeitgeber. Bezieht sich ein Summenbeitragsbescheid auf Arbeitsentgelte gemeldeter Arbeitnehmer, ist bezogen auf die vom Summenbeitragsbescheid erfassten Kalenderjahre eine Quotierung der beim Arbeitgeber am 01.07. vertretenen Krankenkassen vorzunehmen.
Verjährung von Beitragsansprüchen
Ansprüche auf Sozialversicherungsbeiträge verjähren vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres der Fälligkeit. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren 30 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind (§ 25 Abs. 1 SGB IV).
Strafrechtliche Folgen der Beitragsvorenthaltung

Die Beitragsvorenthaltung ist strafbar gemäß § 266a Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB). Gleichzeitig entsteht auch ein Schadensersatzanspruch der Einzugsstelle gemäß § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Höhe der Arbeitnehmerbeitragsanteile zur Sozialversicherung. Der Schadensersatzanspruch ist nach der Rechtsprechung selbst dann gegeben, wenn der Arbeitgeber, ohne Lohn bzw. Gehalt an seine Arbeitnehmer gezahlt zu haben, die Arbeitnehmerbeitragsanteile zur Sozialversicherung bei Fälligkeit nicht an die Einzugsstelle abführt, obwohl es ihm möglich gewesen wäre.
Rückforderungen beim Arbeitnehmer max. drei Monate
Gemäß § 28 g SGB IV kann der Arbeitgeber jedoch den auf den Arbeitnehmer entfallenden Anteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags von diesem zurückverlangen. Dieses ist indes nur dann möglich, wenn der unterbliebene Abzug bei den nächsten drei Entgeltzahlungen auch nachgeholt werden kann. Später kann er nur dann nachgeholt werden, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist. Die Arbeitnehmeranteile, die von dem Arbeitgeber nicht zurückgefordert werden können, stellen einen geldwerten Vorteil dar, sodass sie lohnsteuerpflichtig sind. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Beschäftigte seinen Pflichten nach § 28o Abs. 1 SGB IV vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.
Risiken vermeiden – Prüfung erfolgreich bestehen
Die Änderung der Prüfschwerpunkte hat Folgen. So ist die Kenntnis der jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen mindestens jährlich abzusichern und die gesetzlichen Vorgaben sind in die laufenden Prozesse einzupflegen. Durch praxisbezogene Schulungen sind die betroffenen Führungskräfte zu sensibilisieren. Die operativ befassten Mitarbeiter sind durch standardisierte Checklisten und Prüfhilfen in die Lage zu versetzen, die gesetzlich vorgeschriebenen Arbeiten effizient auszuführen und die notwendigen Aufzeichnungen und Dokumentationen für Prüfzwecke zu gewährleisten.
Die weitere Digitalisierung der Prozesse wird die professionelle Arbeit im Lohnbüro keinesfalls ersetzen. Sie wird sich vielmehr weg von der reinen Lohnsachbearbeitung hin zu einem vernetzten Lohnmanagement entwickeln. Dabei werden die Fach- und Führungskräfte von internen und externen Beratern und Referenten unterstützt. Das ist notwendig, denn der Beratungsbedarf durch die immer komplexer werdenden gesetzlichen Bestimmungen wird deutlich steigen. Die Kenntnis der jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen sowie deren Umsetzung in der betrieblichen Praxis können nur noch im Team erfolgreich bewerkstelligt werden.
Raschid Bouabba, MCGB GmbH